Aus dem Nähkästchen

Recherchewissen zu meinem Roman Das Geheimnis der Reformatorin Als Autorin von historischen Romanen muss ich viel recherchieren - eine der schnen Seiten des Autorenlebens. Denn man erfhrt bei der Recherche immer wieder interessante Besonderheiten. Auch wenn ich mir bereits ein groes Wissen Rund um das Thema Mittelalter angeeignet habe, muss ich fr jeden Roman neue Details recherchieren. Fr meinen aktuellen Lutherroman Das Geheimnis der Reformatorin waren das vor allem drei Themengebiete: Klner Gerichtsbarkeit Bildung und Schulwesen im Mittelalter Bibelbersetzung Martin Luthers Heute mchte ich mit euch ein paar interessante Details meiner Recherche teilen. // Klner Gerichtsbarkeit Welchem Gericht unterstehe ich? Diese Frage mussten sich die Klner bei einer Straftat im Mittelalter stellen, da es eine Vielzahl von Gerichten gab: Das Gewaltgericht, das hohe Gericht, die Zunftgerichte, das Universittsgericht, das Kirchengericht etc. Fr meinen Roman habe ich mich intensiv mit den Klner Gerichten beschftigt, da in dem Roman ein Mord geschieht. Ein kurzer berblick: Das Gewaltgericht war prinzipiell das oberste Gericht. In diesem Gericht saen die Ratsherren. Seine Aufgabe: Den Frieden in der Stadt wahren, Ahndung von Messerzcken, Hausfriedensbruch, Aufsicht der Einhaltung der nchtlichen Sperrstunde etc. Der Rat hat einen Gewaltrichter eingesetzt, der mit seinen Gewaltdienern ein Verbrechen aufklren sollte. Das Gewaltgericht verhngte Geldbuen und Turmhaft. Doch das Gewaltgericht konnte keine Todesstrafen verhngen. Dafr musste der Delinquent an das Hohe Gericht bergeben werden. Der Erzbischof stand dem Hohen Gericht vor. Der Scharfrichter konnte nur vom hohen Gericht beauftragt werden. Die Todesstrafe kam jedoch nur selten vor. Meist gab es Turmsitzen (hatte entehrenden Charakter), Geldbuen, Krperstrafen wie Prgel, Stadtverweise ggf. mit Krperstrafen kombiniert, am Pranger (Kax) stehen. Wenn ein Delinquent in Kln eingesperrt wurde, wurde er in einen Turm gebracht - zumeist in den Frankenturm. Der Burggreven war fr die Bewachung der Trme und Bewahrung der Schlssel zustndig. Er kmmerte sich kaum um die Gefangenen, so dass die Haft bei Enge, Klte und Dunkelheit oft zur Qual wurde. (Quelle Text: Kln im Kreuzverhr: Kriminalitt, Herrschaft und Gesellschaft einer frhneuzeitlichen Stadt. Von Gerd Schwarthoff, 1991) (Quelle Bild: Richter und Schffen bei der Urteilsfindung, Abbildung aus dem 14. Jhd. Aus dem Buch Das mittelalterliche Kln von Carl Dietmar) // Bildung und Schulwesen im Mittelalter Die meisten Menschen im 16. Jahrhundert waren Analphabeten - vor allem auf dem Lande, doch im frhneuzeitlichen Kln, mit 40.000 Einwohnern die bevlkerungsreichste Stadt des deutschen Reiches, gab es eine Vielzahl von Schulen. Es gab Kloster-, Schreib- und Rechenschulen, das Gymnasium (Dreiknigsgymnasium in Kln seit 1450) und die Universitt. Das Brgertum und vor allem Kaufleute erkannten die Wichtigkeit der Bildung. Das Schulwesen wandelte sich um 1500 durch den Humanismus und auch durch die Reformation sehr. In Gegenden mit protestantischer Prgung gingen die kirchlichen Schulen meist in die stdtische Verwaltung ber. In groen Stdten kamen Lateinschulen und private Lese- und Schreibschulen auf. Anscheinend stieg das Bedrfnis der Bevlkerung nach Bildung. In dieser Zeit entstanden Klipp- oder Winkelschulen, die als Hausschulen von unabhngigen Menschen gefhrt wurden. Kleinere Klassen boten einen schnelleren Lernfortschritt, weshalb sie beliebt waren und die Schulen ein hheres Schuldgeld fordern konnten. Der Obrigkeit und der Kirche waren diese Schulen ein Dorn im Auge, sie sahen ihr Lehrprivileg und ihre Einflussnahme gefhrdet, so dass sie gegen diese Schulen vorgingen. Das hat bei mir die Idee zu einer #Mdchenschule gebracht. ber eine Klner Mdchenschule im 16. Jahrhundert gibt es keine Zeugnisse, allerdings gibt es Urkunden, die von Frauen verfasst wurden und damit eine Lese- und Schreibfhigkeit von Frauen belegen. Eine Mdchenschule ist also zumindest eine denkbare Mglichkeit gewesen. Das Dreiknigsgymnasium ist brigens eine der ltesten Schulen im Rheinland und die lteste Schule Klns. (Quelle Bild: Unterricht im 15. Jahrhundert; Mnch und Schler, Illustration aus Cato cum glossa et moralisatione, 1497 verlegt von Johann Schnsperger dem lteren, Quelle Wikipedia) (Quelle Text: Schule und Schler im Mittelalter: Beitrge zur europischen Billdungsgeschichte des 9. Bis 15. Jahrhundert (Aufsatzsammlung) von Martin Kintzinger, 1996) // Luthers Bibelbersetzung Im 4. Jahrhundert entstand die Vulgata - die lateinische bersetzung der Bibel, die in der katholischen Kirche im ganzen Mittelalter in Gebrauch war. Volkssprachliche Bibelbersetzungen hat die Inquisition unterbunden. Es gab erste paraphrasische Bibelbersetzungen im 8. Jahrhundert. Seit dem 14. Jahrhundert steigerte sich die Zahl der bersetzungen. 1384 gab es zum Beispiel die englische Lollard Bible. Deutschsprachige Vollbibeln sind erst seit dem 15. Jahrhundert bezeugt. Insgesamt gab es vor Luther 72 Teil- oder Vollbersetzungen, es waren meist jedoch Wort-zu-Wort-bertragungen. April 1521: Luther floh nach dem Reichstag zu Worms auf die Wartburg. Dort bersetzte er das neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Er kehrte im Mrz 1522 zurck nach Wittenberg. Es wurde gedruckt und als Septembertestament bekannt. Das Septembertestament ist aus drei Grnden von besonderer Bedeutung: Luther griff erstmals seit 1000 Jahren auf die griechische Originalsprache zurck. Luther versah den Text mit bersetzungstheoretischen Reflexionen. Luther gebrauchte eine einzigartige Sprache, die sich an der Sprache der damaligen Menschen orientierte. Das Septembertestament erschien im September 1522 mit 21 Holzschnitten von Lucas Cranach. Es kostete zwischen einem halben und 1,5 Gulden. Das war sehr teuer. (Zum Vergleich: Die Wohnungsmiete in Kln lag bei 1 - 2,5 Gulden jhrlich.) Bereits im Dezember 1522 war die zweite Auflage erhltlich. (Quelle Text: Die Bibel Martin Luthers . Ein Buch und seine Geschichte. Von Margot Kmann / Martin Rsel. 2016, Deutsche Bibelgesellschaft) (Bild: Septembertestament 1522, Anfang des Johannes-Evangelium, ebd.) //

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