Scheiden lassen habe ich mich nicht. Ich gebe zu, ich besuche sie hin und wieder. Meist zu Sonntagen und an Feiertagen. Das sind Zeiten, an denen ich mich manchmal einsam fhle. Auerdem ist das Ganze auch noch nicht so lange her. Die Narbe an meinem Handgelenk schmerzt nicht mehr und ist kaum noch zu sehen. Und mehr als zwanzig Jahre Ehe sind auch nicht nichts. Jedenfalls bin ich froh, dass der Sturm vorbei ist. Alles ist wieder in ruhigen Gewssern. Ob es so ganz richtig war, wird sich noch zeigen. Aber, htte ich denn etwas voraussehen knnen? Htte ich das Unvermeidliche abwenden knnen? Alles fing damit an, dass ich Kerstin etwas zum Weihnachtsfest schenken wollte. Genauer gesagt, schenken sollte. Was doch in einem einzelnen Buchstaben so alles versteckt ist! Von Wollen kann keine Rede sein, von sollen desto mehr. Meine Frau deutete immer wieder sehr versteckt und umstndlich auf das kommende Fest und die damit verbundenen Gewohnheiten hin. Denkst du daran, dass bald Weihnachten ist, hrte ich sie fter sagen. Bei der Grtnerei verkaufen sie schon Tannenbume und die Waren in den Schaufenstern sind voll mit glitzerndem Weihnachtsschmuck. Natrlich wollte ich Kerstin nicht verrgern. Streit und Unmut sind mir von jeher zuwider. Was mir aber noch widerwrtiger ist, ist mich mit Dingen zu befassen, die mich nichts angehen. Eigentlich hatten wir uns schon vor einigen Jahren geschworen, uns zu solchen Anlssen das Schenken zu ersparen. Und doch, letztes Jahr schien sie geradezu darauf zu brennen und mir schien nichts anderes brig zu bleiben, als dieses Bedrfnis zu befriedigen. Dabei berforderte es mich total, die Beilagen meiner Tageszeitung auf mgliche Geschenke hin zu durchforsten. Kerstin allerdings beobachtete mich dabei aufmerksam und fragte dann auch noch interessiert am Frhstckstisch: Suchst du etwas Besonderes? Kann ich dir dabei behilflich sein? Ja, das fehlte noch, dass sie sich irgendwelche bescheuerten Sachen aussuchen wrde, die ich ihr dann unter den Baum legen sollte. Es braucht niemanden zu wundern: wir hatten einen Baum. Auch ein kinderloses Paar, seit #xFC;ber zwanzig Jahren verheiratet, kann sich an einem Tannenbaum zu Weihnachten freuen. Dabei hielt sich meine Freude naturgem in Grenzen. Mir war dieses ganze Weihnachtsgedns schon seit jeher zuwider. Dazu kam, dass meine Frau schon vor Jahren beschlossen hatte, den Baum jedes Jahr in meinem, nicht sehr gerumigen Arbeitszimmer, aufzustellen. Das wrde sicher auch in diesem Dezember nicht anders sein. Da steht er doch gut, und ist uns nicht im Weg, hatte sie vergangenes Jahr zufrieden gesagt, als sie die letzte Kerze aufgesteckt hatte. Ich fand allerdings, dass er zwar nicht uns, aber doch mir im Weg war. Wollte ich an meinen Schreibtisch, beziehungsweise an meinen Computer, so musste ich erst ein paar naturnahe, grne Zweige zur Seite biegen. Ich kann es nicht mehr fr mich behalten und sage es ganz offen heraus: Kerstin war schon immer eine rcksichtslose Person. Frher hatte ich das nur nicht so bemerkt; inzwischen stie es mir immer wieder sauer auf. Der Dezember war schon zur Hlfte vergangen und ein Geschenk fr meine Frau nicht in Sicht. Sollte ich es riskieren, ihr wieder eine Schachtel mit Marzipanpralinen zu berreichen? Nein! Nur das nicht. Das letzte Gewitter deswegen war kaum auszuhalten gewesen. Und Kerstin verga so etwas nicht so schnell. Marzipan ging auf keinen Fall. Mglicherweise war es bekannt, in welchem Dilemma langjhrig verheiratete Ehemnner bezglich eines Geschenkes fr ihre Frauen steckten. Eines Morgens lag der Prospekt eines Elektrogeschftes, nicht weit von unserer Wohnung entfernt, der Zeitung bei. Auf der Titelseite wurde mein Problem ausfhrlich errtert. Auch die Lsung desselben prsentierte sich, in Form eines Saugers. Es war weder ein Ungetm mit langem, unhandlichem Kabel, noch ein schmales Einhand-Spezial-Modell mit Akkubetrieb. Dieser Sauger schien etwas sehr Neues zu sein. Flach, wie eine etwas dickere Scheibe lag er vor mir, im Hochglanz des Prospektes. Alles konnte dieses neukonstruierte Pflegegert, alles, was die anderen beiden Staubsauger auch konnten, und noch viel mehr. Dieses Gert war autark, oder soll ich sagen, es war autonom. Sollte ich es Kerstin schenken, so knnte sie ihre Auenkontakte mit ihren Freundinnen wahrnehmen, ohne dass ihre Wohnung verwahrloste. Da es sich auch um meine Wohnung handelte, kaufte ich frohen Mutes dieses Gert. Es ist nicht zu ndern. Jeder Mensch trifft mindestens einmal im Leben eine falsche Entscheidung. Dass dieser Kauf eine solche war, stellte sich erst spter heraus. Die Auenkontakte waren fr mich entscheidend gewesen. Kerstin sollte hinaus in die Welt und mir meine kleine, groe Welt des Bildschirms berlassen. Auch mir ist bekannt, dass Kontakte im Augenblick nicht der Renner sind, dennoch bringt es nichts, nur noch zu Hause herumzusitzen und sich anzuden. Ein paar Treffen mussten doch noch sein. Weihnachten kam heran. Den Baum kauften wir gemeinsam. Meine Frau hatte darauf bestanden. Wie jedes Jahr, machte er sich neben meinem Schreibtisch breit. Kerstin hatte zum sogenannten Heiligen Abend, Wiener Schnitzel mit Pommes und einen sehr leckeren Ackersalat fr zwei serviert. Alles in allem war es ein feines, aber fr einen Festtag doch schmales Mahl geworden. Die Pltzchen zum Nachtisch kamen aus der Packung. Die hatte uns Kerstins Mutter geschickt. Wir wollten sie am nchsten Tag im Altenheim besuchen. Andere Verwandtschaft gab es nicht und so saen wir denn zu zweit vor unserem Baum, hatten die Kerzen entzndet, tranken unseren Sherry und hrten die Weihnachtslieder vom Kinderchor im Radio. Alles in allem war es eine freundliche, friedliche Atmosphre. Nach einiger Zeit allerdings wurde Kerstin unruhig. Ich bemerkte es wohl, dass sie ungeduldig auf das groe Paket unter dem Baum schaute und dann mit freundlicher Miene auf mich. Ich bin ja so gespannt, was du mir schenkst, lchelte sie liebevoll. In manchen Augenblicken trat so eine Verliebtheit in ihren Ausdruck, als htten wir uns eben erst kennengelernt. Mir war das peinlich. Mehr als zwanzig Jahre Ehe und getrennte Schlafzimmer gehen nicht spurlos an einem Mann vorber. Mach du zuerst auf, bat sie und drckte mir eine schmale Schachtel in die Hand. Es wrde doch nicht eine Krawatte sein!? Ich tat ihr den Gefallen, mich ber ein weiteres Paar Radhandschuhe zu freuen. Auch der Sommer wrde wiederkommen. Dazu gab es noch eine Flasche Sherry, dieselbe, die wir sowieso immer kauften. Neu war das dritte Geschenk: Ein Kartenspiel. Fr uns, da knnen wir am Abend doch hin und wieder Romm spielen. Das haben wir doch frher im Urlaub auch immer gemacht. Kerstin wirkte geradezu enthusiastisch. Wenn ich etwas nicht mag, dann ist das Kartenspielen. Aber meine Frau dachte halt nur an sich! Ich tat erfreut und wartete gespannt darauf, was sie wohl zu meinem Geschenk sagen wrde. Es war immerhin eine Neuheit und billig war es auch nicht gewesen. Ich muss sagen, ich erwartete einen Freudenschrei. Leider erhielt ich nur ein mrrisches: Was ist das denn? Au weia, das ging jetzt wohl ziemlich daneben. Kerstin beteiligte sich weder am Zusammenbauen, noch wollte sie die Anleitung vorlesen. Nimm es mir nicht bel, sagte sie suerlich, whrend sie das Einwickelpapier heftig zusammenknllte, aber das ist wohl das unntigste Geschenk, das ich je bekommen habe. Nachdem ich nicht reagierte, schob sie noch nach: Ich wei, dass unsere beiden Staubsauger nicht mehr die Neuesten sind, aber beide funktionieren einwandfrei. Dann sah sie mir, mit verbitterter Miene, bei der weiteren Montage zu. Sie uerte sich auch dann nicht weiter, als das Licht in der Scheibe grngleiend aufleuchtete und ein leises Summen ertnte. Erst als das Gert sich in Bewegung setzte, warf sie einen nicht zu definierenden Blick darauf, uerte noch ihre Besorgnis, eventuelle Macken in Mbelstcken betreffend, und drckte mit angewiderter Miene den Ausschaltknopf. Na, wenigstens hatte sie mein Geschenk zur Kenntnis genommen. Sie wrde sich schon daran gewhnen. Htte ich an diesem Weihnachtsabend geahnt, wie alles kommen wrde, ich htte dieses Gert auf schnellstem Weg zurckgebracht. Aus dem gemeinsamen Kartenspiel wurde nichts. Ich steckte das Pckchen unter einen Stapel Ausdrucke. Kerstin schien es vergessen zu haben, genauso, wie das unntze Gert. Wir hatten beide Urlaub zwischen den Jahren. Ich befasste mich tagsber mit den neuesten Erkenntnissen zu meiner beruflichen Ttigkeit im Internet und Kerstin strickte. Irgendwie empfand ich die Stimmung etwas angespannt. Kerstin kochte, wir aen zusammen und ich whlte fr den Abend das Fernsehprogramm aus. Auenkontakte waren in diesen Zeiten ja auf ein Minimum beschrnkt. Leider hielt sich Kerstin so total daran, dass sie sich hchstens einmal kurz zum Bcker oder zum Bioladen aufmachte. Ich fand es langsam unheimlich, wie sie sich in ihrem Zimmer einigelte. Ganz gegen meine Gewohnheit sprach ich sie sogar einige Male an und bat sie, mich auf einen Spaziergang zu begleiten. Ich habe wirklich keine Lust, hinter dir her zu hecheln, lie sie mich mit unfreundlich verzogenem Gesicht wissen. Dann eben nicht, dachte ich beleidigt, ich gehe eh lieber allein. Kerstin vergrub sich also in ihrem Zimmer. Wir sahen uns noch, aber nur bei unaufschiebbaren Gngen in der Wohnung. Hatte ich tatschlich so viel falsch gemacht? Ich wollte mit meinem Geschenk doch nur den Frieden am Weihnachtsabend retten. Eines Tages, als ich nach Hause kam und mir eben die Schuhe an der Garderobe auszog, hrte ich sie telefonieren. Na, wenigstens hat sie noch nicht alle Kontakte abgebrochen, dachte ich und spitzte die Ohren. Ja, ich gebe es zu, ich ging sogar zwei, drei Schritte auf Strmpfen Richtung ihrer Zimmertre. Sie hatte mich wohl kommen hren, denn das Gesprch brach ab. Stille. Ich hrte nur Stille. Was sie wohl Wichtiges gesprochen hatte? Womglich beklagte sie sich bei ihren Freundinnen ber mich. Das htte ich zu gerne gewusst und ich nahm mir vor, wachsam zu sein. Allerdings schien sie sich doch nicht ganz von mir abgewandt zu haben, denn sie bot mir an, mir eine Weste zu stricken. Die Idee war freundlich gedacht, aber die Ausfhrung lie zu wnschen brig. Ich konnte zu diesem Projekt nicht ja sagen. Beim besten Willen nicht. Kerstin hatte graue Wolle dafr bestellt und so sollte es zwangslufig eine graue Weste werden und das Ganze auch noch mit Zopfmuster. Meine Ablehnung dieser Liebestat grau und Zopf ging gar nicht enttuschte meine Frau so sehr, dass es zu einem unangenehmen Trenschlagen von ihrer Seite kam. Und dennoch strickte sie weiterhin grau und wie ich bei nherem Hinsehen bemerkte, auch Zopf. Man muss sich das vorstellen: Meine Frau konnte die spannendsten Filme im Fernseher anschauen und dabei Eins-links-zwei-rechts, oder so hnlich, murmeln. Und dazu klapperte sie mit den Stricknadeln so heftig, dass sie es berhrte, wie ich vor rger mit den Zhnen knirschte. Aber, auch sie hatte ihre Rechte und irgendwann wrde das unfrmige Teil seinem Ende zugehen. Fr wen auch immer es gedacht war. Eines Tages dann erlebte ich eine kaum zu glaubende berraschung. Ich hatte die Wohnungstre getreu meinem Motto, wachsam zu sein, sehr leise geffnet. Da sah ich meine Frau in ihr Zimmer strzen, etwas mit dem Fu hinter die Tre schieben und diese rasch schlieen. Hinein mit dir, schnell, hrte ich sie sagen. Was machte sie da? Hatte sie etwa ein Tier bei sich? Eine Katze? Kerstin wusste, dass meine Katzenallergie mir schon etliche schlimme Stunden breitet hatte. Sie wrde es doch nicht wagen?! Ich zog meine Hausschuhe ber und schnupperte. Es roch weder nach Katze noch nach einem anderen Tier. Mit wem redete sie also? Lchelnd kam sie wieder zum Vorschein und fragte ganz gegen ihre Gewohnheit: Bist du wieder zurck? Und als ich sie prfend ansah, setzte sie noch hinzu: Regnet es noch? Das eine ja, sagte ich, das andere nein. Dann dachte ich bei mir: Jetzt oder nie und fragte, whrend ich auf ihre Zimmertre deutete: Was hast du eigentlich da drin? Ich, fragte sie, unsicher lchelnd. Ich? Nichts! Und mit wem redest du dann, wenn du denkst, ich hre es nicht? Ach das? Das ist nur Billy. Er leistet mir Gesellschaft, wenn du nicht da bist. Bei mir luteten smtliche Alarmglocken, laut, schrill und ausdauernd. Und wer oder was ist dieser Billy? Na, du hast ihn mir doch letzte Woche geschenkt, lchelte sie etwas geqult. Ich habe mich inzwischen an ihn gewhnt. Wir beide kommen gut zurecht. Als ich, misstrauisch geworden, die Zimmertre ffnete, war da wirklich niemand auer dem Saugroboter, den Kerstin noch vor einigen Tagen fr berflssig gehalten hatte. Ich war beruhigt und wollte nur noch wissen, ob er denn etwas tauge. Aber ja, sagte Kerstin beruhigend, er ist ganz toll. Ich finde ihn wunderbar. So bertreiben braucht sie nun auch nicht, dachte ich bei mir und setzte mich wieder an meinen Rechner. Von diesem Tag an kannte meine Frau kein Halten mehr. Schon am Abend bemerkte ich eine gewissen Umgestaltung unseres Wohnzimmers. Der Zeitungshalter stand auf dem Beistelltischchen, der kleine Teppich vor der Balkontre war entfernt und die beiden groen Blumentpfe hatten einen erhhten Untersatz erhalten. Ich hatte diese Neuerung wohl etwas misstrauisch beugt, denn meine Frau bemhte sich um Verstndnis. Billy braucht freie Bahn bei seinen Ttigkeiten, sonst wird das nichts. Er hat einen unglaublichen Bewegungsdrang, man sollte ihn nicht daran hindern. Billy? Hatte sie schon wieder Billy gesagt? Ich hatte mich doch nicht verhrt, oder? Du wirst doch diesem Gert nicht einen Namen geben? Ich musste lachen. Es ist ein Staubsauger und nichts weiter. Da tuscht du dich aber, schau dir doch die beiden anderen an. Er sieht doch ganz anders aus. Er macht alles ganz alleine. Er ist sozusagen automatisch autark. Und wenn er nichts Besonderes wre, dann htten wir ihn auch nicht gebraucht. Diese Abwehr meiner Belustigung brachte sie in einem so beleidigten Tonfall vor, dass ich von weiteren passenden Bemerkungen absah. Meiner Bitte, das Gert jetzt, whrend des Abendessens abzuschalten, kam sie mit einem mrrischen: Wie du mchtest, nach. Mit der Bemerkung: Mich strt er nicht, drckte sie widerwillig den Knopf. Unser Zusammenleben war seit einigen Jahren nicht mehr sehr ergiebig, die Gesprche pltscherten meist im Minutentakt dahin, Pausen waren nicht zu berhren. Dennoch waren wir noch zusammen und in diesen Corona-Zeiten bemhten wir uns, keine Zwistigkeiten aufkommen zu lassen. Ich bat Kerstin nur, mein Arbeitszimmer nicht saugtauglich zu gestalten und ihr Gert dort herauszuhalten. Die Mllabfuhr verlangte nach unserem Weihnachtsbaum. Meine Frau entfernte den Weihnachtsschmuck und verstaute ihn in ihrer Weihnachtskiste. Ich brachte den Baum hinunter in den Hof. Als ich nach oben kam, lauerte Billy bereits an meiner Zimmertre. Ich bat Kerstin, die abgefallenen Nadeln doch mit dem bewhrten Duo: Schaufel und Besen, zu entfernen. Mir war es sehr recht, dass sie das dann, beleidigt, mir berlie. Der sogenannte Billy war jetzt anerkanntes und von meiner Frau viel beachtetes Familienmitglied geworden. Auch fr mich blieb seine Anwesenheit prsent. Er schlich sich, leise brummend und summend zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die Wohnung: ein rundes, grn leuchtendes kleines Monster. Ruhe gab er nur, wenn er Saft brauchte. Dann hing er am Kabel wie ein bedrftiger Junkie und fllte sich wohl seinen Bauch mit Energie. Klar ist, ich versuchte vorsichtig auf Kerstin einzuwirken, ohne Erfolg, der Kerl lief und lief. Eines Tages hrte ich sie wieder einmal in ihrem Zimmer sprechen, in einem betulichen, beruhigenden Tonfall. Ich schlich an ihre Tre und ffnete vorsichtig etwas weiter den Spalt. Da kniete meine Frau doch vor dem Sauger, der leicht aber beharrlich unter dem Fenster gegen die Fuleiste stie. Ich traute meinen Augen kaum. Sie versuchte ein graues Strickdeckchen, wie ich bemerkte mit Zopfmuster, ber den Sauger zu stlpen. Ich konnte mich nicht zurckhalten, stie die Tre auf und tzte: Bist du jetzt ganz bergeschnappt? Einem Elektrogert einen Pullover zu stricken? Du wolltest ja keinen, stie sie trotzig hervor, jetzt hat Billy einen berzug bekommen, dann sieht er gleich noch besser aus. Kerstin zeigte nicht die Spur eines Unrechtsbewusstseins. Ganz im Gegenteil. Ab jetzt wurde es schlimmer. Ich ging wieder zur Arbeit, Kerstin blieb zuhause. Sie habe einen Teil ihres Jahresurlaubs genommen und dann noch Homeoffice beantragt. Billy solle erst einmal eingewhnt werden, also sich bei ihnen sicher fhlen. Das konnte nicht wahr sein!! Ich versuchte es im Guten: Kerstin, sagte ich ruhig, dieses Gert ist weder ein Kind, noch eine Katze, noch ein Meerschweinchen, noch ein Hase. Es ist auch kein Hund. Es braucht deine Zuwendung nicht. Du gnnst es mir nur nicht, dass ich einmal etwas ganz fr mich habe!, schrie sie aufgebracht, rannte in ihr Zimmer und schlug die Tre zu. Ich verlie das Haus mit einem unguten Gefhl. Was kam da auf mich zu? Die nchsten Tage, bei denen es sich meinerseits um die Abende handelte, verliefen friedlich. Billy war nicht zu sehen. Und doch hatte ich das unbestimmte Gefhl, dass sich etwas bei uns nderte. Immer fter bat mich Kerstin darum, nach der Arbeit einkaufen zu gehen. Das Abendessen wurde nicht wie frher, durch eine kleine, warme Speise, etwa durch ein Sppchen oder einen Toast ergnzt. Kalt und schnell war angesagt. Dann fiel mir auf, dass die Bden in Wohnraum und Kche blitzsauber waren, die Badewanne und das Waschbecken aber Rnder ansetzten. Es blieb mir nichts anderes brig, als selbst zu Lappen und Brste zu greifen. Die Badematte, alle Teppiche in Wohnraum und Kche, sowie die Schmutzmatte am Eingang lagen zusammengerollt und hochgelagert auf der Seite und wurden auch so belassen. Alles in allem, diese Unwirtlichkeit in unserer Wohnung sowie in unserem sporadischen Zusammensein, konnte nur die Folge des neuen Hausgenossen sein. Diesen bekam ich inzwischen kaum mehr zu Gesicht. Ich muss gestehen, ich hatte den Sauger, der anfangs nicht vor mir versteckt wurde, so oft ich mich unbeobachtet glaubte, mit dem Schuh traktiert. Offenbar hatte Kerstin meine wtenden Attacken doch einmal mitbekommen. Beschwert hatte sie sich nicht, aber seitdem war ihr Zimmer Billys Refugium. Kerstin begann jetzt auch ihre Abende in ihrem Zimmer zu verbringen. Meinen gespitzten Ohren entging nicht, dass hinter ihrer Tre Stimmen zu hren waren. Sie wrde doch nicht pausenlos mit diesem Gert kommunizieren oder fortlaufend am Telefon hngen? Aber mit wem sollte sie denn auch telefonieren. Seit den Ausgangsbeschrnkungen hatte sich sicher auch der Kreis ihrer Freundinnen eingeschrnkt. Andererseits, mit Billy war doch auch keine Kommunikation mglich. Seine Gesprchigkeit erschpfte sich doch in einem heftigen oder auch nachlassenden grnen Blinken und in einem, wie ich zugebe, unaufdringlichen Summen. Ich klopfte also bei Kerstin an und sie ffnete lchelnd die Tre. Ach, sieh mal an, entfuhr es mir, du hast dir einen Fernseher gekauft. Deshalb kommst du nicht mehr zu mir herber. Ich glaube nicht, dass ich dir fehle, meine sie sffisant lchelnd, Billy mchtest du ja auch nicht bei dir haben. Billy?, fragte ich, wo ist denn dein famoser Liebling? Er ruht gerade, sagte sie und zeigte in die Ecke neben der Couch, wo ein Kabel hoch zu einer Steckdose fhrte. Das untere Ende des Kabels verschwand in einem runden, rosaroten Pelzhgel, der auf der Erde lag. Es war schockierend genug, dass Kerstin jetzt schon wechselnde Bekleidungen fr den Sauger herstellte. Was mich jedoch zutiefst verstrte: Sie hatte dem Gert ein Vorderteil gehkelt, eine breite Maske sozusagen, aus dem es mich unverwandt mit riesigen offenen Glubschaugen, versehen mit runden schwarzen Pupillen, anstarrte. Die kleinen Brstchen, die fr die Suberung der Ecken vorgesehen waren, wirkten dabei wie gespreizte Wimpern. Nein, schrie ich auf, nein, das darf nicht wahr sein! Hatte Kerstin mit meiner Reaktion gerechnet? Jedenfalls schob sie mich mit beiden Hnden aus der Tre und schlug sie hinter mir zu. Jetzt war klar, was ich zu tun hatte. So durfte es nicht weitergehen. Dieses miese Stck Plastik hatte den Spalt zwischen mir und Kerstin noch weiter verbreitert, es war schuld daran, dass mein zuhause immer ungemtlicher wurde und es zog alle Aufmerksamkeit und Zuwendung meiner Frau auf sich. Ich musste handeln, wenn ich nicht vollends vereinsamen wollte. Nach diesem Eklat vermieden wir es beide, die Sprache auf Billy zu lenken. In dieser Beziehung herrschte totale Funkstille bei uns. Der Bursche schien seinen Bewegungsdrang zu erledigen, wenn ich bei der Arbeit war. Ich bekam ihn nicht mehr zu Gesicht. Warte nur Brschchen, dachte ich manchmal, wenn ich ein Fitzelchen rosaroten Felles durch Kerstins Tr lugen sah, warte nur, dich krieg ich! Ich war gespannt darauf, ob Kerstin in diesen Zeiten ihren monatlichen Fupflegetermin wahrnehmen konnte. Es war dies schon immer ein Donnerstag gewesen. An diesem Tag machte ich traditionell eher Schluss bei der Arbeit. Frher hatten wir uns dann in einem Caf getroffen. Jetzt strebte ich nach Hause. Schon als ich die Eingangstre ffnete, war mir klar, die Luft war rein. Kerstins Mantel hing nicht an der Garderobe und ihr Schlsselbund nicht am Brett. Vorsicht war allerdings immer besser und so rief ich noch einige Male ihren Namen. Nichts. Die Bahn war frei. Natrlich hatte ich mir schon Gedanken darber gemacht, wie dieser Billy am besten lahmzulegen wre. Er durfte auf keinen Fall zu reparieren sein. Es blieb mir nur brachiale Gewalt. Ich holte meinen kleinen Werkzeugkasten und ging in Kerstins Zimmer um nach meinem Hassobjekt zu sehen. Diese Kerstin! Hatte sie doch mit mir gerechnet? Ihr Liebling war nicht zu sehen. Sie hatte ihn doch wohl nicht mitgenommen? Zuzutrauen wre es ihr. Erst nach einigem Suchen entdeckte ich ihn ganz unten in ihrem Kleiderschrank. Als ich ihn heraushob, glotzte er mich an, als wollte er mir drohen. Als erstes nahm ich ihm alle tierischen Attribute ab, entfernte das Fell und die gehkelte Augenpartie und schon lag da ein profaner, mattglnzender Saugapparat vor mir. Jetzt geht es dir an den Kragen, Brschchen, drohte ich ihm, jetzt ist ausgeflirtet. Ich drehte die Unterseite nach oben und nahm Hammer und Meiel zur Hand. Es ging berraschend leicht. Schlag auf Schlag trieb ich das Werkzeug in die Plastikplatte und Splitter auf Splitter hpfte mir entgegen. Und ich muss sagen, mein Tun gefiel mir auerordentlich. Selten hatte mich etwas so befriedigt. Jeder Schlag war ein heller Ton zu einer klangvollen Melodie. Doch wie man so treffend sagt: Ich hatte die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall ohne die Wirtin, gemacht. Aufgrund einer gewissen Lautstrke, meinerseits verursacht, hatte ich das ffnen der Eingangstre nicht gehrt. Und da stand sie vor mir: meine Frau. Als sie die Lage erfasste und die Trmmer ihres Lieblings vor sich liegen sah, verzog sich ihr Gesicht in grenzenlosem Zorn zu einer entsetzlichen Grimasse. Nein, schrie sie und rannte in die Kche, griff sich ein ziemlich scharfes Messer, kam zurckgelaufen und stach schreiend mit dieser Waffe auf mich ein. Das heit, sie versuchte es, aber ich konnte sie noch daran hindern. Aber was ganz schrecklich war, ich denke heute noch mit Schaudern daran, Kerstin hrte nicht mehr auf zu schreien. Sie schrie bis die Notrztin kam und sie in die Nervenklinikik einwies. Die rzte konstatierten einen schweren Nervenzusammenbruch Sie forschten in den folgenden Wochen akribisch nach den Ursachen, doch ich mochte sie weder ber die Leidenschaft meiner Frau fr einen Saugroboter noch ber meine Hinrichtung desselben aufklren. Es sind jetzt einige Wochen vergangen. Kerstin hat sich erholt und ist auch wieder ganz guter Dinge. bald soll sie entlassen werden. Ich wei nicht, an was sie sich noch erinnert. Allerdings hat sie mich schon zweimal gefragt, wie es Billy gehe. Ich habe sie beruhigt und ihr seine Gre bestellt. Bald kommt das Osterfest. Ich warte schon auf die Geschenk-Beilagen in meiner Zeitung. Ich habe mich entschieden. Kerstin soll wieder etwas ganz fr sich haben.
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