Mitte Januar brachen wir zu einer 2-monatigen Reise nach Indien auf. Wir waren noch nie zuvor auf dem Subkontinent. Das Land steht schon seit langer Zeit ganz oben auf unserer Favoriten-Liste. Doch erstmal machte sich Ernchterung breit. Am 27. Januar schickten wir diese Mail nach Hause: Namaste! Wir gren Euch aus Indien. Lat Euch versichern, Leute, dieses Land ist ANSTRENGEND! Alle unsere Sinne sind stndig bis zum Anschlag gereizt - gerne auch mal darber hinaus. Inder haben eine vllig andere Sinneswahrnehmung, so scheint es. Vor allem ihrGeruchs- und Geruschempfinden ist offensichtlich weniger delikat ausgeprgt - und das ist nicht der einzige Unterschied ... Ihr Fatalismus ist legendr und sie besttigen ihn, wo es nur geht. Sie beugen sich der Hierarchie, der Korruption, dem Patriarchat, der Religion, dem Kastensystem, der Psychose eines durchgeknallten Busfahrers, dem Schicksal.Heute Morgenstudierte ich beim Frhstck im Hotel Heiratsannoncen in der Jaipurer Tageszeitung. Bei uns sind die Rubriken nach Geschlechter eingeteilt, hier zustzlich nach Religion und nach noch etwas, das ich nicht wirklich verstanden habe, aber ich vermute mal nach Kaste. Das Leben kann hier glaube ich recht kompliziert sein. Aber freundlich und sanftmtig sind die Menschen, und das fast durch die Bank. Und frhlich! Wir fhlen uns nie angemacht oder gar bedroht. Nur, wenn sich der Inder hinter das Steuer eines Fahrzeug setzt, mutiert er zum hsslichen Monster. Da lsst er sich gehen, was zur Folge hat, dass der Verkehr hier reines, anarchisches Chaos ist. Es wird geschoben, abgedrngt und geschnitten, als gbe es kein Morgen. Und gehupt wird! Pausenlos! Ohne Ende! Und in einer Lautstrke, die angesichts der sonstigen Zustnde der Fahrzeuge Rtsel aufwirft. Wie kann eine Schrottmhle zu derartigen Hupleistungen fhig sein? Wir sind im Staate Rajasthan im Nordwesten des Landes unterwegs. Ein Fahrer chauffiert uns fast drei Wochen lang durch das Land: Ajit heit er, 38 Jahre, Vater von 4 Kindern, freundlich, zuvorkommend, untersetzt, mit vergleichsweise besonnenem Fahrstil und miserablem, kaum verstndlichem Englisch. Er behandelt uns, als wren wir Kolonialherren. Das ist uns ein bisschen peinlich, ihm aber nicht abzugewhnen. Wir rollen in einem in die Jahre gekommenen Tata durch ein berbevlkertes, armes, zugemlltes Land, das flchendeckend von einer schmutzig ruigen Staubschicht bedeckt ist. Sie legt sich ber Baum und Acker und Haus und Auto und Tier und Mensch ... ber alles. Wir blicken auf eine Welt als htten wir uns einen Graufilter vor die Augen geschraubt. Nur die Saris der Frauen sind immer sauber. Noch so ein indisches Rtsel. Indien gibt sich wenig Mhe, zu gefallen, dafr will es jedes Klischee unbedingt besttigen.Whrend unserer ersten Tage in Delhi dachten wir noch: Hallo! Ist doch gar nicht so wild hier! Was habt Ihr denn alle? Aber Delhi war zurechtgemacht fr den Besuch von Barak Obama, so scheint es. Wirklichen indischen Boden haben wir erst betreten, als wir sein Ortsschild hinter uns gelassen haben.Wir besuchen Stdte, die verrotten, darin ehemals prachtvolle Tempel- und Palastanlagen, die sich im Zustand fortgeschrittenen Verfalls befinden. Abgemagerte "heilige" Khe durchwhlen an jeder Ecke den allgegenwrtigen Mll. Verschmutzte Kinder, barfu und in Lumpen gehllt, bessern die Strae aus. Schrottige Motorrikschas knattern hupend an uns vorbei, darin quetschen sich gerne auch mal 10 Leute rein. Bettler liegen in der Gosse, Hndler sitzen im Schneidersitz auf Karren, auf denen sie ihre Ware ausgebreitet haben. Frauen waschen Wsche an Pftzen. An ihnen vorbei rauscht ein Porsche Cayenne mit verdunkelten Scheiben. Dauerhupend, um das nochmal klipp- und klarzustellen! Die Hotels, in denen wir bernachten, suchte Anfangs Ajit aus. Das hat nicht so gut geklappt. Wir landeten in Etablissements, in denen die Fenster rausgebrochen waren und die Heizungen entweder nicht funktionierten oder gar nicht existierten (hatte ich erwhnt, dass es saukalt ist ...?). Die Duschen trpfelten bestenfalls, und fleckige, ungewaschene Decken auf den Betten verstrmten den satten Duft von unzhligen Hotelgsten, die vor uns darunter geschlafen haben (und denen die trpfelnde Dusche auch nicht weiterhelfen konnte). Solche Zustnde sind mit 20 Jahren Teil des Abenteuers, mit 50 Jahren sind sie deprimierend. Wir mussten handeln. Nun suchenwirdie Unterknfte aus und zwar nur solche, die der Reisefhrer mit mindestens drei Sternen auszeichnet. Wir sind ganz sicher nicht versnobt, aber die Tage hier fordern ihren Tribut, wir brauchen die Nchte zur Regeneration. Wir arbeiten ein dichtes touristisches Programm ab. Wir standen schon an der Stelle, von der aus fast alle Fotos vom Taj Mahal gemacht wurden, die wir kennen. Es ist das Eingangstor des Mausoleums. Bei uns gab's allerdings nix zu sehen. Es regnete aus Eimern und neblig war es auch. 100, na vielleicht 150 Meter von uns entfernt sollte eines der prachtvollsten Bauwerke der Menschheitsgeschichte aufragen. Aber da war nur eine Mauer aus Wasser in verschiedenen Aggregatzustnden. Dafr haben wir schon unseren ersten Tiger in freier Wildbahn beobachtet. Darauf warten andere Wochen. Oh Mann, das war klasse! Indien ist irgendwie gerecht. Wir standen auch schon an den Ufern des Ganges, der heiligen Mutter der Hindus. 1,5 Millionen Kolibakterien auf einen Deziliter - und wir waren ergriffen von der Spiritualitt der Menschen hier, die dem Flu Opfergaben darreichten und darin ein rituelles Bad nahmen. In solchen Momenten wei das Land zu verzaubern. Es sind zwischen all dem Lrm die leisen Zwischentne, auf die wir allmhlich lernen, zu hren. Indien fordert viel und gibt nur zgerlich etwas zurck. Heute also sind wir in Jaipur, der Hauptstadt Rajasthans: Rosarote Mrchenpalste im Verfall, eine orientalisch anmutende, ergraute Altstadt, mit Menschen und Waren berfllte Bazare, Elefanten und Kamele, die sich durch einen regelfreien Verkehr mhen - die volle Packung Indien. Wer das malerisch findet, hat ein beneidenswertes Talent zur Teilwahrnehmung. Aber hinter all dem apokalyptischen Chaos ahnen wir eine Magie, die ergrndet werden will. Daran arbeiten wir noch. Rtselhaftes Indien! Schne Gre Euch allen, Michael & Sabine Zurck zur bersicht
Straßenkinder in Indien Sana Ahmed, Sozialarbeiterin aus Neu-Dehli Der Beitrag Straßenkinder in Indien erschien zuerst auf 2 Euro-Aktion.
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