Die Platzfrage Wem gehört der Platz? Bei der Eröffnung von panta rhei: stadt im fluss wurde diese Frage mehrmals aufgeworfen (s. Beitrag „Wasser marsch“). Inzwischen gibt es eine vorläufige Antwort: er gehört der Baustelle. Nun, zum Glück stimmt das nicht ganz. Auf dem nicht eingezäunten Drittel des Weißekreuzplatzes bleibt noch Raum für die Gastronomie und etwas Kunst. Schwarmkunst in diesem Fall. Panta rhei halt. Das Projekt thematisiert die Verteilung der Ressourcen. Wasser zum Beispiel. Oder öffentliche Plätze. Solche Ressourcen sind umkämpft, da stehen Ansprüche unterschiedlicher Gruppen gegeneinander. Mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichen Möglichkeiten. Sehr unterschiedlichen Möglichkeiten. Am Dienstag gab es Raum für Menschen in besonderen Schwierigkeiten. Wenigstens vorübergehend. Wenigstens in der Kunst. Die Kunsttherapeutin Ulla Neubacher kam mit einer Gruppe Wohnungsloser vorbei. Man weiß, diese Klientel ist nicht mehr so wohlgelitten auf dem Platz. Auch nicht auf den anderen Plätzen hinterm Bahnhof. Hier auf den bahnhofsnahen Plätzen hatte sie früher noch Platz gefunden. Doch das ist vorbei. Jetzt gibt es dort Sport, Spiel, Gastronomie, eine Baustelle und Kunst. Kunst also. Für die Gruppe von Neubacher eine spannende Sache, auch wenn einige von ihnen schon im letzten Jahr dabei waren, bei Ob(D)Acht auf dem Georgsplatz. Diesmal entstanden ganz neue Techniken des Schlauchknüpfens. Die Schneckentechnik zum Beispiel. Teilhabe durch Kunst, das funktioniert also noch. Schwarmkunst ist überhaupt ein inklusives Projekt. Das zeigt sich auch bei der Gruppe von Hörgeschädigten, die schon seit Jahren immer wieder an Schwarmkunstprojekten von Kerstin Schulz teilnimmt. So auch diesmal wieder, bei panta rhei. Hier werden eben nicht nur Schläuche geknüpft, sondern auch soziale Verbindungen. Zwischenmenschliches. Und das ist schließlich die Grundlage von allem, das Zwischenmenschliche. Auch wenn soziale Beziehungen vielen von uns so selbstverständlich erscheinen, muss man offenbar immer mal wieder daran erinnern. Wie wichtig soziale Kontakte für uns sind, für uns als menschliche Wesen und für die Gesellschaft, die wir gemeinsam bilden. Vielleicht weil auch dieses Zwischenmenschliche eine knappe Ressource ist, wie das Wasser, wie der öffentliche Raum, nicht beliebig verfügbar ist, jedenfalls nicht für alle. Das zeigte sich gestern, als Vertreter von Politik und Verwaltung im Anschluss an eine Veranstaltung im Pavillon zum Fototermin auf dem Platz einfielen. Mit dabei der oberste Sachwalter für Sicherheit und Ordnung in der Stadt, Axel von der Ohe, der sich kurz auch als Schlauchknüpfer übte. Sein Erscheinen löste auch Protest aus, von einem wütenden Menschen am Rande des Platzes, der einen Verlust beklagte. Einen Verlust, der in den ganzen Diskussionen zur Innenstadtentwicklung und zur Neugestaltung der bahnhofsnahen Plätze bisher kaum vorkommt. Man habe ihm und den anderen, die oftmals nur als „Trinkerszene“ bezeichnet werden, den Platz genommen, den Ort, an dem sie nicht nur Alkohol konsumieren, sondern sich als soziale Wesen fühlen konnten. In einer Gruppe, die anderswo keinen Platz hat. Und zu dieser Gruppe zählen keineswegs nur Obdachlose, sondern auch Menschen, auf die zuhause nur eine leere Wohnung wartet. Der Verlust des Zwischenmenschlichen ist das, was für sie bleibt. Wenn alles schöner wird auf den bahnhofsnahen Plätzen. Auch daran sollten wir uns erinnern.