Ronald Müller Vice President Sales, Mitglied der Geschäftsleitung „Ein bisschen Gänsehaut ist schon da“ Die Finanzierungsrisiken für Unternehmen steigen. Die Zahl der Insolvenzen nimmt zu. Umsichtiges Working Capital Management ist jetzt das Gebot der Stunde. Ein gutes Argument, um über Factoring nachzudenken, finden Ronald Müller und Thomas Langer von BFS Finance. Herr Müller, Herr Langer, in Krisen gewinnt Factoring als Umsatzfinanzierung i.d.R. an Bedeutung. Wie läuft das Geschäft? Ronald Müller: Das Bild, das sich uns derzeit bietet, ist zweigeteilt: Wir sehen Unternehmen, die in Lieferverpflichtungen stecken und aufgrund von Beschaffungsschwierigkeiten in Bedrängnis geraten. Das nutzen andere Unternehmen zu ihrem Vorteil. Wer heute Ware hat, ist König und kann die Konditionen diktieren. Gesamtwirtschaftlich gesehen hat die Lieferkettenproblematik in der Wertschöpfung einen gewaltigen Umsatzschub gebracht, denn Preissteigerungen im Einkauf schlagen i.d.R. auf den Verkauf durch. Auch wenn sich die Warenmenge nicht ändert, hat dies Auswirkungen auf die Faktorierungsvolumina. Davon hat das Factoring im vergangenen Jahr profitiert, die Factoring-Branche ist im ersten Halbjahr 2022 über 20 Prozent gewachsen. Welche Bedeutung hat Factoring als alternatives Finanzierungsinstrument in der aktuellen Finanzierungslandschaft? Ronald Müller: Negative konjunkturelle Einflüsse wirken sofort auf die Bonität der Abnehmer, in Form von Zahlungsverzögerungen oder Ausfällen. Lieferengpässe führen zur Vorratshaltung, dies erfordert eine entsprechende Umlaufmittelfinanzierung. Hinzu kommt, dass die Inflation nicht nur den Einkauf, sondern auch den Absatz verteuert. Das alles bindet Liquidität. Durch den Verkauf der Forderungen erhält der Kunde sofort Liquidität, diese kann er wiederum nutzen, um seine Kreditoren mit Skonto zu bezahlen. Thomas Langer: Wir stellen momentan fest, dass viele Unternehmen Factoring als zusätzliches Instrument für ihren Finanzierungsmix in Betracht ziehen. Factoring ist grundsätzlich ein krisentaugliches Instrument, das nicht nur dazu dient, Liquidität zu sichern. Es schützt auch vor Forderungsausfällen, erhöht die Eigenkapitalquote, verkürzt die Bilanz und sorgt für ein besseres Rating. Ronald Müller: Abgesehen davon, kann es in diesen Zeiten interessant sein, das Debitorenmanagement an den Factor auszulagern, um das eigene Personal zu entlasten und für anspruchsvollere Aufgaben einzusetzen. Welche Erwartungen haben Sie an das erste Halbjahr 2023? Ronald Müller: Ein bisschen Gänsehaut ist schon da, aber wir sind nicht ernsthaft beunruhigt. Die Ausfälle auf der Debitorenseite haben nicht wesentlich zugenommen. Allerdings gibt es ein paar Anzeichen, die nachdenklich stimmen, wie die Verlängerung der Laufzeiten und die leichte Verschlechterung der Bonität unserer Debitoren. Zudem erhöhen die Banken ihre Risikomargen, parallel steigen die Leitzinsen. Unsere Debitoren sind aber noch in einer guten Liquiditätssituation. Thomas Langer: Der deutsche Mittelstand zeigt sich bislang stabil. Die staatlichen Maßnahmen der vergangenen zwei Jahre haben weitgehend für eine gute Liquidität in den Unternehmen gesorgt – und das ist das A und O. Wir sehen ein Schwächeln im angrenzenden europäischen Ausland. Dort sind Debitorenausfälle und Insolvenzen an der Tagesordnung mit deutlich steigendem Trend. Was passiert, wenn in einer Branche vermehrt Insolvenzen auftreten. Ziehen sich die Factoren dann aus diesem Sektor zurück? Ronald Müller: Das kann vorkommen. In so einem Fall kann es sein, dass sich der Factor von den betreffenden Bestandsengagements trennt. Momentan wird bspw. viel über die Automotive-Branche, speziell über die Zulieferer mit Tier-1- und Tier-2-Status, diskutiert. Das betrifft unser Geschäft aber nicht, da wir stets darauf achten, dass unser Portfolio gut diversifiziert ist. Unternehmen setzen in der aktuellen Situation verstärkt auf die Optimierung des Working Capitals. Dazu gehört, dass sie gegenüber ihren Lieferanten die Zahlungsziele ausweiten, während sie ihren Kunden gegenüber die Forderungsfälligkeit verkürzen. Inwieweit kann Factoring helfen, die Forderungslaufzeit, die Days Sales Outstanding (DSO), zu verbessern? Thomas Langer: Unternehmen mit einer entsprechenden Marktmacht können bei ihren Lieferanten längere Zahlungsziele durchsetzen. Durch den Forderungsverkauf an einen Factor kann man sich als Lieferant auf diese verlängerten Zahlungsziele ohne Nachteile einlassen. Ronald Müller: Wir beobachten auch, dass die Debitoren pünktlicher zahlen, wenn sie merken, dass im Hintergrund ein automatisiertes Mahnwesen steht. Viele Lieferanten haben ein sehr enges Verhältnis zu ihren Abnehmern und verzichten ganz auf Mahnungen. Für welche Unternehmen kommt Factoring infrage? Thomas Langer: Wir schauen uns alle Fälle an und versuchen, Lösungen aufzuzeigen. Allerdings müssen wir auch gelegentlich feststellen, dass manche Forderungen nicht faktorabel sind. Schwierig wird es, wenn wir die Forderungen nicht ausreichend bewerten können. Das betrifft meist Branchen, die ihre Leistungen über Abschläge und Teilzahlungen vor der vollständigen Leistungserbringung fakturieren, wie im Anlagenbau, Projektgeschäft und im Baugewerbe. Für alle anderen ist der Forderungsverkauf grundsätzlich interessant. Schnell wachsende Unternehmen können am meisten profitieren, da die Absatzfinanzierung dynamisch gestaltet ist. Bei einer Bank muss die Erhöhung der Betriebsmittellinie immer wieder neu beantragt werden, zudem werden entsprechende Sicherheiten verlangt. Der Beitrag „Ein bisschen Gänsehaut ist schon da“ erschien zuerst auf BFS finance GmbH.
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