EIN TRADITIONSSCHIFF

MACHT NOCH KEINEN HAFEN. Seien wir mal ehrlich – Rostock feiert sich gern als weltoffene (Groß-)Stadt am Meer, aber abgesehen von maritimen 0815-Angeboten wie den beliebten allerwelts Hafenrundfahrten, einem „ortstypischen“ Raddampfer, Speedbootausfahrten und einer gewöhnlichen Charterbootflotte, wie sie jedes bessere Seebad vorzuweisen hat, wird es an der Warnowmündung schnell dünn mit echten Hinguckern und lokalen Besonderheiten. Aber passt schon. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Der Tourismus hat sich sehr gut entwickelt und ist heute eine der wichtigsten Einnahmequellen der Region. Davon profitieren nicht zuletzt auch wir. Was uns jedoch seit langem verwundert ist, dass sich Rostock in schöner Regelmäßigkeit als Hüterin des hanseatischen Erbes darstellt, die sie schon lange nicht mehr ist. Vielleicht auch nie war. Kurz vor dem 800jährigen Geburtstag der ach so stolzen Hansestadt haben sich auch die Stadtoberen daran erinnert und wollen doch noch schnell etwas aus dem Boden stampfen, etwas Großes: wie den Umzug des Traditionsschiffes in den Stadthafen. Was aus unserer Sicht das eigentliche Problem der Hafenstadt bzw. am Stadthafen ist und wie man es langfristig angehen könnte, darum soll es in diesem, eher ungewöhnlichen Blog-Post gehen. Eine ganz persönliche Sicht der Dinge, die gerne (sachlich) diskutiert und weiterentwicklet werden darf. Vor vier Jahren entschieden wir uns dazu, aus einem privatem Projekt in eine gewerbliche Mission zu starten. Am Anfang dieses Experimentes gab es: ein in die Jahre gekommenes Holzboot, dessen ursprünglichen Charme man nur mit viel Optimismus unter den vielen Schichten vergilbtem Lack erahnen konnte, außerdem eine ordentliche Portion Euphorie und (das kann man im Nachhinein ehrlich sagen) keine Ahnung, auf was wir uns eingelassen hatten. Aber so ist es ja häufig bei den guten Ideen. Klar war, dass wir mit unserem Angebot eine echte Nische im Tourismus- und Eventbereich der Stadt besetzen würden: eine historische Motoryacht für individuelle Charterausfahrten. Mit jeder Saison kamen nicht nur neue Herausforderungen, sondern auch mehr Gäste und mit ihnen einmalige Erfahrungen und eindrückliche Begegnungen. Zumindest für unseren Bewegungsradius konnten wir das maritime Leben im Stadthafen bereichern und ein kleines Highlight für alle, die auf der Suche nach etwas Besonderem sind, nach Rostock holen. Ein Angebot, das es so im deutschen Ostseeraum kein zweites Mal gibt. Darauf sind wir stolz! Losgelöst von der laufenden Debatte um das Traditionsschiff liegt uns das Thema der Rostocker und Warnemünder (Hafen-) Entwicklung daher am Herzen, besser gesagt: es brennt uns schon länger unter den Nägeln. Nicht viel los im Stadthafen Abgesehen von der professionellen Vereinsarbeit, der Fähre und den Patrouillenfahrten ist es auffallend still im Stadthafen, nicht nur im Herbst, Winter und Frühling. Über die Jahre wunderten wir uns immer mehr darüber, dass auf dem und am Wasser für eine Stadt von Rostocks Größe und Struktur viel zu wenig los ist.  Ein ungezwungenes maritimes Leben wie man es zum Beispiel in Kopenhagen, Stockholm oder Amsterdam erleben kann, existiert quasi nicht. Der Stadthafen ist auch 27 Jahre nach der Wende weitestgehend ungenutzt. Darüber kann auch der einmal jährlich stattfindende Wanderzirkus der Hansesail nicht hinwegtäuschen. Und ja, die Sail ist auch für uns ein Highlight, aber leider nicht kulturell nachhaltig und vor allem nicht so einmalig wie viele (Rostocker) gern glauben. Die meiste Zeit des Jahres findet man im Stadthafen: keine Boote auf dem Wasser, weitestgehend verwaiste Kaikanten und vereinzelt vergessene bzw. gestrandete Restaurierungsobjekte. Eines dieser Projekte trägt den fast schon ironischen Namen „Star of Hope“. Wer einmal sehen möchte, wie schnell ein Boot verfällt, wenn sich niemand mehr darum kümmert, besucht den Alten Holzkrahn unweit vom Hafenrestaurant  Borwin. Wenn Ihr schon da seid, geht gleich noch bei der Stephan Jantzen vorbei. Der alte Eisbrecher ist ebenfalls ein trauriges Beispiel dafür was passiert, wenn zu viele Leute mit zu vielen Ideen aber ohne eigene Mittel mitreden wollen. Wandert der Blick vom Wasser auf den Kai sieht die Situation nicht viel besser aus. Zwar wächst das gastronomische Angebot kontinuierlich und hier und da siedelt sich sogar der Einzelhandel an, dominiert wird das Bild aber von einer weiten Betonödnis und wilden Parkplätzen. Traurig, aber wahr: der Rostocker Stadthafen liegt weitestgehend brach. Die Gründe dafür liegen bei Weitem nicht nur bei der Politik von Stadt und Land. Die letzten 25 Jahre boten ein nicht auszudenkendes Portfolio an Verfehlungen, Vereinsmeierei, Bürokratiepossen, persönlichen Fehden und viel Abkassiererei. Eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen. Kurz gesagt, das ganz normale (Kleinstadt-) Leben. Streit kommt bekanntlich in den besten Familien vor. Auch dort wird im Normalfall drüber hinweggeschaut und großzügig geschwiegen. Aber kurz vor der irgendwie überraschenden und deshalb viel zu spät geplanten Familienfeier (800! Jahre! WOW!!!) sollen dann fix alte Fehler ungeschehen gemacht werden. Man ahnt es: das funktioniert nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand. Stubnitz vertrieben, Büchner versenkt und Udine ein Eigentor Das so genannte maritime Erbe der Hansestadt Rostock wurde in den letzten Jahren mit Füßen getreten. Auf die Stubnitz, Georg Büchner und Udine wollen wir an dieser Stelle besser nicht konkret eingehen. Aber einen Joker haben die Stadtentwickler ja noch: die Dresden, besser bekannt als das Traditionsschiff und sein Umzug ins Stadtzentrum. Dem geneigten Rostocker Publikum wird das Unterfangen, den ehemaligen Stolz der DSR vom Schmarler Schlick in den Stadthafen zu schleppen seit langem und beharrlich als Win-Win-Situation verkauft. Und sicherlich täten dem Schifffahrts- und Schiffbaumuseum mehr Besucher gut. Aber der Liegeplatz am IGA Park und neben der Likedeeler ist schön und wertet die Gegend auf. Alternative Ideen wie ein Bürgerpark und ein Active Beach mit Wasserski-Anlage schließen sich nicht aus. Im Gegenteil. Der Umzug hätte für uns mehr Vor- als Nachteile. Trotzdem handelt es sich, vor allem mit Blick auf die exorbitanten Kosten (die Schätzungen sind ja bekannt) unserer Meinung nach um reinen Aktionismus, der von versäumten Möglichkeiten und Jahren verfehlter Hafenentwicklung ablenken soll. Denn das grundsätzliche Problem bleibt: viel zu wenige Rostocker sind auf dem Wasser unterwegs. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ein Hindernis ist zum Beispiel die lächerlich kleine Zahl öffentlicher Anlegemöglichkeiten für kleine und mittlere Boote. Und es werden tendenziell sogar weniger. Im neuen Holzhafen hat die Stadt alle Festmacher wieder demontieren lassen. Noch trauriger: am kompletten, nigelnagelneuen Uferbereich des Petriviertels wurde nicht ein einziger Steg oder ähnliches gebaut. Dafür verfallen die alten Steganlagen am Warnow Wehr und Gehlsdorfufer zusehends. Zufall, Fusch oder Absicht? Der Zugang zum Wasser besteht überwiegend aus der meterhohen Betonwänden der alten Hafenanlage. Dem Besucher zeigen sich dort entweder dem Verfall überlassenen Restaurationsobjekte oder gähnende Leere. Die gewerbliche und industrielle Nutzung ist aber in den Überseehafen gewandert und andere große Pötte, die hier theoretisch noch festmachen könnten, kommen praktisch wegen der versandeten Fahrrinne nicht mehr bis in die Stadtmitte. Ein Rückbau und eine menschenfreundliche Bebauung sind dringend notwendig, lassen aber auf sich warten. Und in Warnemünde? Da ist wenigstens auf den ersten Blick was los, ansonsten findet sich ein ähnliches Bild: überwiegend schwimmende „Imbissbuden“ und nichtöffentliche oder vor sich hingammelnde Kaikanten.   Dem Stadthafen endlich Leben einhauchen Die Stadthafenentwicklung scheitert offensichtlich nicht am Geldmangel, denn für den Tradi-Umzug sind Ausgaben von mindestens 10 Mio. Euro eingeplant. Eine Summe, die sich für eine nachhaltige Entwicklung des Rostocker Stadthafen an anderer Stelle deutlich besser investieren ließe. Zum Beispiel für: Das „Segelstadion“ auf dem Gelände der ehemaligen Neptunwerft, im Herzen der Stadt gelegen, liegt seit der Eröffnung vor 2-3 Jahren praktisch brach. Warum nicht die Rostocker Jugend mit Paddelboot, SUP und Segelboot ans Wasser heranführen, Stichwort maritimes Freizeitzentrum? Die Segelvereine machen zwar professionelle Jugendarbeit, aber Segeln mit sportlichem Fokus ist nach wie vor ein teurer Spaß und einer bestimmten Klientel vorbehalten. Förderung der kleinen und mittleren Gastschifffahrt: mehr und regelmäßig Events und Feierlichkeiten ans und aufs Wasser holen, zum Beispiel Freilichtkino, Lampionfeste, regionale Märkte oder Street Food-Events…warum kein Badeschiff? Leben am „Wasser“: Instandhaltung der vorhandenen Steganlagen und mehr öffentliche Sitz- und Grillmöglichkeiten am und nicht drei Meter über dem Wasser (e.g. schwimmende „Treppen“, mobile Stadtmöbel etc.) und die damit verbundene Infrastuktur wie Toiletten und Müllbehälter in ausreichendem Maße. Der dauernde Streit über den Müll ist provinziell und peinlich bzw. kleinlich. All dies wäre mit einem durchgängigen Konzept für deutlich unter 10 Mio. Euro zu realisieren. Wenn dann noch Geld übrigbleibt, freuen sich garantiert die Schleusen-Retter. Im Vergleich zum Traditionsschiffumzug ein echtes Schnäppchen. Die Rostocker machen den Hafen Der Stadthafen und die Warnow bieten wunderbare Möglichkeiten, die es verdienen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Ein echtes, sich weiterentwickelndes maritimes Leben würde dadurch von ganz allein entstehen und Rostock noch lebenswerter machen. Wenn nicht, auch gut bleibt es bei dem eingeschworenen Haufen, der aktuell auf dem Wasser unterwegs ist. Ob gewerblich oder privat, ob Enthusiasten wie wir oder Individualisten: wenn es drauf ankommt wird sich geholfen. Wenn man sich kennt, findet man immer irgendwo einen freien Poller. In diesem Sinne: immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel und auf ein baldiges Wiedersehen auf der wunderbaren Warnow, deren (touristisches) Potential noch darauf wartet gehoben zu werden. Heiß diskutiert: die DRESDEN liegt eigentlich ganz gut am eigens gebauten Anlieger beim IGA-Park Da passt die Kaikante ausnahmsweise. Leider ist der alte Eisbrecher aktuell für das Stadthafenpublikum gesperrt und verkommt zusehends. Große Schiffe im Stadthafen: immer eine willkommende Abwechslung und Publikumsmagnet zugleich. Der freie Blick auf Gehlsdorf jedoch versperrt. Und auf dem Wasser ist deshalb nicht mehr los. Kaikantenromantik: Schöne Perspektive, aber barrierefreies Anlegen sieht anders aus. Holzhafen: wie für uns gemacht. Leider wurden alle Festmacher wieder entfernt abhalten lassen wir uns deshalb noch lange nicht von unserem BBQ Verfallene Steganlagen: noch vor einem Jahr der Spot für alle ambitionierten Fotografen (Best View in Town). Mittlerweile nur noch wasserseitig zu erreichen. Warnemünde Alter Strom: Wer hier Leitern klettern kann, ist klar im Vorteil. Warnowschleuse: seit mindestens vier Jahren kein Durchkommen mehr. Frage wäre allerdings wer überhaupt noch hier durch will/muss (andere Diskussion). Last but not Least die Wasserfreunde in Rostock halten zusammen. Auch wenn es mal eng wird, irgendwo findet sich immer ein sonniger Platz zum Festmachen. Notfalls wird wie hier beim Herrentagsausflug am Schnattermann in zweiter Reihe geparkt:-) The post EIN TRADITIONSSCHIFF appeared first on ARONA Yachting.

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