Erfolgreiches Krisenmanagement vermeidet Krisen: Interview mit Hr. Hilbert

Reading Time: 17 minutes Nachstehend ist die Transkription des Interviews mit dem Experten Martin Hilbert. Einleitung Philipp Degen: Hallo, mein Name ist Philipp Degen vom Unternehmer Radio. Heute freue ich mich auf den Gast Martin Hilbert, der Experte zum Thema Krise. Was bedeutet Krise und was bedeutet Krise vor allen Dingen im Hintergrund des Unternehmensverkaufs. Und wie kann ich mich darauf vorbereiten?  Herr Hilbert, schön, dass Sie da sind. Ich würde mich freuen, wenn Sie einfach mal kurz erzählen können, wo Sie herkommen und was Sie machen. Vorstellung des Krisenexperten Martin Hilbert Martin Hilbert:      Ja, ich bin von Hause aus Journalist und Filmemacher, habe viel für die Öffentlich-Rechtlichen gearbeitet, viele Dokumentarfilme gemacht, sehr viel im Ausland gearbeitet. Am Anfang meiner sogenannten Filmemacher Karriere viel für die Nachrichten von WDR und habe darüber hinaus aber auch relativ viele Industriefilme gemacht. Seit den 2000ern habe ich wesentlich mehr für die Ausbildung gearbeitet. Ich habe mich selbst in meiner Firma ausgebildet und habe dann aber für die Deutsche Welle Akademie sehr viel im Ausland Journalisten ausgebildet. Und da vor allen Dingen in Krisengebieten. Also wahrscheinlich aufgrund meiner Dreherfahrung in vielen Ländern auf dieser Welt hatte ich irgendwie den Stempel Krise auf dem Kopf und wurde dann in die üblichen, sagen wir mal, schwierigen Gebiete geschickt. Also Afghanistan, Sudan, Libyen, Syrien. Und so weiter. Kann man sich ja vorstellen. Und da habe ich dann versucht, im Rahmen der Medien Entwicklungszusammenarbeit, wie es so schön heißt, also Entwicklungshilfe bezogen auf Medien, den Demokratisierungsprozess dieser Länder nach ihren jeweiligen Kriegen voranzutreiben. Philipp Degen:  Was war besonders an diesen Krisen, an dieser Krisensituation? Also haben Sie eben gerade gesagt, dass Sie die Journalisten ausgebildet haben. Martin Hilbert: Ja, das Besondere und ich finde auch das Schwierige, das Herausfordernde ist, dass wir als Westler quasi in mehr oder weniger zerstörte Gebiete gegangen sind und mit der Vorstellung, dass wir wissen, wie man, also welche Lösung da das Beste ist. Also wir hatten oder ich habe natürlich eine bestimmte Vorstellung von Demokratisierung und was eine Demokratie ausmacht und auch, was das für die Medien bedeutet, freie Medien, Meinungsfreiheit, saubere Recherchen. Wir gehen den Fakten auf den Grund und wenn wir das doppelt und dreifach abgesichert haben, dann kann man es veröffentlichen. Das sind so die Mindeststandards, die quasi für mich bis dahin immer gegolten haben. Und in den Ländern ist eben das Interessante, dass ich damit konfrontiert war, dass die Standards sind, die erstmal nicht bekannt sind, aber auch nicht so einfach behauptet werden können. Also es bedarf nicht einfach der, wie soll man sagen, der des Verstandes. Man kann jetzt nicht sagen, ihr müsst das einfach recherchieren, dann funktioniert das. Damit ist das noch nicht klar, sondern es muss geübt werden. Es muss praktiziert werden und es ist sehr, es ist sehr, wie soll man sagen, angreifbar. Also ich kann ein Beispiel sagen, ich habe Journalisten trainiert im Norden Afghanistans, die natürlich auf den Listen der Taliban stehen, jetzt, das heißt, ich habe die trainiert, dass sie sauber recherchieren und dieses Training haben, habe ich sie jetzt quasi auch einer Verfolgung ausgesetzt und ein Teil hat es rausgeschafft, aber zum Teil habe ich auch keinen Kontakt. Und das macht die Schwierigkeit deutlich, denn wir können nicht immer so tun, als ob alles ganz einfach übertragbar ist. Was sind Krisen? Philipp Degen:  Also sprich sie haben dort die Leute oder die Menschen vor dem Krisenkontext, haben ihnen die Recherchearbeit beigebracht oder den Journalismus im Großen und Ganzen. Und wie sind sie dann von diesen Krisenherden zu Ihrem heutigen Thema, was auch das Thema Krise ist? Martin Hilbert: Es lohnt sich, Krisen aus unterschiedlichen Perspektiven anzugucken. Und das lernt man in den Ländern auf jeden Fall, weil ich bin da völlig anders beteiligt. Ich war viel in Libyen, immer 14 Tage in Tripolis und dann bin ich wieder zurückgeflogen. Und wenn ich zurückgeflogen bin, war für mich die Krise auch erst mal erledigt. Dann bin ich da weg. Ich wurde in meiner Heimatstraße in Köln, ich wurde dann nicht mehr beschossen. Ich musste nicht meinen Kopf einziehen. Ich konnte ganz einfach zum Bäcker gehen und musste nicht überlegen, ob ich da irgendwie Probleme kriege. 14 Tage später war ich wieder in Tripolis und dann war ich wieder gemein mit den anderen und wir hatten die üblichen Alltagsprobleme einer landesweiten, dauerhaften Bürgerkriegskrise. Aber die Perspektive war eine völlig andere. Ich konnte gehen und das war auch immer problemlos. Ich hatte kein einziges Mal irgendwelche Probleme, dass mich jemand verhaftet hätte, sondern das hat immer gut funktioniert. Man muss halt den Kopf einziehen wenn da geschossen wird. Aber alleine dieser Perspektivwechsel, die Betroffenheit, die eigene Betroffenheit macht unwahrscheinlich viel aus. Und der Grad der Betroffenheit, also bezogen auf einen mittelständischen Betrieb, ist halt die Frage, von welcher Perspektive gucke ich mir das an. Bin ich die Industrie und Handelskammer, bin ich die finanzierende Bank, bin ich die Schwiegermutter des Chefs, bin ich die Tochter, die vielleicht den Betrieb mal übernehmen wird? Bin ich die der Azubi, der gerade angefangen hat und der jetzt überlegt hoffentlich kann ich meinen Vertrag zu Ende machen. Das ist es wichtig, dass man diese, dass man sich diese Fragen mal stellt. Entwicklung von Krisenstrategien in Unternehmen Philipp Degen:  Und vor dem Hintergrund der Krise. Was machen Sie heute? Martin Hilbert: Also ich biete, also ich mache sehr viel Beratung und ein Teil der Beratung ist, dass ich zum Beispiel Organisationen, aber auch Betriebe in Krisenstrategien und Krisenkommunikation coache. Ich mache meinetwegen bei größeren oder in größeren Betrieben, die Kommunikationsabteilung haben, mit denen mache ich Krisenkommunikations- und Strategieseminare und dann kann man aufbauend auf diesen Seminaren, kann man dann auch in einzelnen, wirklich expliziten Krisen noch mal so stundenweise assistieren, also Rede und Antwort geben. Das kann man dann auch Personen oder per Telefon machen. Definition von Krise Philipp Degen: Das Wort Krise ist jetzt schon zwei, drei mal gefallen. Was ist Krise? Woher kommt das? Was bedeutet das Wort? Was ist das eigentlich, Krise? Martin Hilbert: Krise kommt von Crisis. Das ist griechisch, dann auch lateinisch. Aber die Griechen haben damit angefangen, die waren ein bisschen früher dran. Und da bedeutet das Zuspitzung. Schwierige Lage, Zuspitzung. Und wenn man jetzt noch weiter guckt, dann kann man sagen, es gibt in dem medizinischen Bereich und im physischen Bereich gibt es, also wenn ein Arzt von einer Krise spricht, dann ist das eine Entwicklung, die zumindest schwierig ist. Also ich glaube, dann hat der Mensch, über den er redet, eine wirkliche Lebenskrise. Und im psychischen Bereich gilt das, glaube ich, wenn man aus dem Gleichgewicht kommt. Wenn ich also quasi bin, ich hab… Ne, also im psychischen Bereich würde ich sagen, Gleichgewicht heißt, dass ich meine Stabilität, die wird labil. Also ich bin Schwankungen unterworfen. Und so weiter. Dann spricht man im psychischen Bereich von einer Krise. Um das handhabbar zu machen, also ich bin weder Mediziner noch Psychologe und Grieche bin ich auch nicht. Insofern würde ich mir da lieber was rausnehmen und sagen was Krisen kennzeichnet, das ist immer, dass es unerwartet ist, unvorhersehbar, in dem in den Konsequenzen nicht absehbar und eben keine Standardsituation. So würde ich erst mal für mich Krise beschreiben, weil damit kann ich schon eine Menge Situationen beschreiben und kann die auch nutzbar machen. Vorbereitung auf Krisen in Unternehmen Philipp Degen:  Und sie helfen natürlich den Unternehmen oder denjenigen, die beraten werden wollen, zu sagen, okay, welche Möglichkeiten habe ich denn, wenn so was ausbricht? Martin Hilbert: Genau. Was ich immer empfehle, ist, wir gucken uns Krisen an, also wir gucken uns meinetwegen eine Krise an, die durchgemacht wurde. Das ist immer das Einfachste. Das ist das, was jeder kennt. Im Nachhinein. Wir fangen im Nachhinein an. Und wir gucken uns das an und ich würde mal sagen, wie so ein Würfel, den man, wo man die verschiedenen Seiten beschreibt, skizzieren wir diese Krise und legen die mal auf den Tisch. Und dann gehen wir alle ein bisschen zurück und gucken uns mit mehreren dieses Gebilde an, drehen das mal um, weil eine Seite kann man nie sehen. Es macht auch Sinn, das Ding noch mal zu drehen, umzudrehen, vielleicht die Perspektive selber noch mal zu wechseln. Und dann sollen sich aber auch mehrere Menschen aus dieser Firma das angucken, also mehrere, in der Regel Entscheidungsträger, nicht nur einer. Weil also das alte 4-6-8 Augen Prinzip gilt da. Je mehr drauf gucken, desto größer ist die Qualität, was man rauszieht. Philipp Degen:  Wenn ich da mal kurz unterbrechen darf. Also Sie sagen Entscheidungsträger, wenn wir jetzt zum Beispiel ein Unternehmen nehmen, welche Größe auch immer. 10, 20, 30, 40, 100 Mann. Da ist dann vielleicht schon klar, zweite Führungsebene, wir haben Entscheidungsträger. Nur in kleineren Firmen ist das dann ja so, vielleicht gibt es das dann sogar noch gar nicht. Es gibt vielleicht informelle Verantwortungsträger, nur ich denke, dass da auch noch ein großes Potenzial auch liegt für die, also für die Unternehmer und Unternehmerinnen, dort planbarer vorzugehen. Martin Hilbert: Das wäre genauso der Schritt, der nächste Schritt. Also ich persönlich bin ein absoluter Anhänger des sogenannten Szenario Thinkings, also dass man Szenarien entwickelt und die mal durchspielt. Das ist wirklich spielerisch. Das hat keine juristischen Konsequenzen, das ist einfach nur, dass man sich das einfach mal auf dem Tisch anguckt und durchspielt. Und ein Szenario ist, was glaube ich ein Standard Szenario ist, die Führungsebene fällt aus. Beispiel eines Krisenszenarios Philipp Degen:  Das ist das Szenario A sagen wir, die Führungsebene fällt aus. Martin Hilbert: Also von der Idee her, wir gucken uns diesen Würfel an und würden dann quasi als Lehre daraus überlegen, wie könnte man, was kann man daraus entwickeln und dann anbieten? Lass uns mal Szenarien bilden und ich würde sagen, wir bilden mal Szenario A bis D, also nicht einfach nur A bis B, sondern ruhig mal ein bisschen weiter gestaffelt. Und interessant ist, dass man auch noch Leute dazu holt, die quasi den Betrieb repräsentieren. Und das Interessante ist dabei, ich würde noch ein bisschen weiter fassen. Gucken Sie auch ruhig mal auf die auf die Lieferketten. Also sagen wir mal, wir nehmen ein Beispiel einer Großbäckerei. Meinetwegen mit fünf Filialen und dann hole ich mir noch den die Zulieferer dazu. Und wir machen mal irgendwie einen netten Samstag und machen mal dieses Spiel, dass wir mal überlegen, was sind eigentlich so unsere angreifbarsten Punkte? Also wo sind wir als diejenigen, die hier Brot und Brötchen produzieren? Wo sind wir am am anfälligsten für, für eine wirkliche Krise, für die Firma? Aber parallel würde ich auch die gleiche Frage stellen Wo sind wir am wenigsten anfällig? Genau, was können wir richtig gut? Wo sind wir sicher? Wo ist unser, wie heißt es mal, Safe Harbor? Und wenn das auch jetzt nicht nur der Chef entscheidet, sondern auch noch andere, die auf anderen Ebenen verteilt sind, hat man den Vorteil, dass man durch den Perspektivwechsel auch vielleicht zu anderen Ergebnissen kommt. Muss nicht, kann aber. Philipp Degen:  Sprich Sie empfehlen, dass wenn jetzt zum Beispiel die Entscheidung gefällt ist okay, wir sollten uns mal mit möglichen Szenarien (Krise) auseinandersetzen, dann empfehlen Sie das der Chef oder die Chefin schon den einen oder anderen Mitarbeiter aus den Abteilungen hinzu holt und sagt hör mal zu, wie siehst du das? Martin Hilbert: Also ich finde ein acht Augen Prinzip ist super. Also bei so einem Szenario Spiel, man kann sich das ja so einfach vorstellen. Also wenn jetzt der Chef/die Chefin ist Skilaufen und also kein Riesendrama, aber der klassische Unterschenkelbruch und liegt in Salzburg im Krankenhaus und ist vielleicht noch ein bisschen benommen von der Narkose. Und gleichzeitig haben wir meinetwegen gerade einen steigenden Krankenstand in den Filialen, weil Covid erbarmungslos zuschlägt. Philipp Degen: Sprich da sind zwei Szenarien. Martin Hilbert: Es ist ein Szenario mit zwei Impacts. Philipp Degen:  Okay. Martin Hilbert: Und die Frage ist: Wie und wer entscheidet was, wie und warum? Und das kann ich, im Prinzip kann ich das planen. Philipp Degen:  Sprich also eine Kette aufbauen. Martin Hilbert: Ich kann eine Kette aufbauen, ich kann daraus eine Standardsituation machen. Also wenn die Chefin nicht da ist, dann passiert das. Das kann ich durchspielen. Also welche Möglichkeiten. Ich muss eigentlich gucken, welche Optionen habe ich, also was habe ich eigentlich an Möglichkeiten? Es ist wichtig zu wissen, wo sind wir safe. Das ist meine sichere Seite und gleichzeitig muss ich wissen, wo kann ich mich am härtesten treffen? Philipp Degen:  Wenn wir jetzt bei der Bäckerei sind, zum Beispiel: Der Lieferant kann kein Mehl mehr liefern. Martin Hilbert: Er liefert kein Mehl mehr und meinetwegen zwei der fünf Filialen laufen trocken. Okay, dann habe ich ein Problem. Deswegen ist es gut, wenn man auch die Filialleiter in dem Szenario mit dabei hat. Was fällt denen denn ein? Es wäre blöd, wenn die jetzt einfach auf den Anruf der Chefin warten, was wir machen sollen. Also wäre gut, wenn die schon eine Standardsituation daraus abgeleitet haben.  Wenn das passiert, dann versuchen sie vielleicht eigenhändig irgendwie an neues Mehl zu kommen. Irgendwie sowas. Und das bedeutet, dass ich quasi in diesen Szenarien vorwegnehme, welche Möglichkeiten passieren können und welche Möglichkeiten ich als Handlung habe. Also Risikobeschreibung und Lösungsansätze entwickeln. Das heißt nicht, dass damit keine Krise passieren kann. Aber wenn ich Krise definiere, unvorhergesehen, unvorbereitet, in den Folgen nicht abschätzbar, dann habe ich da schon mal erheblich erheblich was eingeengt, wenn ich mich auf so was vorbereiten kann. Philipp Degen:  Also sprich, das heißt, in diesem Meeting hätte man dann Szenarien entwickelt, die Maßnahmen hinter sich herziehen oder bedingen. Martin Hilbert: Das Schöne ist, die das Potenzial haben. Ich muss immer gucken nach so begriffen wie welches Potenzial ist da, welche Optionen habe ich? Sobald das eng wird, es ist wenig Potenzial und ich habe keine Option. Das ist schlecht. Also, ich muss zusehen, dass ich das weit mache. Ich habe die nächsten zehn Tage 40 % weniger Mitarbeiter und die Chefetage liegt im Krankenhaus. Dann bin ich ja schon, was die bisherige Entscheidungsfähigkeit angeht, sehr eingeengt von zwei Seiten. Von der Mitarbeiterebene und von der Führungsebene. Wenn ich das vorher durchdenke, kann ich die Führungsebene, das Manko Führungsebene [die ist eingeengt],aufmachen, indem ich schon weiß, wenn das passiert, dann ist der und der und der zuständig für die und die Sachen. Martin Hilbert: Also der eine darf mit der Bank sprechen, der andere darf, ich weiß nicht, Verträge unterschreiben und der Dritte ist der Koordinator für die Filialleiter. Mal so in die Tüte gesprochen und auf der Mitarbeiter Ebene kann ich schon drüber nachdenken, weil wir haben seit zwei Jahren die Pandemie, kann ich mir nicht vorher überlegen, wenn das passiert. Ich meine Lauterbach redet seit Monaten davon, dass im Herbst eine Welle kommt. Es darf keiner überrascht sein, wenn sie dann kommt. Also die wird kommen. Und dann? Ich muss damit rechnen, dass mir Mitarbeiter ausfallen, zumindest zehn Tage lang in Quarantäne sind. Also sollte ich doch jetzt überlegen, was passiert, wenn es dann tatsächlich eintritt. Also habe ich genügend Sockel? Wo kann ich was reduzieren, ohne dass ich den Betrieb zu machen muss? Das Acht-Augen-Prinzip Philipp Degen:  Und das ist auch dann ein großer Vorteil, wenn das nicht nur aus einer Perspektive, also von einer Person betrachtet wird, sondern deswegen sie dieses Acht Augen Prinzip vorhin schon mal angesprochen. Martin Hilbert: Ja, ohne irgendwelchen Chefinnen zu nahe treten zu wollen, aber sie sind halt auch nur ein Hirn und eine Empfindung, also die vielleicht wütend sind oder betroffen sind oder was auch immer, wie der Zustand ist. Das engt meine Möglichkeiten ein. Und das liegt nicht daran, dass die, die eine Person zu dumm ist, sondern es ist einfach: Mehrere Personen kommen eventuell auch aus unterschiedlichen Perspektiven guckend zu anderen Ergebnissen und das eröffnet mir einen breiteren Horizont. Deswegen, das wäre eigentlich eine Übung, die man machen muss in einer nicht Krisenzeit, dass man mal solche Entscheidungsprozesse übt, einfach trocken übt. Also dass man so tut als ob, die Chefin ich zwar da, nicht im Krankenhaus, aber sie hält sich einfach mal zurück und übt einfach mal: Wie funktioniert das denn, wenn ich jetzt mal drei Tage oder eine Woche nicht da bin, nicht diejenige bin, die sofort immer am Telefon ist und sagt wir machen das jetzt so und so. Philipp Degen:  Das verlangt aber schon sehr stark von mir, dass ich eingestehe, dass ich nicht alles kann, um dass mal vorsichtig auszudrücken. Martin Hilbert: Das ist ein gewisser Machtverlust in der Situation. Also ich habe jetzt mal eine Ausnahmesituation, aber die kann man anders nicht üben. Also ich bin irgendwie in einer sieben für sieben und da ist ein drei Mann Cockpit und der Kapitän ist der Flug erfahrenste und der kennt die ganzen Planeten aus allen Blickwinkeln. Aber wenn der 38,5 Grad Fieber hat, dann sitzt er hinten und darf nicht mehr fliegen. Und ob das dann sein Ego beschädigt oder nicht, es ist für alle Beteiligten der sichere Weg. So würde ich das sehen. Also jetzt Drama rausnehmen. Aber es ist sicherlich eine Übung, die für den Krisenfall sehr hilfreich ist. Die Wichtigkeit von Vertretern im Unternehmen Philipp Degen:  Es ist schon wichtig, dass die Entscheidungen dann vorher schon gefällt ist. Weil wenn der Chef, die Chefin das nicht initiiert… Martin Hilbert: Wer hat Prokura mit der Bank zu sprechen? Wer hat, wer darf juristisch mit irgendeinem Rechtsanwalt reden? Man weiß ja nicht, was da passiert. Was passiert, wenn da Klagen kommen, wenn da also so was muss man vorher einmal durchspielen und wenn man das immer fokussiert auf eine Person. Und diese Person ist dann eigentlich der neudeutsch vulnerable Punkt in der Firma, aber es ist nur eine Person. Wenn das fünf sind, ja, dann ist man relativ sicher auf der Ebene. Trainierte und einstudierte Prozesse zur Fehlervermeidung Philipp Degen:  Ja, wir haben immer kurz über dieses Maßnahmenpaket oder diese Alarmkette so gesprochen. Das heißt, ich habe ein Szenario A oder 1 definiert und dann aus den verschiedenen Perspektiven, sie haben eben gesagt, acht wäre toll, acht Augen Prinzip wäre super und dann hat man so einen Maßnahmenkatalog/Alarmkette definiert. Gut, jetzt habe ich den aufgeschrieben. Ist es nicht dadurch, dass Krisen ja nicht häufig kommen sollten oder man hofft, dass sie nicht häufig kommt in so einem Fall ist das dann auch von Vorteil, wenn man sagt, okay, man studiert das ein, man übt das, man kann das in der Krisensituation aus der Schublade hervorholen und sagt. Jetzt kann ich agieren, anstatt zu reagieren. Martin Hilbert: Also ich bin Segler und das erste, wenn man in der neuen Crew segeln ist, wir lernen Überlebensmaßnahmen. Also ich bin bisher kein einziges Mal untergegangen und ich gehe auch davon aus, dass mir das nicht passieren wird. Trotzdem üben wir das immer, weil das das ist der Gau. Der Gau ist zum Beispiel, wenn ich der Skipper bin, wenn ich irgendwie den Mast/Baum vor den Kopf kriege und bin bewusstlos. Und die anderen wissen nicht, was sie tun sollen. Das muss man üben. Das fällt nicht vom Himmel und das ist ein Fehler bei 4 Meter Welle und natürlich Windstärke acht dann zu überlegen, was sollen wir denn tun? Das muss man vorher trainiert haben. Wahrscheinlich wird das nie eintreffen. Das ist jedenfalls mein Interesse. Aber ausschließen kann ich es nicht, weil ich bin nicht Poseidon und ich bin auch kein Grieche. Funktioniert nicht. Aber das Training macht unwahrscheinlich aus. Es macht auch. Es gibt auch eine Sicherheit. Es gibt auch der Belegschaft mehr Sicherheit. Wenn man weiß, da gibt es sogenannte Standard Procedures, wie damit umgegangen wird, fühle ich mich sicherer, als wenn ich das Gefühl habe: Na hoffentlich hat sie das jetzt mitgekriegt. Hoffentlich hat sie mitgekriegt, dass jetzt schon wieder fünf Leute krank sind und deswegen, da es hängt auch immer, das ist auch nach innen in dem für das Betriebsklima sehr wichtig, dass man diese Dinge transparent macht und dass man auch klar macht, zur Not mit Notfallplänen, die aushängen, also wirklich an einem schwarzen Brett aushängen, mit Telefonnummern. Und wenn euch irgendetwas auffällt, bitte meldet das da oder sagt Bescheid. Ist ein anderer Punkt: Es ist in Deutschland so, dummerweise gibt es so was wie eine Fehlerkultur. Also wenn irgendwas nicht so läuft, wie man sich das Ideal vorstellt, wird immer erst geguckt: Wer ist schuld? Wer ist schuld daran, dass es nicht richtig läuft? Das läuft den Anstrengungen, keine Krise haben zu wollen, zuwider. Weil eigentlich müsste man, wenn man Fehler findet, nicht gucken, wer hat den Fehler gemacht, sondern was können wir tun, damit diese Fehler nicht passieren, völlig unabhängig, wer da was gemacht hat. Also man muss viel lösungsorientierter denken, man muss nach vorne denken und gucken, was müssen wir an der Grundkonfiguration ändern, damit das nicht mehr passiert? Das wäre die Aufgabe. Und dazu gehört, dass man zum Beispiel Dinge, die passieren und da ist meinetwegen, ich sage mal, irgendein Handschuh in den Brötchen Teig gefallen, ist nicht die Frage, welcher Idiot hat da den Handschuh reingeschmissen, sondern wieso ist die Anlage so, dass da was reinfallen kann? Also dass man eher prozessual denkt, dass man sich überlegt, welche Mechanismen kann ich entwickeln, damit das nicht passiert? Philipp Degen:  Also ein gesunder, ständiger Verbesserungsprozess. Martin Hilbert: Genau, aber wirklich gesund und lösungsorientiert. Nicht nach hinten gewandt, wer hat da welche Fehler gemacht? Ich sag das mal jetzt so als Beispiel, so ein Teil eines Handschuhs in meinem Brötchen bei mir, Samstags morgens gibt ein Mordsärger, das kann ich Ihnen sagen, wenn ich den beim Aufschneiden finde. Und daraus kann relativ schnell viel passieren. Philipp Degen:  Sie entwickeln das dann mit den Unternehmern oder Unternehmerinnen, dass sie dann einfach, dass Sie die dann helfen, in diesen Szenarien zu denken, die erst mal zu sensibilisieren und da einen Maßnahmenkatalog zusammenzustellen, was wäre, wenn? Martin Hilbert: Man muss sensibel sein, weil das sind ja nicht nur, sagen wir mal Maschinenprobleme. Das sind ja nicht einfach nur Produktionsprozess-Probleme? Das kann ja auch sein, dass die Stimmung in der Belegschaft total schlecht ist. Es wird aber gar nicht mitgeteilt, weil aus Angst heraus der Überbringer der Botschaft getadelt wird. Also keiner traut sich da irgendwas zu sagen. Es gibt ganz, ganz viele Möglichkeiten für, sagen wir für mögliche Krisen, also ganz, ganz viele. Und man kann dem nur, also man kann dem nur zuvorkommen, das heißt, ich muss vor die Krise kommen. Philipp Degen:  Verlangt schon sehr viel Planung. Martin Hilbert: Ja. Philipp Degen:  Und in die Zukunft zu schauen, gerade auch zu gucken, wie Sie eben gesagt haben, so was kann ich gut, das kann ich nicht so gut. Mit Sicherheit auch eine Portion Ehrlichkeit. Und wenn Sie eben gerade gesagt haben, der Mitarbeiter, der nicht gerne zum Chef kommt, auch eine Kultur haben, der sagt okay, es ist in Ordnung, da sind Fehler passiert. Martin Hilbert: Genau das ist eine Herausforderung. Das ist auch völlig klar, dass es vor allen Dingen eine Herausforderung für die Führungsebene. Entscheidungsmacht an seine Mitarbeiter abgeben Martin Hilbert: Das ist die Erfahrung. Also Führer müssen dann wirklich auch in der Hinsicht führen. Die müssen zeigen, dass sie das so wollen. Das heißt, sie müssen öffentlich quasi zeigen, zumindest in dem Acht Augen Rahmen, dass sie da auch mal Macht abgeben, Entscheidungsbefugnisse abgeben und teilen. Das ist sicherlich nicht einfach, deswegen. Aber man muss ja auch sagen, es ist erst mal ein Spiel, so ein bisschen Spieltheorie. Das andere ist aber auch, es ist eine Vorbereitung für eine Extremsituation, wo Sie sowieso nicht entscheiden können, weil Sie gerade in Salzburg im Krankenhaus sind. Also das heißt, eigentlich ist es eine ganz gute Möglichkeit, das auch mal zu probieren, auch mal zu probieren, wie man selber damit klarkommt, als Führer. Philipp Degen:  Also sprich als Unternehmer oder Unternehmerin, einfach mal diese Probe zu machen und sagen, wir tun jetzt mal so, als ob ich im Krankenhaus wäre und ihr mich nicht anrufen könnt. Martin Hilbert: Also ich habe Erfahrungen gemacht, auch sagen wir mal in… Bringen wir es mal auf ein anderes Feld: In Organisationen. Krisenstrategien helfen auch der Unternehmenskultur Martin Hilbert: Keine, keine mittelständische Firma, sondern eine Organisation, die haben unterschiedliche Abteilungen, die haben eine Kommunikationsabteilung, die haben eine Rechtsabteilung, das übliche Silodenken. Es gibt da die verschiedenen Abteilungen, die machen ihre Sachen, sind hierarchisch strukturiert und obendrüber gibt es die Führungsebene. Und meine Erfahrung war, dass wenn wir diese Krisenstrategien entwickelt haben oder Antikrisenstrategien entwickelt haben, dann hat das zu einer viel besseren Unternehmenskommunikation geführt. Über dieses Vehikel, dass man sich auf einen Krisenfall vorbereitet, wird gelernt, wie man eigentlich sehr gut miteinander kurz, auf kurzem Wege, kommunizieren kann, dass man lernt, dass man sich Dinge mitteilt, informativ, erstmal nur rein informativ. Alle sollen möglichst auf dem gleichen Stand sein. Bezogen auf diese, auf diese Sache. Damit muss ich ja jetzt als Finanzchef, nicht jetzt meine ganzen Budgets mitteilen. Aber ich kann ja mal sagen, wie viel ist denn für Feuerlöscher noch drin. Jetzt mal als Beispiel. Das ist dann eine Transparenz, die sehr informativ auch bei der Kommunikation innerhalb des Betriebs sehr dienlich ist, sehr dienlich und eine gut geschmierte Kommunikation ist, würde ich mal sagen, ist die halbe Miete in der Krise. Die verschiedenen Phasen einer Krise Martin Hilbert: Also zum Beispiel ist es so, wenn man in die Krisentheorie guckt, da gibt es eben die Phasen, also vor einer Krise, dann fängt eine Krise irgendwie an, dann wird eine Krise durchgestanden und dann gibt es die Nachbearbeitung. Das klingt jetzt so harmlos, also es ist total wichtig. dass ich mitkriege, dass eine Krise beginnt. Das entscheidet den Ausgang einer Krise maßgeblich.  Wann, zu welchem Zeitpunkt ich wahrnehme, dass hier eine Krise ist. Und die Frage ist wer nimmt das wahr. Wenn es nur eine Person ist. Sagen wir mal der einsame Führer entscheidet auf der Skipiste zwischen zwei Cappuccino, dass jetzt gerade eine Krise ist. Es ist natürlich schwach, er ist nicht vor Ort, das heißt, es ist gut, wenn es da ein breites Feld an Sensorik gibt. Dass die Leute trainiert sind, zu wissen, worauf sie achten müssen und dass Fehler nicht unter den Tisch gekehrt werden, sondern wenn da irgendwie rote Lämpchen sich drehen, dass man die mitteilt. Dass man  nicht versucht, die irgendwie schnell los zu kriegen. Also so, also deswegen sind Kernkraftwerke so gefährlich. Wenn Jupp sagt, für das Ventil bin ich nicht zuständig. Ich habe es zwar gesehen, aber da ist der Jupp für zuständig. Philipp Degen:  Also sprich, dass man transparent dann einfach kommuniziert und sagt, das ist der Stand der Dinge. Es hat den Anschein, dass eine Krise sich entwickelt. Martin Hilbert: Genau, irgendwas ist eben nicht normal. Da passiert irgendetwas, was nicht vorbereitet ist, was Unvorhergesehenes, es ist keine Standardsituation. Und dann muss ich eben gucken und das kann ich nicht alleine entscheiden. Also keiner kann in der Situation alleine einfach entscheiden, das ist schon okay und das ist nicht okay. Da würde ich immer sagen, da gehört so eine Mini-Alarmkette dazu. Das muss man jetzt nicht so riesig bedienen wie bei wie beim Auswärtigen Amt Martin Hilbert, wie jetzt mit der Ukraine. Da gibt es sicherlich andere, andere Alarmketten mit viel, viel mehr Menschen. Aber man kann trotzdem das Prinzip verstehen. Also man muss informiert werden und dann kann man im Idealfall gemeinsam den Entschluss fahren, da reagieren wir so und so drauf oder das ist gar keine Krise. Kann ja auch ein Fehlalarm sein. Alles gut, aber wenn, dann ist es eben gut, dass man dann gemeinsam auch handelt. Philipp Degen:  Und im besten Fall wäre es ja ich habe mich da im Vorhinein schon informiert.  Martin Hilbert: Genau. Und das heißt, da passiert einfach der Standard. Also das rote Lämpchen leuchtet und dann mache ich das nicht nur alleine, sondern ich weiß genau, den und den informiere ich und dann sehen wir zu, dass das Rote Lämpchen abgeschaltet wird. Philipp Degen:  Und dann ist das die Standard, also der Standard und dann haben wir das zum Standard. Martin Hilbert: Ohne Adrenalin und ohne große Schweißausbrüche. Und dann kann man im Nachhinein kommen und gucken, wie ist das gelaufen? Also ich würde immer, das sogenannte Debriefing ist total wichtig, dass man, das muss man auch festhalten, weil man vergisst Dinge und man ordnet sie falsch zu und man muss es schon protokollieren und dann muss man gucken, wie ist was gelaufen, kann man noch auch irgendwas verbessern oder halten wir diese Standardsituationen. Philipp Degen:  Sprich, dass man nach diesem Projekt Krise oder nach der Krise, die kommt, dass man so einen ständigen Verbesserungsprozess, ich kenne das nur aus der Qualitätssicherung, dass man immer wieder danach guckt. Okay, das ist jetzt vorgefallen, wie können wir das beim nächsten Mal minimieren oder die Qualität verbessern? So war es damals. The post Erfolgreiches Krisenmanagement vermeidet Krisen: Interview mit Hr. Hilbert appeared first on Unternehmer Radio.

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