Der Dokumentarfilmer Erik Lemke hat mit "Homöopathie unwiderlegt" einen bemerkenswerten Interview-Film gedreht, in dem nicht Kritiker sondern ausschließlich Befürworter der umstrittenen Heilmethode zu Wort kommen. Hier spricht Lemke über die Idee dahinter, fehlende Wirksamkeitsbelege, "Erstverschlimmerung" und warum er keine Patienten interviewt hat. (Der im Folgenden thematisierte Dokumentarfilm wird in dieser Woche in einigen ausgewählten Kinos in Münster, Berlin, Hamburg und Leipzig gezeigt, Termine finden sich hier.) Erik, zu Beginn die Frage: Wie kam es zu deinem Film „Homöopathie unwiderlegt?“? Ich erinnere mich an eine Situation vor ein paar Jahren, in der mir eine sympathische Heilpraktikerin bei einem bestimmten gesundheitlichen Problem empfahl, zum Homöopathen zu gehen. Jedoch hat mich dann mein Cousin, der Psychologie studierte, davon abgebracht, indem er mir erklärte, was Homöopathie eigentlich ist – bis dahin hatte ich mich damit kaum befasst. Nach einer längeren Beschäftigung mit der Homöopathie habe ich dann festgestellt, dass es sich als Thema gut eignet, um diese Gesprächsmethode anzuwenden, wie ich sie im Film verwirklicht habe, die sokratische Methode. Es ist ein Interview-Film geworden, in dem du Homöopathie-Ärzten und -Befürwortern schlaue Fragen stellst und ihre Ausführungen zusammenmontierst, wodurch an vielen Stellen Widersprüche und Ungereimtheiten deutlich werden. Gab es filmisch bestimmte Vorbilder für dich? Mir gefallen die Interview-Filme, die der Regisseur Eberhard Fechner gedreht hat. Die sind allerdings viel schneller geschnitten, zum Teil beenden seine Protagonisten sogar gegenseitig ihre Sätze. Das hätte ich hier nicht machen können, weil dadurch sehr schnell der Vorwurf der Manipulation im Raum steht. Mir war sehr wichtig, dass stets klar ist, in welchem Zusammenhang die Äußerungen gemacht wurden und dass ersichtlich ist, dass ich nicht einfach nur Rosinen herausgepickt und zusammenmontiert habe. Aus diesem Grund sind viele Einstellungen ungewöhnlich lang. Auf der Website zum Film schreibst du, dass der Film sich auch an Homöopathen selbst richtet. Ja, ich wünsche mir, dass Homöopathen diesen Film ernst nehmen. Deshalb habe ich auch bewusst nicht nach Extrembeispielen gesucht, von denen sich sonst möglicherweise homöopathische Ärzte und Organisationen distanziert hätten. Ich habe mich beschränkt auf die sogenannte „klassische“ Homöopathie und keine Vertreter von extremen Ablegern der ursprünglichen Lehre interviewt. Alle Ärzte, die zu sehen sind, haben Medizin studiert und haben Homöopathie als Zusatzbezeichnung. Wie ist das bei der Ärztin Beate Latour, die sich „Schamanin“ nennt? Sie ist sicher ein Grenzfall, was die klassische Homöopathie betrifft, allerdings wird sie von Heilpraktikern akzeptiert, eine Gruppe, die ich selbst nicht in den Film aufgenommen habe. ZitiertMeine Prognose ist, dass die Homöopathie nach und nach aus dem Gesundheitssystem verschwindet.Dass Globuli über Heilkraft verfügen, beruht auf einer sozialen Übereinkunft, ähnlich jener, dass Papiergeld einen Wert besitzt.Solange die Forschung keinen Wirknachweis erbringt, sind Beschreibungen wie „das hat mir geholfen“ nicht ernstzunehmen.Erik LemkeNächstes Zitat Was waren die Rahmenbedingungen für die Gespräche? Bei einem so kontrovers debattierten Thema kann es ja schnell zu Problemen bei der Freigabe kommen. Ich habe am Anfang ein Themenpapier erarbeitet, welches ich den Interview-Partnern geschickt habe und an welches ich mich beim Drehen sehr genau gehalten habe. Außerdem habe ich sie im Vorfeld um Hinweise gebeten, falls es Dinge gibt, die ich lieber nicht ansprechen soll, um zu vermeiden, dass es im Nachhinein Probleme gibt. Was du auf Band hattest, konntest du also alles verwenden? Es wurden einige Ansichten übers Impfen geäußert, jedoch mit der Bitte, diese nicht zu verwenden. Und wenn jemand sagte, dass er bei einer Äußerung unsicher sei oder mit einer bestimmten Formulierung Kollegen nicht vor den Kopf stoßen wollte, habe ich das ebenfalls nicht verwendet. Der fertige Film wurde aber nicht nochmal den Protagonisten zur Freigabe geschickt, das wäre viel zu kompliziert gewesen. Stichwort Impfung: Corona taucht in deinem Film nicht auf. Richtig, weil es Corona noch nicht gab, alle Interviews sind zwischen Januar und Dezember 2019 entstanden. Würdest du sagen, es mangelt heute noch an Informationsangeboten zur Homöopathie? Einen Interviewfilm in dieser Form gab es noch nicht. Generell hat aber das Informationsangebot zur Homöopathie in den letzten vier, fünf Jahren deutlich zugenommen, was auch mit der Veröffentlichung von Natalie Grams Buch („Homöopathie neu gedacht – Was Patienten wirklich hilft“) zusammenhängt. Sie hat 2016 das „Informationsnetzwerk Homöopathie“ ins Leben gerufen, dessen Angebot ich sehr empfehlen kann. Bis dahin bestand jedoch eine Informationslücke. Und wenn man sich beispielsweise Reportagen zur Homöopathie von früher anschaut, ist man erstaunt, wie unkritisch dort teilweise berichtet wurde, auch von den Öffentlich-Rechtlichen. Als 1996 die Homöopathie 200 Jahre alt wurde, gab es eine durchweg positive Berichterstattung, Journalisten haben Homöopathen als Experten auf ihrem Gebiet präsentiert, ohne genauer nachzuforschen und zu hinterfragen. Wobei es natürlich in der Geschichte der Homöopathie immer wieder auch kritische Stimmen gab. Zu deinen Interview-Partnern: Warum denkst du, gehen die der Homöopathie nach? Ich habe bei keinem von ihnen den Eindruck, dass sie es nur aus finanziellen Anreizen machen, es sind keine Scharlatane oder Betrüger. Ich bin auch überzeugt, dass mich bei den Interviews niemand von ihnen belogen oder Dinge wider besseren Wissens geäußert hat, zum Teil kennen sie die Studienlage sogar sehr gut. Interview-Szene mit Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach © Erik Lemke Du hast ja zwei Vertreter der Homöopathie-Forschung im Film, Alexander Tournier vom Londoner „Homeopathy Research Institute“ und Jens Behnke von der Carstens-Stiftung Ja, wenn die zum Beispiel Vorträge halten, stoßen sie dich nicht auf die vielen Widersprüche in der Homöopathie. Aber wenn ich sie konkret darauf anspreche, dass es keine Wirksamkeitsbelege gibt, stimmen sie dem zu. Wie erklärst du dir diesen Umstand, dass es einerseits keine wissenschaftlichen Wirksamkeitsbelege gibt, andererseits Ärzte wie die in deinem Film zum Teil jahrzehntelang mit der Homöopathie arbeiten? Wir Menschen funktionieren so, dass wir uns unsere eigenen Narrative bauen und sehr gut darin sind, Informationen so zu verarbeiten, dass sie zu dem passen, was wir am Ende gerne als Ergebnis sehen möchten. Deshalb sind wir auch, was die Beurteilung eigener Krankheitsverläufe angeht, sehr täuschungsanfällig und sehen Kausalitäten wo in Wahrheit keine Kausalität vorliegt. Die Homöopathie als sogenannte „sanfte Heilmethode“ ist ein so starkes Narrativ, das seit über 200 Jahren gepflegt wird und das sich mit ganz vielen Begriffen schmückt, die wir aus der Medizin kennen. Da ist eine Art Parallel-Medizin-Welt entstanden und es ist sehr leicht, dieser zu vertrauen und Glauben zu schenken. Wenn es stimmt, was dein Interview-Partner Heiner Frei erzählt, behandelt er die Kinder in seiner Kinderarztpraxis immerhin zu 80 Prozent rein homöopathisch. Erfolge wird man bei Homöopathie-Patienten unzählige sehen. Allerdings kann man anhand von Einzelbeispielen nicht feststellen, was genau da gewirkt hat. Und auch tausende Einzelbeispiele bilden keine wissenschaftliche Aussage in puncto Wirksamkeit. Denn eine Wirksamkeit lässt sich nur über Vergleichsstudien belegen. Bei solchen Studien werden, doppelt verblindet, Gruppen miteinander verglichen, von denen die eine Homöopathika und die andere Gruppe Placebos bekommt. Angenommen, die Homöopathiegruppe schneidet besser ab, als die Placebogruppe – oft ist es auch umgekehrt – muss dieses Ergebnis wiederholbar sein. Die Wiederholung einer vermeintlich positiven Studie ist trotz jahrzehntelanger Forschung nie gelungen. Wenn dir also dieser Kinderarzt von der Genesung seiner Patienten erzählt. dann liegt das nicht an den Homöopathika, das ist so gut wie ausgeschlossen. Viele Eltern gehen mit Kindern zum Arzt bei sich selbst limitierenden Erkrankungen, etwa bei Husten oder Schnupfen, die auch ohne Behandlung irgendwann vorbeigehen. Wenn sie stattdessen zu Ärzten gehen, die wissenschaftsbasiert behandeln, mit wirksamen Arzneien, können natürlich auch Nebenwirkungen entstehen – die werden einem beim Homöopathen erspart. Allerdings wird ein homöopathischer Arzt einen Teil seiner Patienten eben um genau den wirksamen Teil einer Arznei bringen, der eine Reduzierung der Krankheitsdauer zur Folge gehabt hätte. Dabei ist ja die Motivation Die ursprüngliche Motivation ist immer eine gute, es ist ganz sicher bei keinem der Wunsch, Menschen zu betrügen, Patienten zu schaden oder die Wissenschaft schlecht zu machen. Oft ergibt sich in ihrem Werdegang eins nach dem anderen: Am Anfang steht der Wunsch, gegenüber der unpersönlichen „Geräte-Medizin“, wie sie manchmal genannt wird, das Menschliche zu bewahren. Dinge, die wir als natürlich empfinden, werden als ganzheitlich zu implementieren versucht, um dadurch eine bessere Medizin zu schaffen. Allerdings besteht die Gefahr der Radikalisierung. Inwiefern? Ich meine damit nicht diejenigen, die sich etwa mit Naturheilweisen oder lebensstilbasierten Therapien zum Beispiel aus dem Bereich der Bewegungs- oder Ernährungsmedizin beschäftigen. Doch sobald die Homöopathie ins Spiel kommt und man diese überzeugt vertreten will, muss man sich immunisieren gegen die Kritik, die es daran berechtigterweise gibt. Man muss zum Beispiel Gründe finden, wenn eine Publikation wie „Die Zeit“ fundierte Kritik an der Homöopathie übt. Und in dem Moment geht es los, dann suchen viele nach alternativer Berichterstattung, geraten in eine Wolke von Alternativ-Medien, wo sie plötzlich noch ganz andere Narrative entdecken – schon ist man drin in der Radikalisierung. Da habe ich in meiner Recherche Einiges gesehen, Organisationen wie die Giordano Bruno Stiftung werden von Homöopathie-Verfechtern schlecht gemacht, manche verfallen am Ende sogar in Greta- und Fridays For Future-Bashing – obwohl sie ursprünglich mal mit dem Gedanken „zurück zur Natur“ begonnen haben. Ich kenne Berichte aus dem persönlichen Umfeld, von Menschen, die dezidiert sagen: dieses homöopathische Mittel hat mir geholfen, es hat ein bestimmtes körperliches Leiden beendet. Wenn du so etwas hörst, erklärst du das dann mit dem Placebo-Effekt? Der Placebo-Effekt ist nur eine Möglichkeit, warum es jemandem besser geht. Laborwerte können sich ja tatsächlich verbessern, in einer Phase, wo jemand Globuli nimmt. Da wissen wir zum Beispiel nicht, ob die Person vielleicht zur selben Zeit eine andere, wirksame Behandlung bekommen hat, parallel das Rauchen aufgegeben hat, oder ob die Krankheit gerade auf ihrem Höhepunkt war und danach sowieso abgeklungen wäre. Eine Person, die dem Homöopathie-Narrativ erlegen ist, nimmt dann an, die Globuli schlagen an und es liege eine Kausalität vor – doch am Ende ist es immer nur eine Korrelation. Nachweisen ließe sich der Effekt nur in Wirksamkeitsstudien, doch bisher konnte keine Studie diesen Nachweis erbringen. Was denkst du, warum in Online-Shops homöopathische Mittel sehr viel positive, aber kaum negative Bewertungen bekommen? Schließlich sind die Menschen doch oft schnell dabei, wenn es darum geht, sich zu beschweren. Homöopathische Einzelmittel werden ohne Angaben zur therapeutischen Indikation verkauft. Selbst in der Packungsbeilage findet man keine Informationen über den Anwendungsbereich. Man kann dem Mittel also nicht vorwerfen, es habe sein Heilsversprechen nicht eingelöst. Das Mittel kann nach homöopathischer Logik auch nicht wirkungslos sein, höchstens hat man es falsch angewendet. Erlebt man nach der Einnahme eine Besserung, könnte auch der Placebo-Effekt eine Rolle gespielt haben: Wenn du Geld für ein Produkt ausgibst, welches „Arzneimittel“ genannt wird, wirst du die Besserung wahrscheinlich darauf zurückführen. Deine Interview-Partnerin Martina-Lucia Kaut sagt im Film: „Es wäre gut, wenn man mehr über Patienten berichtet, denen Homöopathie gut getan hat“. Hast du überlegt, die Patientenseite in deinen Film einzubeziehen? Nein, denn sie bringt uns nicht weiter, sondern lenkt uns nur ab. Die Aussage von Kaut teilst du also nicht. Nein. Das würde bedeuten, das wir zurück ins Mittelalter gehen, wo zum Beispiel behauptet wurde, dass die Aderlass-Methode bei allen möglichen Indikationen helfen würde. Es gilt übrigens auch andersherum: Wenn ein Patient behauptet, ihm haben Globuli geschadet, darf man dies genauso wenig ernst nehmen. Die Homöopathie ist heute mehr als jede andere alternative Heilmethode erforscht, es gibt aus den vergangenen Jahrzehnten eine hohe dreistellige Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, darunter viele randomisierte kontrollierte Studien und solange diese Forschung keinen Wirknachweis erbringt, sind Beschreibungen wie „das hat mir geschadet“ oder „das hat mir geholfen“ nicht ernstzunehmen. Ich sah in einer „Galileo“-Sendung eine Patientin, die angibt, Neurodermitis erfolgreich mit Homöopathie behandelt zu haben. Du würdest nun vermutlich sagen, mit Neurodermitis zum Homöopathen zu gehen, ist verschwendete Zeit Ja, genau. Solange diese Patientin nur von ihrem Krankheitsverlauf berichtet, gibt es übrigens keinen Grund, ihre Worte anzuzweifeln. Sie ist selbst die beste Expertin für ihr Befinden. Sobald sie aber behauptet, auch die Ursachen für ihre Besserung zu wissen, überschreitet sie ihre Kompetenz. Der Homöopath bekommt seine Gesprächszeit mit dem Patienten übrigens besser vergütet. Während er für Beratungsgespräche feste Honorare bis zu 700 € pro Patient und Jahr mit der Krankenkasse abrechnen darf, kann ein Allgemeinmediziner das sogenannte problemorientierte ärztliche Gespräch nicht automatisch als Einzelleistung abrechnen. Ein Gespräch von 10 Minuten oder mehr muss ein Allgemeinmediziner sehr genau dokumentieren und begründen, um es bezahlt zu bekommen. Insofern hat der Homöopath mehr Zeit, auf das individuelle Beschwerdebild des Patienten einzugehen, wodurch dann auch der Aspekt einer Gesprächstherapie zum Tragen kommt. Klingt doch eigentlich positiv, oder? Letzten Endes ist es das aber nicht, denn die lange Anamnese zielt in der Homöopathie immer darauf ab, Symptome zu sammeln, die der Arzt dann in den homöopathischen Repertorien sucht und damit die Arzneimittel bestimmt, die er verschreibt. Das bedeutet, dass für andere Punkte, die in so einem Gespräch eigentlich wichtig wären, weniger Zeit vorhanden ist. Anders formuliert: Wir brauchen, um den Anteil einer Gesprächspsychotherapie für uns gut nutzen zu können, keine Arzneilüge. Um ein gutes Arzt-Gespräch zu führen, brauchen wir nicht die Behauptung, dass Arzneimittel, die keine sind, wirken, obwohl es dafür keinen Beleg gibt. Du gehst im Film auch auf die Herstellung der Homöopathika ein, das „Potenzieren“ und „Verschütteln“, was tatsächlich sehr obskur erscheint. Es ist schon deshalb Nonsens, weil – wie wir im Film sehen – es jeder anders macht. Trotzdem wirkt es angeblich immer. Das allein sollte einem zu denken geben. Egal wer was behauptet, in der Homöopathie, er wird immer Erfolg haben. Wenn du einem homöopathischen Arzt sagst, dass ein Mittel nicht wirkt, findet er darauf viele Antworten: „Das bedeutet auf keinen Fall, dass die Homöopathie an sich nicht wirkt“ heißt es dann, oder „dieses Mittel haben wir schlecht ausgewählt“. Ärzte begründen es damit, dass der Patient im Anamnese-Gespräch nicht alles erzählt hat oder sie sprechen von „Non-Respondern“. Und für den Fall, dass sich nach Einnahme eines Homöopathikums das Beschwerdebild verschlechtert, erklärt es der Homöopath mit der sogenannten „Erstverschlimmerung“. Bei sehr vielen Krankheiten muss man nur auf Zeit spielen. Und dann, siehe da, nach drei Wochen, wird einem erklärt: „Jetzt beginnt die Wirkung“. Homöopathen spielen also oft einfach auf Zeit? Ich will ihnen keine schlechte Intention unterstellen, daher würde ich es anders formulieren: Die Zeit kommt ihnen zu gute. Die Homöopathie soll langfristig Besserung verschaffen, man bekommt ein paar Globuli pro Woche, soll es geduldig beobachten – und in dieser Zeit kann viel passieren, so dass aus einer Beschwerde eine Besserung wird. Anders als die meisten deiner Interview-Partner hast du nicht Medizin sondern Film studiert. Kommt es dir komisch vor, wenn du Ärzte mit der Unwirksamkeit ihrer Methode konfrontierst? Ich gebe nur wieder, was beim Thema Homöopathie wissenschaftlicher Konsens ist, von Ärzte-Gesellschaften und Forschungs-Institutionen weltweit. Und wir dürfen nicht vergessen: In der Ärzteschaft sind Homöopathen Außenseiter, die sich außerhalb der Wissenschaftlichkeit bewegen. Nun wird die Diskussion um die Homöopathie in den nächsten Jahren weitergehen. Was ist dein Fazit: Sollten bei der Entscheidung, wie Krankenkassen in Zukunft mit Homöopathie verfahren, Berichte von Homöopathie-Patienten eine Rolle spielen? Nein. Das klingt vielleicht hart, aber bei den Krankenkassenleistungen sprechen wir von Solidargeldern. Auch wenn es heißt, dass es „nur“ 20 Millionen sind, welche die Kassen jedes Jahr für Homöopathie erstatten – mit dem Geld könnte man an vielen anderen Stellen helfen, wo die Mittel knapp sind. Wir haben schließlich nicht zu viel Geld in der gesetzlichen Krankenversorgung sondern es mangelt an allen Ecken, insofern muss man mit dem Geld verantwortungsvoll umgehen. Und dazu gehört nicht, Patienten den Wunsch nach wirkstofffreiem Zucker zu erfüllen. Übrigens existiert dieser Wunsch gar nicht in Ländern, in denen die Homöopathie keine Rolle spielt (Quelle). Dieser Wunsch ist durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit und mit den Geldern der Pharmafirmen und Lobbyverbände künstlich geschaffen worden. Dass Globuli über Heilkraft verfügen, beruht auf einer sozialen Übereinkunft, ähnlich jener, dass Papiergeld einen Wert besitzt. Doch gibt es auch die Argumentation, nach der eine homöopathische Behandlung die Kassen oft weniger koste, da die Arzneien günstig sind und keine Nebenwirkungen verursachen. Ob sich mit Homöopathie im Gesundheitssystem Geld einsparen lässt, kann man herausfinden, in dem man Homöopathie-Patienten mit solchen vergleicht, die Homöopathie nicht nutzen. Dazu gibt es tatsächlich eine Studie, die gezeigt hat, dass Homöopathie-Patienten die Krankenkasse deutlich mehr Geld kosten. Du erwähntest vorhin, dass Allgemeinmediziner viel weniger Gesprächszeit abrechnen können als Homöopathen. Muss sich da etwas ändern? Ja, das ist meiner Meinung nach ein Fehler im System – und natürlich könnte ich genauso gut einen Film über Probleme unseres Gesundheitssystems machen, denn die gibt es ja zuhauf. Das Ziel muss sein, dass die Bedürfnisse, die heute von der Homöopathie gedeckt werden, eines Tages von wirksamen Therapien gedeckt werden. Wir können die Probleme, die es in unserem Gesundheitssystem gibt, nicht auf die Homöopathie abschieben und von ihr lösen lassen, sondern wir müssen es mit der evidenzbasierten Medizin klären. Potentiell kann die Homöopathie auch schaden, etwa wenn sich ein kranker Patient auf ein homöopathisches Mittel verlässt und deswegen andere wirksame Therapien zu spät oder gar nicht beginnt. Eine Herangehensweise wie etwa bei der Schamanin Beate Latour, alles darf sein, alles hat seinen Platz, womit eine totale Relativierung einhergeht – so eine Philosophie ist vielleicht toll in der Kunst, aber wenn man mit kranken Patienten arbeitet, kann das gefährlich werden. Ist dein Film also auch eine Warnung an Homöopathie-Praktiker? Mir ist wichtig, dass sie ernst nehmen, was ich gemacht habe. Die ganzen Widersprüche, die der Film aufzeigt, sind ja bekannt – sie werden nur immer wieder unter den Teppich gekehrt und das darf nicht passieren. Wenn sie diese Kritik nicht zur Kenntnis nehmen, stellen sie sich nur selbst ein Bein: Denn an Kritik kann man wachsen, sich weiterentwickeln und etwas besser machen. Viele von den interviewten Ärzten wären auch nicht auf die Homöopathie angewiesen, wie etwa Hans Baitinger. Er ist Allgemeinmediziner und Psychotherapeut, er könnte ohne Weiteres auf den Einsatz von Homöopathika verzichten. Diese Ärzte haben über Jahrzehnte zwischenmenschliches Potential und besondere Fähigkeiten ausgebildet bei der Beurteilung von Patienten. Sie wären in der Lage, sich weiterzuentwickeln und das möchte ich befördern. In der Corona-Zeit wurde medial sehr auf die sogenannten „Querdenker“ eingedroschen und nicht selten ging dieses Bashing auch auf Homöopathen, Heilpraktiker oder Anthroposophen über. Wie blickst du auf diese Entwicklung? Einer der Gründe, warum ich mich mit der Homöopathie so intensiv auseinandergesetzt habe, ist, dass uns dieses schnelle Aburteilen von Personen nicht hilft. Natürlich ist es gut, wenn jetzt auch mal die Anthroposophie unter die Lupe genommen wird, aber von einem öffentlichen Bashing bin ich überhaupt kein Fan. Deswegen würde es mich auch freuen, die sokratischen Dialoge, wie ich sie in meinen Interviews modelliere, als Mittel der Aufklärung in Zukunft noch mehr verbreitet zu sehen. Zum Schluss: Wie wird sich der Stellenwert der Homöopathie in Zukunft entwickeln? Meine Prognose ist, dass die Homöopathie nach und nach aus dem Gesundheitssystem verschwindet und am Ende wahrscheinlich mehr von Heilpraktikern ausgeführt wird, weniger von Ärzten. Viele Ärztekammern haben die Homöopathie ja bereits von ihren Weiterbildungsordnungen entfernt, es gibt bundesweit nur noch vier Ärztekammern, die diese Fortbildung anbieten. Natürlich wird es die Homöopathie auch in Zukunft geben, doch dass die Allgemeinheit weiterhin für so etwas bezahlt, das sehe ich nicht. Möglicherweise werden homöopathische Arzneien in den Apotheken anders gekennzeichnet werden, vielleicht fällt die Apothekenpflicht auch komplett weg. Dann könnten die Homöopathika irgendwann in den Supermärkten bei den Nahrungsergänzungsmitteln stehen – was wohl auch der bessere Platz wäre.
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