Erzählung: Die Rettung

Das ist das groe Foto, das die Vorlage war fr meinen Text beim Schreibwettbewerb der Sdwestpresse. Von ca. 60 Einsendungen wurden die sieben besten verffentlicht. Meine Erzhlung war dabei und hing dann zusammen mit dem Foto in der Ausstellung im Ulmer Museum. Die Ausstellung hie: SACHEN GIBTS. // Die Rettung Die Schlge drangen in ihren Schlaf. Im Nu war sie wach. Angstvoll horchend sa sie im Bett auf. Kamen sie wieder? Dann hrte sie den Nachbarn rufen: Karl, Elisabeth, ich bins, macht auf! Ich komme schon, hrte sie Karl unwillig neben sich murren. Er schlpfte ohne Eile in die Hose und zog sich sein Hemd ber. Muss der uns jedes Mal so frh aus dem Bett holen, brummte er, dem wird wieder seine Sau entlaufen sein. Wenn es nur das ist, dachte Elisabeth, wenn es nur das ist. Durch das kleine Fenster der Schlafstube drang diffuses Licht. Es war ohnehin Zeit aufzustehen und die Tiere zu versorgen. Ihr Blick fiel auf das kleine Medaillon, das auf ihrem Nachttisch stand. Karl hatte es auf einen Holzwrfel genagelt. Ich nehme das feinste Buchenholz, das ich habe, hatte er gesagt, dann kannst du es neben dir aufstellen. Der Goldschmied in der Stadt hatte das Kleinod fr sie angefertigt. Als sie es jetzt in die Hand nahm, sprte sie wieder Bitterkeit und Trauer in sich aufsteigen. Sie wollte nicht weinen, doch die Trnen liefen ihr unversehens aus den Augen. Dabei war doch alles gut ausgegangen. Wieder stieg das schreckliche Ereignis vor ihr auf. Auch damals hatten die Schlge sie aus dem Schlaf gerissen. Unaufhrlich hatte etwas gegen das groe Eingangstor gedonnert. Aufmachen!, hatte sie von unten rufen gehrt und war verwirrt in die Kleider gefahren. Was ist los? Karl hatte sich murrend umgedreht. Hrst du nicht, es muss etwas passiert sein, steh auf. Sie waren dann daneben gestanden, als die Kerle ihre Tochter und den Schwiegersohn aus der hinteren Schlafstube zogen. Es verwirrte sie, Leute die sie kannte so barsch und gewaltttig zu sehen. Was werft ihr den beiden vor? Was haben sie verbrochen? Karl hatte keine Ruhe gegeben. Und auch sie hatte sich vor ihre junge Tochter gestellt. Sie waren ohne Antwort geblieben. Nur einer der Bewaffneten hatte im Hinausgehen gemurmelt: Es tut mir Leid, Schmiedin. Das waren schlimme Wochen gewesen. Elisabeth strich liebevoll ber die Figuren auf ihrem Medaillon. Schreckliche Tage voller Angst und Ungewissheit. Aber auch als sie wussten, was ihren Kindern zur Last gelegt wurde waren sie nicht ruhiger geworden. Wie auch? Ihre Magdalena sollte eine Hexe sein, ihr Ehemann Matthias ihr Gehilfe. Der Schrecken hatte sie zunchst gelhmt. Als tags darauf der Nachbar kam und weitere Gerchte erzhlte, hatten sie sich mit ihm zusammengesetzt und berlegt, was zu tun war. Voller Verzweiflung waren sie zum Pfarrer gelaufen, zum Ortsvorsteher, zum Grafen auf dem Berg. Dort wurden sie nicht einmal vorgelassen und die anderen hatten die Hnde erhoben und auf den Herrn im Himmel verwiesen. Betet, hatten sie gesagt, betet, der Herr wird es richten, und der Pfarrer hatte noch hinzugefgt: Wenn sie unschuldig sind, wird er sie retten. Ja, sie waren gerettet worden. Aber was hatten die beiden erlebt, da unten im Turm? Was hatte man ihnen angetan im Namen des Herrn der angeblich so barmherzig war? Er, der in jede Seele schauen konnte, musste doch sehen, dass sie nichts Schlechtes getan hatten. Und wie oft hatte sie sich gefragt, wer die beiden angeschwrzt hatte. War es Gunda gewesen, der die Kuh verendet war? Magdalena hatte noch nach ihr gesehen und versucht, das Klbchen zu retten. Alles vergebens. Aber das war doch nicht ihre Schuld. Und sie selbst? Sie waren pltzlich wie Ausstzige gewesen im Ort. Nur ganz wenige hatten noch mit ihnen geredet. Karl musste die Schmiede schlieen, die Bauern fuhren lieber in den Nachbarort. Aber das war nicht so wichtig. Sie hatten die Khe, die Hhner und die paar Schafe. Zum berleben reichte es. Dann schien das Urteil gesprochen. Was war das fr ein Entsetzen gewesen, als es hie, die beiden mssten brennen. Brennen?! Verbrennen?! Ihre schne Tochter verbrannt?! Sie hatte sich voller Verzweiflung in ihrem Bett vergraben. Sie wollte nicht mehr essen und trinken. Karl hatte sie versorgt, sonst wre sie wahrscheinlich verhungert. Es sind doch nur Gerchte, hatte Karl gesagt und sie im Arm gehalten. Ihr starker Mann, auch fr ihn war es schlimm. Sie waren noch einmal zu allen gelaufen, von denen sie sich Rettung versprachen. berall wurden sie abgewiesen. Eines Morgens hatte Karl sich neben sie auf die Bank gesetzt und zu weinen begonnen. Sie karren Reisig auf den Anger, hatte er herausgepresst und sein Gesicht mit den Hnden bedeckt. An diesem Nachmittag hatte es aus heiterem Himmel angefangen zu donnern und zu blitzen. Stundenlang waren ungeheure Wassermassen vom Himmel gestrzt. Das Feuer verlschte. Sie hatten es als Gottesurteil angesehen, die Herren der Inquisition. Magdalena und Matthias kamen frei. Aber was hatte man ihnen angetan? Als sie nach Wochen der Pflege zu sich kamen, wollten sie nur noch fort. Sie konnten nicht bleiben an diesem Ort des Schreckens. Elisabeth wre am liebsten mit ihnen gezogen. Doch das war nicht mglich. Jetzt hatte sie keine Kinder mehr. Voller Liebe barg sie das Medaillon in ihren Hnden.

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