Gerhard von Scharnhorst (1755–1813)

„Sind wir glücklich in der Hauptsache, so sind wir es auch in Nebensachen“. General Gerhard Johann David von Scharnhorst   „Gerhard von Scharnhorst gehört zu den großen Soldaten, die wie Wilhelm von Oranien, Prinz Eugen von Savoyen oder Helmuth von Moltke als Meister der Selbstzucht und des Schweigens etwas wie eine rätselhafte Verschattung über sich selbst verhängt haben“. Theodor Schieder Die großen Deutschen Band 2, Prisma Verlag, Seite 402 Prolog Gerhard von Scharnhorst, Gemälde von Friedrich Bury, vor 1813. Als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons Um den sechzigsten Geburtstag (1953 des Sachsen Walter Ulbricht zu würdigen, erschien bei Rütten & Loening innerhalb einer vom Geburtstagskind – begründeten historische Schriftenreihe ein Buch über den Niedersachsen General von Scharnhorst; „Scharnhorst der Schöpfer der Volksbewaffnung – Schriften von und über Scharnhorst“. Gleich zu Beginn bekennt der unterzeichnende Verlag: Solche geschichtlichen Persönlichkeiten, die große Verdienste im Kampf um die Einheit Deutschlands haben, wie Scharnhorst, Fichte, Gneisenau, Jahn müssen in ihrer historischen Bedeutung dargestellt werden, wobei die reaktionären Auffassungen, denen sie gehuldigt haben, nicht verschwiegen werden dürfen“ (siehe Scharnhorst der Schöpfer der Volksbewaffnung – Schriften von und über Scharnhorst). Diese Kursbestimmung dürfte dem SED – Generalsekretär gefallen haben. In der Einführung heißt es: „Zu unseren wertvollsten vaterländischen Traditionen gehört der nationale Befreiungskampf des deutschen Volkes gegen die napoleonische Fremdherrschaft in den Jahren 1806 – 1815. Mit diesem Ereignis ist der Name Scharnhorsts untrennbar verbunden“ (siehe Scharnhorst der Schöpfer der Volksbewaffnung – Schriften von und über Scharnhorst, Seite 9). Für den „Kriegsphilosophen“ Carl von Clausewitz (1780 -1831) und Autor von „Vom Kriege“ war Scharnhorst der „Vater seines Geistes“ (siehe Wilhelm von Schramm. Clausewitz Leben und Werk, 2. Auflage Januar 1977, Bechtle Verlag, Seite 24). Prof. Jürgen Kuczynski (1904 – 1997) hat einen „nur“ 20 Seiten umfassendes kurzes Lebensbild über den Inhaltsgeber dieses Beitrages vorgelegt. Darin lässt der Autor, Ernst Moritz Arndt, Erinnerungsworte – über deren erste Begegnung (1812) mit dem sechsundfünfzigjährigen General äußern. Arndt über Scharnhorst, „er erinnert ihn immer noch an einen Bauern (…) „Einen solchen Mann mag ich leiden: treu, grad, wahr wie ein Bauersmann, und lustig und fröhlich wie kein anderer. Ich sage Dir (sein Freund Reimer), ich habe lange nicht so Liebes und Tüchtiges gesehen als diesen alten Soldaten“ (siehe Jürgen Kuczynski, Scharnhorst – General des Fortschritts, Aufbau Verlag 1953, Seite 3). Für den DDR – Verteidigungsminister, Armeegeneral Heinz Hoffmann, (1910 – 1985) war Scharnhorst „ein Patriot, der seine Ehre darin sah, an der Spitze des Fortschritts, der militärwissenschaftlichen und militärtheoretischen Entwicklung zu marschieren. Seiner sozialen Herkunft nach ein Bauernsohn, seiner politischen Einstellung ein bürgerlicher Reformer, seiner Haltung und seinem Wirken nach ein Revolutionär, ging er als Schöpfer der Volksbewaffnung und als Organisator der Erhebung gegen Napoleon in die Militärgeschichte ein“ (siehe Heinz Hoffmann, Symbol der Traditionen deutsch – sowjetischer Waffenbrüderschaft, in Heinz Hoffmann, Sozialistische Landesverteidigung Aus Reden und Aufsätzen 1963 – 1970, Band 2, Berlin 1971, Seite 884f.) so der DDR – Viersterne General. Die DDR stiftete 1966 den Scharnhorst Orden, der bis zu ihrer Auflösung 1990 verliehen wurde. Der Langzeit Verteidigungsminister (1960 1985), Armeegeneral H. Hoffmann bekam seinen 1974. Armeegeneral Heinz Hoffmann (1982), Mitglied des Politbüros des ZK der SED und Minister für Nationale Verteidigung. Bundesarchiv, Bild 183-1982-1217-023 / Unknown / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 183-1982-1217-023, Heinz Hoffmann, CC BY-SA 3.0 DE Zum militärischen Neuanfang der Bundesrepublik bekamen die ersten 101 Soldaten der Bundeswehr am 200. Geburtstag ( 12. November 1955) des Militärreformers ihre Ernennungsurkunden überreicht. Einer von den neu Einberufenen war ein Generalleutnant der Wehrmacht; Adolf Heusinger. Im Zweiten Weltkrieg war der Angehörige von am Ende 4 deutschen Armeen unter anderem Chef der Operationsabteilung, wo er mit Hitler mehrfach gemeinsam am Kartentisch stand, um weitere Aggressionen zu beraten und zu planen. Der ehemalige Wehrmachtsgeneral sollte 1957 der erste Generalinspekteur der Bundeswehr werden. Danach führte Heusingers Dienstweg nach Washington D.C., um von 1961 bis 1964 dem NATO Militärausschuss vorzusitzen. Wegen Kriegsverbrechen in der Sowjetunion, forderte sie im Dezember 1961 von den USA vergeblich, den deutschen General auszuliefern. Ein (persönlich) glaubwürdiger Neuanfang sieht anders aus. Die Offiziersschule des Heeres der Bundeswehr in Dresden verleiht an die besten Offiziersanwärter den Scharnhorst Preis. Als Verleihungsbedingungen fordern die Preisverleiher herausragende Leistungen in Taktik, Militärgeschichte und Recht, aber auch Charakterstärke und Führungsqualitäten. Mehrere Bundeswehrkasernen tragen den Namen von Scharnhorst. Doch mit diesem Namen verbindet sich das erste nach dem Ersten Weltkrieg gebaute (1936) Schlachtschiff der deutschen Kriegsmarine, welches nach einem Seegefecht 1943 versenkt wurde. Nicht der erste Warnhinweis: Prominente, vor allem progressive Persönlichkeiten sind nie vor dem Missbrauch durch die Nachgeborenen sicher. In der DDR wurde 1978 unter der Regie von Wolf Dieter Panse mit Horst Drinda in der Hauptrolle eine fünfteilige Fernsehserie „Scharnhorst – Preußens General und Heeresreformer“ produziert. Das Serienprodukt fand auch mit Blick auf die Vorbereitung der Preußen -Ausstellung, 1981 im Berliner Martin – Gropius Bau besondere Beachtung. In den Jahren 1980/1981 kam die DDR – Serie in den Dritten Programmen der ARD zur Sendung; nicht ohne einen kommentierenden bundesdeutschen Nachklapp durch Sebastian Haffner. Aus den obigen Ausführungen ist ablesbar, unabhängig vom jeweiligen Klassenstandpunkt sowie den konträren Klassen – und Parteiinteressen, über das Leben und Werk des prominenten Militärs wurde umfangreich publiziert, diskutiert, geforscht und interpretiert. Beide (geteilten) Deutschländer stritten sich um das militärpolitische und militärtheoretische Erbe von Scharnhorst und der übrigen Heeresreformer. Jede Seite war bemüht dieses in der deutschen Militärgeschichte so seltene Positivum, für sich zu vereinnahmen. Aber auch bis in die Gegenwart sorgt seine Person für wissenschaftliches Interesse und bietet damit für (Militär)Historiker, Autoren und Biografen eine Beschäftigungsgrundlage. Kindheit und Jugend Georg Heinrich Klippel: Das Leben des Generals von Scharnhorst. Leipzig 1871. Foto: René Lindenau. Nun, die preußisch – deutsche Geschichte wollte es so, das mit General Gerhard Johann David von Scharnhorst ein Bauernsohn, der Vater des später oft gerühmten deutschen Generalstabes und die treibende Kraft bei den preußischen Heeresreformen werden sollte. Gerhard entstammte einem niedersächsischen Bauerngeschlecht. Geboren wurde er am 12. November 1755 auf dem Gut Bordenau, nahe Hannover. Seine Eltern waren Ernst Wilhelm Scharnhorst (1723-1782), der mit 20 in ein Dragonerregiment eintrat, seine Mutter, Wilhelmine Tegtmeyer (1728 -1796) war die Tochter eines Rittergutsbesitzers. Gerhard´s Vater war in der Armee zu Ansehen gekommen und kehrte nach seinem Abschied als Wachtmeister / Quartiermeister auf sein Gut zurück, um als alteingesessener Kleinbauer erneut seinen „ländlichen Beschäftigungen“ nachzugehen. In der mehrbändigen Biografie „Das Leben des Generals von Scharnhorst“ nimmt uns sein Autor, Georg Heinrich Klippel, (1801 – 1878) auf eine Reise in seinen Geburtsort mit: Demnach lag Bordenau in einer ausgebreiteten Ebene am rechten Ufer der fischreichen Leine, das von freundlichen Wiesen und Fluren umgeben war, ein Pfarrdorf mit 80 Wohnhäusern und etwa 600 Einwohnern. Über den Vater Ernst Scharnhorst notiert Klippel: „Er war (nach dem Armeedienst) zu einem kräftigen Manne herangereift, und seine, männlich, schöne Gestalt, seine militärische Gewandtheit, verbunden mit einem freundlichen, heiteren Wesen bereiteten ihm, überall wo er erschien eine willkommene Aufnahme“ – so der Biograf. Bei den seltenen Tanzvergnügen warfen vor allem die Mädchen ein Auge auf ihn. Sozusagen Augen und Herzen von Wilhelmine Tegtmeyer und Ernst W. Scharnhorst trafen sich, lernten sich lieben und hegten schließlich den Wunsch zu heiraten. Vorerst jedoch standen „klassenunterschiedliche „Abstandregeln“ einem gemeinsamen Eheglück entgegen: Während Ernst Brinksitzer war und somit mit allen Familienmitgliedern zu täglichen Gesindediensten verpflichtet war, so war Wilhelmine die Tochter eines Rittergutsbesitzers. Klippel reflektiert:: „Besonders Mutter und Tochter (Wilhelmine) gerieten mehrfach in „heftige Streitigkeiten, die einmal in einer Ohnmacht der Tochter endete“. Letztlich siegte die Liebe und am 31. August 1752 traten sie in der Kirche zu Bordenau vor den Traualtar. Glaubt man Klippel, dann war es ein glückliches, wenn auch mühevolles Leben. (siehe Georg Heinrich Klippel, Das Leben des Generals von Scharnhorst, Erster Theil, Erstes und zweites Buch – 1755 bis 1799, Leipzig Brockhaus 1869, Seite 10ff.). Andreas Broicher schreibt in seinem Buch, Scharnhorst habe Zeit seines ganzen Lebens schwer an seiner Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen und seiner äußerst mangelhaften Schulbildung getragen (siehe Andreas Broicher, Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter, Helios Verlag 2005, Seite 11). Daran sollte auch seine Erhebung in den Adelsstand durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1802) nichts ändern. Darüber und über die Kargheit des elterlichen Gutes, das nie genug Gewinn abwerfen sollte, sollte später preußischen Gardeoffizieren Anlass geben diese notwendige Lebensgrundlage der Familie als „Klitsche“ zu verunglimpfen und sich über die niedrige Herkunft des – Neupreußen zu mokieren. Doch ehe er in das preußische Heer eintrat (1801), vergingen noch etliche Jahre, die nicht gerade geradlinig verliefen – so wie sein ganzes Leben. Zunächst war da die Kindheit. Laut dem Autor der Scharnhorst Biografie von Klaus Hornung, wird Gerhard als „heiterer und lebendiger Knabe“ geschildert, er war der Liebling der einfachen und sanften Mutter“ . Bedingt durch den finanziell – materiell geringen Status seiner Eltern blieb der Grad seiner Bildung in der Bothmer Dorfschule, wo man damals lebte, auf kleiner Temperatur. Der Pfarrer erkannte jedoch die Wissbegier, die Begabungen und Talente des Jungen und drängte auf eine bessere Bildung. Erschwerend kam noch hinzu, das die Zahl der Kinder bald auf fünf angewachsen war. Aber „beim Pfarrer konnte der Knabe Bücher ausleihen, vor allem geschichtliche Werke und Flugschriften über den Siebenjährigen Krieg und den Österreichischen Erbfolgekrieg haben es ihm angetan. Kameraden des Vaters, die noch den Krieg des Preußenkönigs in der verbündeten hannoveranischen Armee mitgemacht hatten, erwecken mit ihren Erzählungen das wachsende Interesse des Knaben an militärischen Dingen“. Dem setzt Hornung hinzu: „Wie schon dem Vater blieb für den Sohn „kleiner Leute“ der Ausbruch in die Welt und der soziale Aufstieg nur über den Soldatenstand“ (siehe Klaus Hornung, Scharnhorst Soldat Reformer – Staatsmann, Bechtle Verlag 1997, 2. Auflage 2001, Seite 17/18). Väterlicherseits sollte der Sohn eigentlich das elterliche Gut übernehmen zu dessen Unterhalt er schon in seiner frühen Jugend beitragen musste, statt den Soldatenberuf zu ergreifen. Aber es ließ sich nicht länger leugnen, Scharnhorst zog es in die Armee. Mit Erlaubnis des Vaters kam quasi eine – Lerngemeinschaft – mit dem pensionierten Hauptmann Falcke (60) und Gerhard (16) zustande. Georg H. Klippel veranschaulicht das gemeinsame Lernen der beiden in seiner Biografie.: Der dürftige Unterricht in der Dorfschule hatte zu viele Defizite und Lücken hinterlassen, die es aufzufüllen galt. Mit Falcke traf er sich einige Male in der Woche. Und: Der Zögling „las mit beharrlichen Fleiße alle Bücher ohne Auswahl, die ihm der Zufall in die Hände spielte. (…). Vor allem suchte er sich aber, die gänzlich unbekannten mathematischen Kenntnisse, welche ihm mit Recht zu seinem künftigen Berufe unentbehrlich erschienen, zu verschaffen“ (siehe Georg Heinrich Klippel, Das Leben des Generals von Scharnhorst, Erstes Buch, Drittes Kapitel, Leipzig Brockhaus 1869, Seite 34/35). Als eine sich auf das Leben der Familie Scharnhorst günstig auswirkende Zäsur erwies sich der Gewinn eines langwierigen Rechtsstreites (1772) durch Ernst Wilhelm um das Erbe seiner Frau Wilhemine (geb.Tegtmeyer). Denn damit verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der Familie und dem Eintritt des ältesten Sohnes (Gerhard) in die nahegelegene Ausbildungsstätte des Ingenieur – und Artilleriekorps des Grafen Wilhelm Schaumburg Lippe auf Wilhelmstein stand nichts mehr im Wege – so bringt es der Verfasser von Studien zu Scharnhorsts Biographie und Rezeption zu Papier (siehe Heinz Stübig, Gerhard von Scharnhorst – preußischer General und Heeresreformer, Studien zu seiner Biographie und Rezeption, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009, Seite 12). Ausbildung in Wilhelmstein Anton Wilhelm StrackAfter Johann Georg Ziesenis artist QS:P170,Q4233718,P1877, Q655329, Wilhelm Friedrich Ernst zu Schaumburg-Lippe by Anton Wilhelm Strack after Johann Georg Ziesenis, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons Seine ersten militärischen Sporen verdiente sich Scharnhorst also in der von Graf Wilhelm zu Lippe Schaumburg errichteten Militärschule auf dem Wilhelmstein. Das Land dafür, rang der Graf dem Steinhuder Meer ab. Hinter dem Grafen Lippe Schaumburg (1724 – 1777) verbarg sich ein bedeutender Militärtheoretiker, der mit der feldherrlichen – Teilnahme am Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) aufwarten konnte. In dem Buch „Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter gibt der Autor, Andreas Broicher, seinen Lesern bekannt, „der Graf prüfte jeden neu aufzunehmenden Schüler selbst und fand sehr bald heraus, das in diesem jungen Menschen (Scharnhorst) ungeahnte Gaben schlummerten, die nur darauf warten, geweckt und entwickelt zu werden“ Ferner schildert der schreibende Brigadegeneral a. D. Broicher, den Grafen als „aufgeklärten, weltoffenen Edelmann“. Angemerkt: Während seiner Regentschaft hatte der Landesherr den Anspruch, Schaumburg – Lippe zu einem „Versuchslabor der Aufklärung“ zu machen. Und: „An der Seite von Friedrich den Großen befehligte er zeitweilig dessen Artillerie, die der Graf meisterlich einzusetzen verstand. So erwarb er sich bald den Ruf eines Artilleriefachmannes und avancierte zum „Kanonengrafen“ (siehe Andreas Broicher, Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter, Helios Verlag 2005, Seite 21ff.). Der Militärtheoretiker Graf Schaumburg – Lippe strebte an, die Verteidigung seines Landes zur Sache aller Bewohner zu machen und dachte schon damals an eine Landwehr sowie an einen Heimatschutz – ein Vorreiter der Scharnhorstschen Heeresreform in Preußen? Denn immerhin realisierte der „Lehrer von Scharnhorst“ in seinem „Miniaturstaat“ schon eine Militärreform. Dazu gehörten das Eintreten für die Wehrpflicht und die Abschaffung der Prügelstrafe. Zum Ausbildungsprofil der Lehranstalt gehörte es vorrangig Artilleristen und Ingenieuroffiziere diensttauglich zu machen. Die Wilhelmsteiner Lehrjahre von Scharnhorst währten von 1772 bis 1776. Für den Offiziersanwärter war dieser Zeitabschnitt am Steinhuder Meer prägend. Der niedersächsische Militärschüler konnte nicht nur seinen militärischen Bildungshorizont erweitern, seine Allgemeinbildung konnte er gleichfalls wesentlich verbessern. Aber es war ein steiniger Weg. Denn die Leistungskurve des Kadetten gestaltete sich als recht durchwachsen. Anfänglich tendierte er zum Mittelmaß. Mit Willenskraft und Fleiß konnte der Eleve jene Leistungskurve beständig nach oben drehen. Unmittelbar vor seinem Tod (1777) nahm der Graf, Scharnhorst die letzten Examen ab. Der Geprüfte beendete das „Wilhelmsteiner Bildungserlebnis“ (Stübig) mit einer hervorragenden Bewertung: Scharnhorst erhielt mit Ausnahme der Übersetzungen die mit „ziemlich gut“ beurteilt wurden, die beste beste Note „gut“ (siehe Heinz Stübig, Gerhard von Scharnhorst – preußischer General und Heeresreformer, Studien zu seiner Biographie und Rezeption, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009, Seite 27f.). Am Ende verließ Scharnhorst Wilhelmstein als einer der besten Absolventen. Die ersten Dienstjahre Nach Wilhelmstein trat er als Fähnrich 1878 im kurhannoverischen Reiterregiment von General Emmerich Otto August Estorff in Northeim bei Göttingen seinen ersten Dienstposten an, wo schon sein Vater gedient hatte. Frühzeitig erkannte sein neuer Chef das militärpädagogische Talent des 23jährigen. Daraufhin erfolgte alsbald Scharnhorsts Versetzung an den Lehrertisch, um Offiziere und Offiziersanwärter des Regiments zu „belehren“. Mit großem Eifer ging der – Neulehrer – an diese Arbeit. Nach Broicher erstellte er die Stoffpläne und schloss in regelmäßigen Abständen seine Ausbildung mit Prüfungen ab. Seinen Eltern eröffnete er in einem Brief: „Ich arbeite gern so, das in wesentlichen Stücken, es niemand übertreffen soll – nach der überlegten Methode des hochseligen Grafen (Schaumburg – Lippe)“ (siehe Andreas Broicher, Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter, Helios Verlag 2005, Seite 29). Die Beförderung zum Leutnant der Artillerie erhielt der Lehroffizier 1782. Ergänzt: „Als Leutnant bezog er er ein Jahreseinkommen von 32 Talern und 11 Pfennigen, nur die Zuschüsse aus Bordenau sowie Einnahmen aus literarischen Arbeiten erlaubten ihm ein gesichertes wenn auch bescheidenes Leben“ (siehe Hansjürgen Usczeck, Militärgeschichtliche Skizzen, Gerhard von Scharnhorst, Militärverlag der DDR 1988, Seite 8). Überhaupt sollte die militärische Bildung Zeit seines gesamten Soldatenlebens eine herausragende Rolle spielen, ob in der Lehrtätigkeit in der Regimentsschule, der Kriegsschule Hannover, der Artillerieschule oder als Direktor der Preußischen Kriegsakademie. Als Scharnhorst an der Artillerieschule lehrte begab es sich, das Adolph Freiherr von Knigge ihren Standort bereiste. Die entsprechenden Briefe (n) seiner Reise durch Lothringen und Niedersachsen erschienen 1792. Die folgende Notiz über Scharnhorst hat Knigge darin eingetragen: „Unter den geschickten bey dessen Militair Schulen angesetzten Lehrern muß ich Ihnen den Hauptmann Scharnhorst nennen, den ich seiner gründlichen Kenntnisse, seiner edlen Bescheidenheit und seines sanften Charakters wegen gleich hoch schätze“ (siehe Adolph Freiherr Knigge, Reisen, Literatur, Herausgeber Wolfgang Fenner, Hannover 1992.(Ausgewählte Werke in zehn Bänden, Band 4), Seite 77). Wo Scharnhorst der unmittelbare – Bildungsverantwortliche – war, (wie hier) schien es ja zu laufen. Aber sonst: „Der missliche Bildungszustand es Offizierskorps zwang auch dazu, Anstrengungen unternehmen, um diese Mängel zu beheben. Schon 1782 attestierte der „Gelehrte in Uniform“: „Man hat immer bemerkt, das die die meisten Familien ihre unfähigsten Söhne zu Offizieren bestimmten, man hat eine eine Menge Offiziere gesehen, welche unfähig zu den Verrichtungen eines Offiziers waren, man hat Offiziere gesehen, die weder Schreiben noch Rechnen konnten“ (siehe Militärbibliothek, 1782). In „Scharnhorst Geist und Tat“ von Siegfried Fiedler ist dazu folgendes Zitat von ihm zu lesen: „Der Mann ohne Bildung ist ein wahres Vieh, ein grausames Tier“ (siehe Siegfried Fiedler, Scharnhorst Geist und Tat, Verlag Schild 1958, Seite 155). Und die Niederlage Preußens (1806) wertete er bezogen auf die Offiziere in einem Brief (7. November) so: „Unsere höhern Offiziere wissen nicht zu kommandiren; nur wenige sind an ihrer Stelle brauchbar“ (siehe Heinz Stübig, Gerhard von Scharnhorst – preußischer General und Heeresreformer, Studien zu seiner Biographie und Rezeption, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009, Seite 17). Der Historiker Rudolf Stadelmann gab in diesem Zusammenhang dem „Großen Schweiger“ und, Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke (1800 -1891) das Wort, um über die Bemühungen Scharnhorsts zur Verbesserung des Bildungsniveaus des Offizierskorps zu urteilen: Die von Scharnhorst eingeleiteten Maßnahmen das Bildungsniveau der Armee ganz allgemein anzuheben, zeitigten sehr schnell positive Ergebnisse. Im Winter 1828/29 waren an der Universität, die der spätere preußische Generalstabschef damals besuchte, fast ein Drittel Offiziere gewesen (siehe Rudolf Stadelmann, Moltke und der Staat, Scherpe, Krefeld 1950, Seite 13). Aber Scharnhorst verstand sich nicht nur als Lehrender, sondern auch als Lernender. Darüber unterrichtet Broicher den Leser: „Während seiner Lehrtätigkeit an der Artillerieschule entfaltete Scharnhorst ein überaus intensives und fruchtbares militärwissenschaftliches Studium, das seinen Niederschlag unter anderem in der „Militärbibliothek“ fand. Er studierte mit besonderem Eifer den Siebenjährigen Krieg und schulte bei sich auf diese Weise das systematische Herangehen an einen kriegsgeschichtlichen Stoff“ (siehe Andreas Broicher, Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter, Helios Verlag 2005, Seite 33). Ebenso hat sich der Militär auch zivile Bildungswege eröffnet, wobei er die Welten der Literatur, Philosophie und Musik für sich entdeckte. Im Jahr 1783 unternahm Scharnhorst durch Bayern, Sachsen, Österreich, Baden und Preußen eine militärische Studienreise, wobei das bayerische Militär in seinen Berichten nicht gut wegkam. Sein Lerneifer, seine Studien und Denkschriften, der Briefwechsel mit den Obristen Nicolai und Tempelhof sowie die Beteiligung an militärwissenschaftlichen Debatten und der Diskussion von fachspezifischen Fragestellungen mögen mit dazu beigetragen haben, das der Offizier im Laufe der Jahre zu einem der bedeutendsten Militärschriftsteller und Militärtheoretiker seiner Zeit heranwuchs. Im Juli 1801 rief Scharnhorst (ferner in Berlin) eine „Militärische Gesellschaft“ zu gemeinsamem Gedankenaustausch über eine zeitgemäße Armee und Kriegführung ins Leben“ (siehe Walter Görlitz, Geschichte des deutschen Generalstabes 1650 – 1945, Bechtermünz Verlag, Seite 27). Sie verstand sich als Diskussionsforum über das Kriegswesen und war für sämtliche preußische Offiziere aller Ränge und Waffengattungen zugänglich. Die Gesellschaft gilt heute als Keimzelle der preußischen Heeresreform. Soviel vorab zu seiner Preußenzeit. Der Militärschriftsteller Den schriftlichen Ausdruck seiner Gedanken und Vorstellungen fixierte Scharnhorst in einer Unmenge von Lesematerial. Sie allein spricht für die ungeheure Arbeitsintensität seines kurzen (57 Jahre) Lebens. Auf der Liste seines umfangreichen schriftlichen Nachlasses findet sich unter anderem ein Handbuch der Artillerie ( Hannover, 1804, 1807, 1814). Hinzu kam mittels seiner Feder die Verfassung des Handbuches der Offiziere zustande. Im Weiteren erschien das Militärische Taschenbuch zum Gebrauch im Felde (1792). Ferner trat Scharnhorst als Herausgeber der Militärbibliothek (1782 -1785), der Bibliothek der Offiziere (1785 – 1788), des Neuen Militärische Journals (1788 – 1805) sowie der Militärischen Denkwürdigkeiten ( 5 Bände, Hannover 1797 – 1805) hervor. Erwähnt gehört zudem das Buch „Über die Wirkung des Feuergewehrs“ (1813). Wenig schmeichelhaft ging der Historiker Theodor Schieder (1908 – 1984) (nicht auf den Inhalt seiner Werke bezogen) mit dem Militärschriftsteller General Scharnhorst um „Die Mängel ungeregelter Schulbildung konnte er nie ganz ausmerzen. Auch als damals größter Militärschriftsteller verlor er doch nie eine gewisse Schwerfälligkeit und Unbeholfenheit des Ausdrucks. Neben der rhetorischen Glut eines Gneisenau oder der Geistigkeit seines Schülers Clausewitz wirkt der Stil seiner Schriften und noch mehr seiner Briefe wie schwere niedersächsische Bauernrede“ (siehe Die großen Deutschen Band 2, Theodor Schieder, Gerhard David von Scharnhorst, Prisma Verlag, Seite 404). Die Feuerprobe Nun der militärische Lebenslauf der Titelfigur dieses Textes bestand nicht nur aus Lehre / Militärpublizistik und „Papierkriegen“. Den Bauernsohn zog es auch auf des Feld der Ehre. Seine Feuertaufe erlebte der Stabskapitän während des Ersten Koalitionskrieges. An der Spitze einer reitenden Batterie der hannoverschen Armee nahm er an den Feldzügen in Flandern und in Holland (1793 -1795) teil. Broicher schreibt dazu: „Endlich konnte er seine Qualitäten in der Menschen- und Truppenführung beweisen“ (siehe Andreas Broicher, Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter, Helios Verlag 2005, Seite 37). Und er sollte sich mit Bravour schlagen. Das hinderte Scharnhorst allerdings nicht über die Schrecknisse des Krieges hinwegzusehen. An seine Frau Klara (Heirat 1785) schrieb er am 24. Mai 1794: „Ich bin nicht zum Soldaten gemacht: Ohne Schwierigkeiten ertrage ich die Gefahr, aber der Anblick der unschuldigen jammernden Menschen im Blute neben mir, das Feuer der brennenden Dörfer, von Menschen zum Vergnügen angelegt, die übrigen Gräuel der allgemeinen Verwüstung bringen mich in Wut und in eine mir unerträgliche Stimmung“ (siehe Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte Schriften, Herausgegeben von Hansjürgen Usczeck und Christa Gudzent, Militärverlag der DDR 1986, Seite 75). Zur unmittelbaren Kriegsbeteiligung von Scharnhorst lässt sich sagen: Seine Batterie erwarb sich in der Armee rasch Anerkennung. Er selbst zeichnete sich insbesondere in unübersichtlichen Gefechtssituationen aus, indem er die Lage dennoch schnell erfasste. Eine außerordentliche Leistung vollbrachte Scharnhorst bei der Verteidigung der Festung in Menin. Hier war es ihm gelungen mit 2.000 Hannoveranern aus der Festung auszubrechen, die von einer zehnfachen französischen Überlegenheit belagert war. Gewürdigt wurden seine Verdienste im ersten aktiven Kriegsdienst mit der Beförderung zum Major, mit der Verleihung eines Ehrensäbels und der Berufung in den hannoverschen Generalstab des Grafen General Wallmoden. In seinem neuen Wirkungskreis ging der Berufene daran, die Erfahrungen im letzten Kriege auszuwerten, die auch in seinem Erlebniskatalog eingeschrieben waren. Aus den dabei angestellten Analysen und Studien resultierte eine Generalstabsarbeit von „hoher Qualität“ – so die Einschätzung des Buchautors A. Broicher, der bei der Bundeswehr selbst eine Generalstabsausbildung durchlaufen hatte. Jene Ausarbeitung die „Entwicklung der allgemeinen Ursachen des Glücks der Franzosen in dem Revolutionskriege und insbesondere in dem Feldzuge 1794“ gelangte damals im Militärischen Journal zur Veröffentlichung (siehe Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte militärische Schriften, Herausgegeben von Hansjürgen Usczeck und Christa Gudzent, Militärverlag der DDR 1986, Seite 97). Schon der erste Satz darin lässt aufhorchen: „Die Quellen des Unglücks welches die verbündeten Mächte in den französischen Revolutionskriege betroffen hat, muss mit ihren inneren Verhältnissen und denen der französischen Nation verwebt sein“. Schon 1798 prophezeite er: „Wir werden erst siegen können, wir gelernt haben, so wie die Jakobiner den Gemeingeist wecken. Wenn man mit derselben Tatkraft und Rücksichtslosigkeit alle Hilfsquellen der Nation mobil machen wird, ihre Leiber, ihr Vermögen, ihren Erfindungsgeist, ihre Hingabe zu dem Heimatboden und nicht zuletzt ihre Liebe zu den Ideen“ (siehe ZEIT Geschichte, Heft 4/2018, Die Deutschen und ihre Soldaten, Der stille Revolutionär, Gerd Fesser, Seite 28). Das heißt; Scharnhorst hatte eher als andere begriffen bei einer militärischen Auseinandersetzung mit Napoleons Heeren ging es nicht nur um verschiedene Arten der der Kriegsführung, es stehen sich auch verschiedene Gesellschaftsformationen und Denkmodelle gegenüber. In preußischen Diensten prägte der Reformer in dem „Bruchstück aus Theorie und Erfahrung“ (1804) diese Sätze ein: „Wenn ein Offizier vom Generalquartiermeisterstab in Friedenszeiten eine gute militärische Bildung erhalten hat, so wird er im Kriege in kurzer Zeit in allen Fächern brauchbar sein; aber ohne eine gute Bildung in Friedenszeiten wird nie ein Offizier vom Generalquartiermeisterstab im Kriege etwas Vorzügliches leisten. (…) Ich habe es oft gesehen, wie armselig, diejenigen an Hülfsmitteln sind, welche nur aus den selbst gesehenen Tatsachen ihre Belehrung ziehe, wie unentschlüssig und furchtsam sie sind, etwas zu tun, was die Natur der Sache erfordert, aber nicht in ihrer Laufbahn vorgekommen ist. Solche Leute wissen nicht, was man im Kriege wagen muß, sie machen durch Erinnerung hundert möglicher, nicht wahrscheinlicher Unglücksfälle den General, bei dem sie attachiert sind, unruhig; sie wagen vielleicht nie eine kühne Idee, weil kein ähnlicher Fall aus der Geschichte mit Glück gekrönt, ihnen das nötige Selbstvertrauen gibt“ (siehe Ursula von Gersdorff, Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte Schriften, Herausgeber Militärgeschichtliches Forschungsamt, Biblio Verlag Osnabrück 1983, Seite 149). Diese Haltung dürfte als der roter Faden gelten, der die gesamte Militärlaufbahn des so rührigen und äußerst arbeitsintensiv auftretenden Offiziers durchzogen hat. Der Wechsel Ausgehend von seinen Kriegserfahrungen und seinem Kenntnisstand drängte Scharnhorst auf Veränderungen in der Armee Hannovers. Vor diesem Hintergrund sind die beiden Denkschriften zu nennen, die er im Mai 1796 vorlegte. Inhaltlich äußerte er sich dabei über Bildung eines Generalstabes und die Reorganisation der reitenden Artillerie. Nachdem Scharnhorst aber lange vergeblich in der hannoverschen Armee für Reformvorschläge geworben hatte und er nicht zuletzt größere Karrierechancen im preußischen Heer sah, entschloss er sich nach 23 Jahren einen Uniformwechsel anzustreben. In einem Brief an Graf Wallmoden ersuchte Scharnhorst am 3. Mai 1801 um die Entlassung aus Hannovers Armee (siehe Schriftenreihe Innere Führung, Beiheft 371985 zur Information für die Truppe, Demokratische Profile, Scharnhorst Ausgewählte Briefe und Schriften, Seite 94). Man muss jedoch auch dazu sagen, die Preußen machten Scharnhorst schon am 6. März 1797 das erste Angebot, zu ihnen überzulaufen -. Als Oberstleutnant trug er letztlich ab1801den preußischen Uniformrock. Georg H. Klippel benennt den Eintritt Scharnhorsts als den letzten, zwar kürzesten, aber an Sorgen und Mühen gleichviel an Einfluß, Verdienst und Ruhm reichsten Abschnitt seines wechselvollen Lebens (siehe Georg Heinrich Klippel, Das Leben des Generals von Scharnhorst, Fünftes Buch, Erstes Kapitel, Brockhaus Leipzig 1871). Der Dienstantritt in Preußen war ihm durch die „geschniegelten Paradeoffiziere mit Adelsprivileg“ anfangs nicht gerade leicht gemacht worden. Trotz hervorragender Leistungen als Militärschriftsteller, in der Lehre und an den Fronten, erlebte er oft einzig wegen seiner bäuerlichen Herkunft Schmähungen und Zurücksetzungen. Schließlich wusste der schon – Längerdienende sich auch hier mit seiner Kompetenz durchzusetzen und Vertrauen zu gewinnen. Überschattet wurden die ersten preußischen Jahre von einem privaten Verlust. Scharnhorsts Frau und Mutter seiner Kinder, Klara (geb. Schmalz; 1762), war am 12. Februar 1803 gestorben. An ihrem Todestag richtete der Witwer einen Brief an einen hannoverschen Freund. Darin schrieb er: „Wenn es auf innere Güte des Herzens ankam, aufs Gefühl für Leiden anderer, so übertraf sie ihre Nebenmenschen, aber sie war selbst dabei nicht glücklich; von trauriger Gemütsart floh sie alle Freuden“ (siehe Heinz Stübig, Gerhard von Scharnhorst – preußischer General und Heeresreformer, Studien zu seiner Biographie und Rezeption, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009, Seite 15). In seiner „Laudatio auf Scharnhorst“ (1842) schrieb der Pädagoge und Naturkundler, Hermann Masius hierzu: „(…) es waren Tage der Trauer gekommen, in denen nur wenig gefehlt hätte, und Scharnhorst wäre zerbrochen, so dass beinahe nie mehr seine Tüchtigkeit und Weisheit leuchtender erstrahlt wäre“. Als Enttäuschung erlebte Scharnhorst das man ihn während der Kämpfe um Ostpreußen dem Korps des greisen General Anton von L´ Estoq als Führungsgehilfe zuteilte. Ein Mann von dem Oberst Scharnhorst gar nichts hielt, er war für ihn eine „Null“ (siehe Heinz Stübig, Gerhard von Scharnhorst – preußischer General und Heeresreformer, Studien zu seiner Biographie und Rezeption, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009, Seite 17). Der Erfolg der preußisch – russischen Truppen in der Schlacht von Preußisch -Eylau (1807) war im wesentlichen sein Verdienst. Dafür wurde ihm der höchste Orden Pour le Mérite verliehen. Aber Freude bei dem so Geehrten, Fehlanzeige: „Kein Tag ist mir fataler gewesen als der, an dem ich ihn erhielt“. Eine Kurzintervention der preußischen Königin Vergegenwärtigen wir uns diese bemerkenswerte Zeilen von der preußischen Königin Luise, die sie im April 1808 ihrem Vater in einem Brief mitteilte: „Für mein Leben hoffe ich nichts mehr…Die göttliche Vorsehung läutet unverkennbar neue Weltzustände ein und es soll eine andere Ordnung der Dinge sein, da die alte sich überlebt hatund zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich des Großen… Es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten…deshalb bin ich in der Hoffnung, dass auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird“ (siehe Christian Graf von Krockow, Porträts berühmter deutscher Frauen von Königin Luise bis zur Gegenwart, List Taschenbuch 2004, Seite 46). Die Heeresreform Scharnhorst (5. von links) als Vorsitzender der Heeres-Reorganisationskommission. Carl Röchling artist QS:P170,Q473400, Reorganisation, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons Die vielfältigen Erfahrungen, die Scharnhorst zuvor in der Armee Hannovers und nachfolgend in Preußens Heer gemacht hat, legten den notwendigen Reformbedarf offen. Der neue Mann in Preußens Heer war nunmehr mit dem schlechten Zustand der hiesigen Armee konfrontiert. Aber nach der verheerenden Niederlage der Preußen in der Doppelschlacht von Jena/Auerstedt (14. Oktober 1806), die ihnen der „korsische Welterstürmer“ (Ernst Moritz Arndt) beigebrachte, lag nicht nur die Armee am Boden, sondern der Gesamtstaat war in eine Existenzkrise geraten. Reformen wurden in der Bauernbefreiung, in den Kommunen, in der Verwaltung, in der Bildung und letztlich im Heer angestrebt und durchgesetzt. Durch König Friedrich Wilhelm III. wurde er nach dem Frieden von Tilsit am 17 Juli 1807 zum damals jüngsten Generalmajor befördert. Tage später, am 25. Juli entschied der König über gleich drei Anschlussverwendungen für den Jung General -: Chef des Kriegsdepartements (Kriegsministerium), Chef des Generalstabes und Vorsitzender der Militär – Reorganisationskommission. Als Vorsitzender der Kommission wurde er durch die Offiziere Gneisenau, Grolmann, Boyen, Clausewitz unterstützt. Ihre Zielsetzung bestand darin, das preußische Heer soweit zu ertüchtigen, das es in einem Befreiungskrieg gegen Napoleon erfolgreich bestehen kann. Zu Beginn des Reformprozesses wurde das Kommandeurspersonal der Armee im vergangenen Krieg auf Fehlentscheidungen und auf Feigheit durchleuchtet. Darauf geht Jürgen Kuczynski ein: „Die preußische Armee, die 1813 in den Krieg zog, war eine neue Armee, sachlich und personell völlig verschieden von der Lodderarmee von 1806. Von den 143 Generälen der Armee von 1806 waren nur noch 8 im Jahre 1812 aktiv, und von diesen wiederum hatten nur zwei, Blücher und Tauentzien, ein Kommando während der Freiheitskriege“ (siehe Jürgen Kuczynski, Scharnhorst – ein General des Fortschritts, Aufbau Verlag Berlin 1953, Seite 15). Zu diesem Zweck wurde am 27. November 1807 eine Untersuchungskommission eingesetzt. Ein vordringliches Anliegen der Heeresreformer, war die Abschaffung aller körperlichen Züchtigungen. In einem Brief (3. Juli 1808) an den Reichsfreiherrn von Stein formulierte Scharnhorst seine Gedanken über die Abschaffung der Prügelstrafe. Hier ein paar Zeilen daraus: „Wir sind nicht für Stockschläge gewesen, weil sie den Zustand des Soldaten in der allgemeinen Meinung zu dem unglücklichsten aller Menschen – Klassen gemacht haben. Jeder meint, sobald man Soldat sei, könne man ohne bedeutende Ursache halb zu Tode geprügelt werden. Dazu kömmt nun noch, daß bei Erwachsenen die körperlichen Strafen entehrendsten sind; ein Offizier, der einen Schlag bekommen, kann nicht dienen. Im Zivil wird ausgepeitscht, der nicht die entehrendsten Verbrechen begangen hat (…) (siehe Ursula von Gersdorff, Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte Schriften, Herausgeber Militärgeschichtliches Forschungsamt, Biblio Verlag Osnabrück 1983, Seite 261). Der Mitreformer, General August Wilhelm Neidhardt Anton Graf von Gneisenau verwandte hierzu in einem Zeitungsartikel von Der Volksfreund vom 9. Juli 1808) den Begriff von der „Freiheit des Rückens“. Man hält es hier und immer noch unmöglich, bei dem deutschen Kriegswesen die Stock – und Spitzrutenstrafe abzuschaffen. Während die Milde unserer Gesetzgebung den Händen der Fronvögte den Stock entwindet, während unser Strafkodex nur noch den Diebstahl mit Schlägen bei gemeinen Verbrechern belegt; während ein Stockschlag in allen Ständen für empörende Beschimpfung gilt, will man im ehrenvollsten aller Vereine eine Bestrafung noch beibehalten wissen, welche so sehr den Begriffen des Zeitalters widerstrebt“ (siehe August Wilhelm Anton Neidhardt von Gneisenau, Ausgewählte militärische Schriften, Herausgegeben von Gerhard Förster und Christa Gudzent, Militärverlag der DDR 1984, Seite 115f). Weitere Bausteine im Reformhaus der preußischen Reformarchitekten um General Scharnhorst war die Durchsetzung eines neuen Bildungskonzepts für die militärischen Lehranstalten, die Einführung der Wehrpflicht, die Aufhebung des Adelsprivilegs beim Zugang zu Offiziersstellen und die generelle Umstellung der Truppenausbildung. Künftig sollte mehr auf Feldübungen, sowie auf eine moderne Schießausbildung Wert gelegt werden. Und: „Die alte Strategie und Taktik der friderizianischen Armee wurde über Bord geworfen“ (siehe Jürgen Kuczynski, Scharnhorst – ein General des Fortschritts, Aufbau Verlag Berlin 1953, Seite 17 ). Die Freiheitskriege Am 5. Januar 1813 schrieb der Generalfeldmarschall Blücher an seinen Freund Scharnhorst: Mich juckt´s in alle Finger, den Säbel zu ergreifen“. Wenig später, am 27. März 1813 erklärt schließlich der zögerliche König Friedrich Wilhelm III. („Pazifist auf dem Thron“) von Patrioten wie Scharnhorst und Hardenberg bedrängt, Frankreich den Krieg (siehe Die große Chronik der Weltgeschichte Band 12, Neuordnung Europas und Restauration 1793 1849, Chronik Verlag, Seite 16). Scharnhorst-Denkmal in Bordenau. Scharnhorst Bordenau-Alexander Tondeur, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons Scharnhorst diente bei Ausbruch der Freiheitskriege gegen Napoleon unter dem Oberbefehl des „Marschall Vorwärts“ (Gerhard L. Blücher) als Generalquartiermeister (Generalstabschef). Blücher und er forderten vergeblich eine energischere Kampfweise. Im März 1813 stieg Scharnhorst noch um einen Generalsrang auf und wurde Generalleutnant. Über den Mann, der in den Vorjahren so viel für die militärische und organisatorische Neuerfindung des preußischen Heeres getan hat, hinterließ Generalfeldmarschall Hermann von Boyen, uns diese Darstellung -: „Ein glühender Haß gegen Napoleon und Frankreich kochte (…) in diesem anscheinend (…) schläfrigen Körper und gab ihm die Kraft, zur Erreichung seines Zweckes gegen Kabalen und Undank zu kämpfen“. Die Freiheitskriege währten von 1813 bis 1815. Mehrere Feldzüge und Schlachten waren notwendig, um der Kriegsmaschine Napoleons Einhalt zu gebieten. Das Soldatenschicksal von Scharnhorst hatte so entschieden, dass er zum Zeitpunkt des Sieges über den Kaiser der Franzosen nicht mehr am Leben war. Schon in im ersten Akt des „Kriegstheaters“ in Großgörschen bei Leipzig (2. Mai 1813) wurde der Schlussakkord von Scharnhorsts Soldatenleben eingeläutet. Bei diesen Kämpfen wurde Scharnhorst schwer am Bein verwundet. Infolge unzureichender medizinischer Versorgung sollte sich die Wunde infizieren. Ohne sich zu schonen, brach er zu einer diplomatischen Mission nach Wien auf, um Österreich zum Anschluss an das russisch preußische Bündnis gegen Napoleon zu bewegen. Dabei verschlimmerte sich sein Zustand. Aus einem Brief (21. Mai) an seine Tochter sind jene Worte überliefert: „Alle 7 Orden und mein Leben gäbe ich für das Kommando eines Tages“ (Hansjürgen Uczeck, Gerhard von Scharnhorst, Militärgeschichtliche Skizzen, Militärverlag der DDR 1988, Seite 52). Das gewünschte Kommando erhielt dann der Tod, der ihm das Leben. So starb der niedersächsische Bauernsohn als preußischer Generalleutnant mit Adelspatent in der „Goldenen Stadt“ Prag. Das war am 28. Juni 1813. Epilog Scharnhorst-Orden der DDR. Die höchste militärische Auszeichnung der NVA. 西部方面奇行師団長, Bartel0012c2, CC BY-SA 3.0 Erinnern wir uns, wie General Carl von Clausewitz auf den Tod seines Freundes General von Scharnhorst reagierte. Clausewitz an seine Frau: „ (…). Du wirst schon die Gewißheit seines Todes haben. Du kannst denken, wie traurig ich bin. Ob er gleich für die Armee, für den Staat und Europa unersetzlich ist, so kann ich doch an alles dies kaum denken, und ich verliere in diesem Augenblick nur den teuersten Freund meines Lebens, den mir nie ein anderer ersetzen kann, der mir immer fehlen wird. Ich kann nicht beschreiben, wie tief ich mich von Rührung und Trauer und Wehmut ergriffen fühle. Es ist ihm gewiß schwer geworden von der Welt zu scheiden, denn es ist ihm gewiß manche Lieblingsidee unerfüllt geblieben, und das ist es, was mich so wehmütig macht…“ (Peilau, 30. Juni 1813 (siehe Wilhelm von Schramm, Clausewitz Leben und Werk, Bechtle Verlag, 2. Auflage Januar 1977, Seite 431). Autor: René Lindenau Literatur Jürgen Kuczynski, Scharnhorst – General des Fortschritts, Aufbau Verlag 1953 Georg Heinrich Klippel, Das Leben des Generals von Scharnhorst, Leipzig Brockhaus 1869/1871 Klaus Hornung, Scharnhorst Soldat Reformer – Staatsmann, Bechtle Verlag 1997, 2. Auflage 2001 Heinz Stübig, Gerhard von Scharnhorst – preußischer General und Heeresreformer, Studien zu seiner Biographie und Rezeption, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009 Andreas Broicher, Gerhard von Scharnhorst Soldat – Reformer – Wegbereiter, Helios Verlag 2005 Die großen Deutschen Band 2, Theodor Schieder, Gerhard David von Scharnhorst, Prisma Verlag Schriftenreihe Innere Führung, Beiheft 371985 zur Information für die Truppe, Demokratische Profile, Scharnhorst Ausgewählte Briefe und Schriften Ursula von Gersdorff, Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte Schriften, Herausgeber Militärgeschichtliches Forschungsamt, Biblio Verlag Osnabrück 1983 Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte militärische Schriften, Herausgegeben von Hansjürgen Usczeck und Christa Gudzent, Militärverlag der DDR 1986 Hansjürgen Usczeck, Militärgeschichtliche Skizzen, Gerhard von Scharnhorst, Militärverlag der DDR 1988 WDR Zeitzeichen: General und Militärreformer Preußens: Gerhard von Scharnhorst

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