Geschichten von Handel und Gewerbe im Lützow-Viertel (4): Die Meierei Bolle

Unter der Rubrik “Handel und Gewerbe im Lützow-Viertel” stellt Prof. Dr. Paul Enck heute die Meierei Bolle vor. Die Langversion der Geschichte können Sie im Kiez-Blog mittendran – Nachrichten für Tiergarten-Süd lesen. Bild 1: Carl Bolle (1832-1909) Waren die ersten Unternehmer im Lützow-Viertel noch Pioniere, die sich das billige Bauland und die niedrigen Grundsteuern auf Schöneberger Boden für ihre Geschäfte zunutze machten, so waren ihre Nachfolger unter die Bodenspekulanten gegangen einer davon war der Maurermeister und spätere Molkereibesitzer Carl Bolle (1832-1909) (Bild 1); sie alle profitierten von der Übernahme des Schöneberger Nordens durch die Stadt Berlin im Rahmen des Hobrecht-Plans von 1862 (1). Noch vor 50 Jahren kannte in Berlin nahezu jeder die Lebensmittelkette Bolle, auch wenn nicht alle mehr gewusst haben mögen, dass sie 1917 aus einer Molkerei (Meierei) hervorgegangen war, die ihre Anfänge fast 50 Jahre zuvor hatte, als Bimmel Bolle die ganz Berlin mit Milch versorgte im wahrsten Wortsinn. Wir wollen hier nicht sein ganzes Leben aufarbeiten, wir werden uns beschränken auf die ersten etwa 25 Jahre (ab 1864), die Bolle am Lützowufer zubrachte, bevor er 1887 nach Moabit in den Spreebogen zog (2), wo dann die große Meierei entstand (Bild 2) die Anfänge waren eher bescheiden und sind auch im Bolle-Firmenarchiv in der Stiftung Technik-Museum am Schöneberger Ufer nur unzureichend dokumentiert. Bild 2: Grafik der Meierei Bolle in Moabit (Spreebogen) Über Carl Bolle und sein Milchimperium gibt es wirtschaftswissenschaftliche (3) wie populärwissenschaftliche Publikationen (4), und viele Geschichten und Anekdoten (5). Leider sind seine eigenen, autobiografischen Aufzeichnungen verloren gegangen; der vermutlich letzte, der sie gesichtet hat, ist der Wirtschaftshistoriker Eberhard Schmieder (1908-1993) der an der TU Berlin Wirtschaftsgeschichte unterrichtet hat seine Darstellung der Firmengeschichte von 1960 (3) basiert im Wesentlichen auf der Auswertung von Bolles Aufzeichnungen von 1905. Leider lässt sie sich Schmieders Rekapitulation der Carl Bolles Geschichte nicht auf Vollständigkeit überprüfen, aber in einigen der Aspekte können wir Schmieder hier ergänzen. Herkunft, Ausbildung und Unternehmertum Die ländliche Herkunft (Milower Land östlich von Brandenburg-Havel) und die Ausbildung des Carl Bolle als Maurer ist in hinreichenden Details bei Schmieder (3) und in dem lesenswerten Buch von Frank Pauli beschrieben (4) und kann auch in Wikipedia nachgelesen werden (5). Seine anfängliche Orientierungslosigkeit zeigt sich an dem Umstand, dass Bolle zunächst Pfarrer werden wollte, den Versuch, das Abitur zu machen, schnell abbrach, eine Maurerlehre in Rathenow machte, als Geselle auf Wanderschaft ging, zurück kam wegen Gesundheitsproblemen, erneut einen Versuch zur Hochschulreife startete und mit psychischen Problemen wieder ausstieg, die Maurerlehre mit der Meisterprüfung in Eberswalde beendete, und als Maurermeister nach Plaue (nahe Brandenburg) und schließlich nach Berlin ging. Im Jahre 1860 (im Alter von 28 Jahren) begann Carl Bolle seine unternehmerische Laufbahn: Zunächst baute er mit privat geborgtem Geld Häuser, die er mit Gewinn verkaufte, um mit dem Gewinn weitere Häuser zu bauen so wurde er zum Spekulanten. Bolle überlebte den Zusammenbruch der Gewerbebank, die ihn mit Hypotheken für die Bauspekulation versorgten, indem er seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Käufern dieser Immobilien treulich über viele Jahre erfüllte. Werbemarke Bimmel Bolle (BBWA S2/18/27) Das Besorgen von Geld allein mag schon ein Grund gewesen sein für die vielfältigen Unternehmensgrün-dungen in sehr diversen Bereichen, die er nebenher ins Leben rief: Lagerhaus für städtische Lebensmittel, Eiskeller zur Versorgung der Stadt mit Kühlmittel, Seefisch-Import und Vertrieb, und schließlich der Aufbau einer Milchwirtschaft. In all der Zeit war vermutlich die einzige Konstante in seinem Leben seine christliche Gesinnung, die sich vor allem durch eine überdurchschnittliche soziale Fürsorge für die für ihn arbeitenden Mitarbeiter und deren Angehörigen auszeichnete (4). Auch seine erste Ehe basierte auf dieser religiösen Tradition. Bolle zieht an das Lützowufer Schmieder zitiert Bolle, wenn er berichtet, dass Bolle auch in Geschäftsbeziehungen zu einem Baron (trat), dem als Bauinspektor im Handelsministerium bekanntgeworden war, daß der alte Schafgraben zum Landwehrkanal ausgebaut werden sollte, und der in der Nähe des Zoo Ackerland aufgekauft hatte. Bolle sollte nun einzelne Grundstücke dieses Spekulanten verkaufen; allerdings wurde er dabei um die zugesagte Provision von 10% des Grundstückswertes so gut wie vollständig betrogen (3). Ob hier wirklich Betrug vorlag, sei dahingestellt, George Killmar hatte das Grundstück Park Birkwäldchen (also keineswegs Ackerland) bereits 1839 erworben und es demnach mehr als 30 Jahre gehalten und genutzt, bevor er es auf den Markt versilberte. Es ist wahrscheinlich, dass ihm der Komplettverkauf an den Actien-Bauverein Thiergarten (ABVTG) 1872 lukrativer erschien als ein parzellenweiser Verkauf an einzelne Interessenten. Bild 3: Antrag auf Bau einer Milchhalle auf dem Grundstück Lützowufer 31 (links) und Anzeige der Milchhalle. Ausweislich der Bauakte (6) erwarb Bolle das Grundstück im Jahr 1862 und beantragte im gleichen Jahr, darauf ein Wohnhaus mit Vorder- und Seitenflügel zu bauen; der Bauerlaubnisschein wurde am 12. April 1862 ausgestellt. In der Folge beantragte er die Anlage einer Rinnstein-Brücke (1862), einer Wasserableitung in den Landwehrkanal (über die einen Vertrag mit der Gemeinde geschlossen wurde, 1863), den Bau eines Eiskellers (1867) zur Lagerung von Eis aus dem Landwehrkanal, die Erneuerung eines abgebrannten Dach-Stockwerks des Wohnhauses, den Bau eines Speichers am Kanal (1870) an der Anlegestelle von Schiffen zur Entladung (s. unten) und den Bau einer 2 x 2 m Milchhalle auf der Veranda des Vorgartens (1879) (Bild 3): Hier wurde für sonntägliche Spaziergänger in den nahegelegenen Zoo ein Milchausschank (Milchgarten) eingerichtet, der anfänglich als Kinder-Bar verspottet wurde, aber bald so viel Anklang bekam, dass weitere Milchausschänke eingerichtet wurden. Die Molkerei/Meierei am Lützowufer Der Milchausschank war anfänglich gedacht für die Verwertung der Milch der 30 Kühe, die auf der Freifläche hinter dem Wohnhaus weideten. Aber schon nach kurzer Zeit muss klar geworden sein, dass einerseits mehr Milch anfiel, als an Sonntagsspaziergänger zu verkaufen war, dass aber andererseits der Verkauf an den Milchhäuschen saisonal stark schwankte und daher keinen beständigen Umsatz erlaubte. Auf der Suche nach einem Verkaufskonzept, so berichtet Schmieder, besichtigte Bolle auch eine Molkerei in Magdeburg, um das dortige Vertriebskonzept des Direktverkaufs durch die Molkerei auf der Straße zu studieren und das wurde dann zur Vorlage des Bolle-Systems in Berlin. Bild 4: Artikel aus der Vossischen Zeitung vom 19. August 1885 Angesichts des steigenden Umsatzes gab Bolle die Selbstgewinnung der Milch auf und bezog sie ab 1881 nun auf Grund von Verträgen mit an-deren Produzenten (Bauern, Rittergütern) woraus sich ein neues Problem ergab: die zeitgerechte Anlieferung der Milch. Diese wurde zunächst über die Eisenbahn organsiert, aber die sich ergebenden Schwierigkeiten (die Güterab-fertigung z.B. des Lehrter Bahnhofs wurde des nachts geschlossen) führten Bolle zu der Überlegung, den Landwehrkanal vor seiner Haustür dafür zu nutzen. Bolle beantragte 1885 die Nutzung des Landwehrkanals für den Transport der Milch per Dampfschiff aus Brandenburg (Havel) bzw. Oranienburg (7), aber auch dies erwies sich als so unzuverlässig (zu viele Schleusenanlagen, die den Transport verzögerten, hohe Schleusennutzungskosten) dass der Plan wieder aufgegeben wurde (Bild 4). Nicht zuletzt als Konsequenz aus dem erhöhten Umsatz einerseits, der Problematik des Anlieferns und Lagerns andererseits zog Bolle schließlich 1886 das Gelände in Alt-Moabit am heutigen Spreebogen und verlegte die Molkerei ab März 1887 dorthin (siehe Bild 2) der Rest ist Geschichte (2-4). Text: Prof. Dr. Paul Enck (www.paul-enck.com) Literatur https://de.wikipedia.org/wiki/Hobrecht-Plan Helmut Engel, Volker Koop: Der Spreebogen. Carl Bolle und sein Vermächtnis. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1995. Eberhard Schmieder: Carl Bolle. Tradition. Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiographie, 5. Jahrgang (1960), Heft 2, Seite 49-64. Frank Pauli: Bimmel-Bolle. Ein christlicher Unternehmer in Berlin 1832-1910. Berlin, Wichern-Verlag 2000. https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Bolle_(Unternehmer) Akte im Landesarchiv Berlin (LAB), B Rep. 202 Nr. 5078: Lützowufer 31. Akte im Landesarchiv Berlin (LAB), A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16846 Bilder: Bild 1. Porträt von Carl Bolle (um 1910) (Quelle: Wikipedia (5)). Bild 2. Grafik (Stich) der Meierei Bolle in Moabit (Spreebogen) (Quelle: Führer durch die Meierei C. Bolle, Berlin N.W; Alt-Moabit 99-105, Berlin (Eigendruck) o.J. (1892), S. 4. Bild 3: Antrag auf Bau einer Milchhalle auf dem Grundstück Lützowufer 31 (links) und Anzeige der Milchhalle. Quellen: Scans aus der Bauakte (6) und (2). Bild 4: Artikel aus der Vossischen Zeitung vom 19. August 1885 (Quelle: (7)).

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