„Gleichbehandlung geht uns alle an zur AGG-Reform“

Veranstaltung des Berliner Frauenbund 1945 e.V. am 18.10.2023 Einen Link zum vollständigen Bericht mit Bildern finden Sie hier: Hier klicken In unserer Demokratie basiert gesellschaftlicher Fortschritt auf diskriminierungsfreien Lebenslagen und Strukturen in allen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen“ so lautet die zusammenfassende Botschaft des informativen Inputs und anschließender lebendiger Diskussion am 18.10. während der Veranstaltung. Wir unterstützen die im Koalitionsvertrag unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ angekündigte Reform des 2006 verabschiedeten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), um Schutzlücken zu schließen, den Rechtsschutz zu verbessern und den Anwendungsbereich auszuweiten. Der BFB 1945 e.V. stärkt im Bündnis „AGG Reform-Jetzt!“ insbesondere den Diskriminierungsschutz von Fürsorgeleistenden (Caregiver Discrimination). Gleichbehandlung geht uns alle an zur AGG-Reform Für den Berliner Frauenbund 1945 e.V. bildet die diskriminierungsfreie Gleichbehandlung aller Menschen eine Grundlage der Demokratie. Gleichbehandlung ist eine Voraussetzung für friedliches Zusammenleben. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) steckt dafür den Rahmen ab und galt im Jahr 2006 als Meilenstein der deutschen Politik. Mittlerweile wissen wir aber, dass das AGG nicht alle Menschen vor Diskriminierung in allen Lebenslagen schützt und dass selbst diejenigen, die geschützt werden, bei der konkreten und effektiven Durchsetzung ihrer Rechte auf zahlreiche Hürden stoßen. Unsere Veranstaltung bot eine willkommene Gelegenheit, sich grundsätzlich über den Stand der Novellierung des AGG und die Erkenntnisse zu der spezifischen Situation von Fürsorgeleistenden aus der Beratungspraxis unseres Projektes KOBRA, einem Projekt des BFB 1945 e. V., zu informieren. Wir freuen uns sehr, dass mehrere Frauen, die (noch) kein Mitglied des Berliner Frauenbund 1945 e.V. sind, unser Angebot angekommen haben, gemeinsam mit uns zu diskutieren und ihre Sichtweise und Erfahrungen einzubringen. Unsere Referentinnen, Vera Egenberger, Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG), und Petra Kather-Skibbe, Beraterin und Coach mit den Schwerpunkten Vereinbarkeit von Beruf und Pflege für Menschen mit Sorgewortung und Kompetenzorientierte Laufbahnberatung im Unternehmen bei KOBRA, haben uns die Anforderungen für ein modernes Antidiskriminierungsgesetz profunde dargelegt. Bündnis „AGG Reform-Jetzt!“ Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) ist mit Vera Egenberger Teil des vom Antidiskriminierungsverband Deutschland koordinierten Bündnis „AGG Reform-Jetzt!“. Das BUG gehört zu den rund 100 Organisationen, die als Erste die gemeinsame zivilgesellschaftliche Stellungnahme „Mehr Fortschritt wagen heißt auch mehr Diskriminierung wagen!“ unterzeichnet haben. Mehr: https://agg-reform.jetzt/ Diese Stellungnahme enthält elf Änderungsforderungen für ein novelliertes AGG, u.a. ein besserer Schutz gegen Diskriminierung durch staatliches Handeln, die Ermöglichung von Verbandsklagen, eine Erweiterung der augenblicklichen sechs Diskriminierungskategorien, eine verstärkte Präsenz von AGG-Beschwerdestellen, eine Ausweitung der Zielgruppen (z.B. auf Selbständige, Auszubildene, Studierende). Aus der Zivilgesellschaft heraus wurden zudem die Forderungen der Stellungnahme entlang der einzelnen Paragraphen des AGG´s im Rahmen einer Ergänzungsliste zur AGG-Novellierung präzisiert. Mehr: https://agg-reform.jetzt/wp-content/uploads/ 2023/09/2023-08-10_advd_Ergaenzungsliste.pdf Wie wichtig ein umfassender Regelrahmen für Antidiskriminierung ist, belegen repräsentative Umfragen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Danach hat jede dritte Person in Deutschland Diskriminierung erlebt, u.a. auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt. Diskriminierung schränkt die gesellschaftliche Teilhabe massiv ein. Von Diskriminierung Betroffene erwarten zu Recht, dass gegen diese Diskriminierung vorgegangen wird und Rechte nicht nur auf dem Papier stehen. Von Diskriminierung betroffene Personen verzichten derzeit noch häufig auf eine Klage und nehmen Diskriminierung in kauf. Es braucht hier vor allem die Einführung des kollektiven Rechtsschutzes. Das AGG erfasst nur zivilrechtlich zu regelnde Sachverhalte in den Bereichen Beschäftigung, Güter und Dienstleistungen. Viele im Alltag erlebten Diskriminierungen werden durch das derzeitige AGG nicht erfasst. Das AGG bezieht sich beispielsweise nicht auf das Handeln öffentlicher Stellen im Bereich der Bundesgesetzgebung oder der Länder u.a. bei Sport und Schule. Damit bleibt das AGG hinter den Vorgaben der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien zurück. Im Namen des BUG plädiert Vera Egenberger dafür, dass staatliche Institutionen sich Selbstverpflichtungen zur Gleichbehandlung geben, wie es Nordirland, Großbritannien und die Republik Irland getan haben. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, die nicht verbieten oder saktionieren, sondern die aktives und vorbeugendes Handeln gegen Diskriminierung initiieren und fördern. Mehr: https:// www.bug-ev.org/themen/schwerpunkte/dossiers/gleichbehandlungsverpflichtungen- von-staatlichen-institutionen Mehr Schutz für Familien und Fürsorgeleistende Petra Kather-Skibbe verweist aufgrund ihrer langjährigen Beraterinnen-Erfahrung und als beteiligte Expertin bei der Prognos-Studie „Diskriminierungserfahrungen von Eltern und Pflegenden am Arbeitsplatz“ auf zahlreiche Schwierigkeiten, um Beruf, Familie und Pflegeaufgaben zu vereinbaren. In der Beratung wird häufig darüber geklagt, dass viele Arbeitgeberinnen die Beschäftigten zu wenig unterstützen oder sie sogar diskriminieren. Das fällt besonders auf, wenn Teilzeit, dezentrales Arbeiten, Freistellung oder Elternzeit nicht bzw. nicht umfassend genutzt werden. Problematisch ist es auch dann, wenn Fürsorgeleistungen nicht Familienangehörigen, sondern Freundinnen und Nachbarinnen zugute kommen sollen. Sowohl für Betroffene als auch die Beratung ist es angesichts der Komplexität kaum zu durchblicken, welche Regelungen im konkreten Fall anwendbar sind und welche nicht. Mehr: https://www.prognos.com/de/projekt/diskriminierungserfahrungen- erwerbstaetige-am-arbeitsplatz Verwiesen wird auf die am 20. Juni 2019 vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union verabschiedete „Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige“ (2019/1158). Die dort vereinbarten Mindestanforderungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege gehen in weiten Teilen über bisherige europäische und deutsche Regelungen hinaus. So werden Maßnahmen gefordert, die u.a. das Problem der Stereotype bei der Beschäftigung und den Rollen sowohl von Männern als auch von Frauen* angehen. Die Sozialpartner werden aufgerufen, ihrer Schlüsselrolle gerecht zu werden, indem sie sowohl Arbeitnehmerinnen als auch Arbeitgeberinnen informieren und diese für die Bekämpfung von Diskriminierung sensibilisieren. Vorgeschlagen werden zeitliche, finanzielle Entlastungen sowie eine stärker am Grundsatz der Gleichstellung orientierte Verteilung von Sorgearbeit zwischen Frauen* und Männern. Die verpflichtende Umsetzung in Deutschland muss in mehreren Gesetzen erfolgen, u.a. auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Mehr: https://eur-lex.europa.eu/legal- content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1158&from=EN Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat eine Studie vorgelegt, die die Benachteiligungen von Fürsorgeleistenden untersucht. Sie benennt tatsächliche sowie rechtliche Probleme und macht Vorschläge unter Bezugnahme auf Artikel 11 der Richtlinie 2019/1158 , wie Benachteiligungen von Fürsorgedienstleistenden abgebaut werden können. Die Studie bündelt strukturelle und individuelle Aspekte, um Familien einen ihrer Bedeutung entsprechenden Platz im Arbeitsrecht zu verschaffen. Mehr: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/ Rechtsgutachten/rechtsgutachten_caregiver.pdf?__blob=publicationFile&v=2 Diskussion Eine der Teilnehmerinnen, Frauenvertreterin in ihrem Betrieb, verwies auf gute bestehende Regelungen ihres Unternehmens für die Beschäftigten. Anders sieht es allerdings beim Zugang zur Beschäftigung in ihrem Unternehmen aus. Dieser sei keineswegs diskriminierungsfrei geregelt. Da sehr stark auf formale Bildungsabschlüsse, insbesondere einem IHK-Abschluss, Wert gelegt werde, haben Bewerberinnen ohne Schul- und Ausbildungsabschluss oder anderen Kriterien eines „gebrochenen Lebenslaufes“ in der Regel keine Chance. Das benachteilige zumeist Menschen mit Flucht- und Migrationsbiographie, aber auch viele Alleinerziehende. Offiziell findet keine Diskriminierung statt, da die Bewerberinnen die formalen Anforderungen ja nicht erfüllten. Weitere Teilnehmerinnen weisen darauf hin, dass diese Vorkommnisse weit verbreitet sind. Es brauche dringend mehr „positiv actions“, damit auch verstärkt Zielgruppen mit nonformalen, informell erworbenen Kompetenzen eine Chance haben. Andere Teilnehmerinnen verweisen darauf, dass bloße Diskriminierungsverbote nicht ausreichen, um gesellschaftlich ggf. über Generationen hinweg gewachsene strukturell verankerte Stereotype, Abwertungen und Zurücksetzungen ganzer gesellschaftlicher Gruppen aufzuheben. Um Chancengleichheit herzustellen, braucht es eine aktive Umgestaltung der bisherigen Strukturen, in denen diese Gruppenbenachteiligung eingeschrieben ist. Nur so können Individuen aus bisher benachteiligten Gruppen in der Zukunft tatsächlich gleiche Handlungs-, Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten bekommen. Nur durch ein Zusammenwirken von Diskriminierungsverboten und Positiven Maßnahmen kann der zur Herstellung tatsächlicher Chancengleichheit unerlässliche soziale Wandel bewirkt werden. Diskutiert wird auch über den hohen Bedarf an intersektionalen Gleichstellungsdaten. Der Datenschutz schützt private Daten wie z.B. ethnische Herkunft oder sexuelle Identität. Eine Abfrage erscheint aber häufig notwendig, darf allerdings nur über den Weg der Einladung zur freiwilligen Angabe erfolgen. Wir brauchen mehr intersektionale Gleichstellungsdaten, um die Bevölkerung in ihrer Vielfalt abzubilden. Fazit: Es gibt ein großes Verlangen nach einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleichbehandelt werden und gleiche Rechte und Chancen auf Teilhabe und Partizipation leben können. Der Beitrag „Gleichbehandlung geht uns alle an zur AGG-Reform“ erschien zuerst auf Berliner Frauenbund 1945 e.V..

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