Von außen betrachte, dümpelt mein sportlicher Alltag seit Jahren vor sich hin. Die letzte Laufbestzeit liegt 13 Jahre zurück. Auch den größten sportlichen Traum einen Langdistanz-Triathlon zu schaffen, habe ich mir bereits fast 10 Jahren erfüllt. Lange Zeit war Zielstrebigkeit in meinem Sportlerleben oberste Priorität. Jedes Jahr gab es einige Wettkämpfe und Highlights, auf die ich mich konsequent vorbereitete. Motivationstiefs gab es nur wenige und wenn, dann waren sie nur von kurzer Dauer. Die Wettkämpfe trieben mich an. Doch irgendwann merkte ich, das mich das nicht mehr kickte. Ich wurde müde und das auch schon vor der Corona-Pause. Konsequentes Training nach einem Plan, der mich regelmäßig forderte, ließen mich immer öfter fragen: Warum? Ich hatte einerseits Angst, dass ich ohne Ziele wieder auf der Couch landen würde, konnte aber andererseits mir ein Leben ohne Sport absolut nicht vorstellen. Ein Dilemma, dass mich ziemlich oft zum nachdenken brachte und diese Gedanken möchte ich dir in diesem Artikel teilen. Das Wesen unserer Leistungsgesellschaft Es ist zutiefst menschlich, nach immer mehr zu streben. Der Marathon ist Statussymbol, es genügt den Meisten nicht, einfach nur regelmäßig zu laufen. Wobei ist der Marathon wirklich das große Ziel vieler Läufer? Muss es nicht heute schon eher ein Ultra sein? Könnte man meinen, wenn man diverse Läufer in den sozialen Medien verfolgt. Vor einigen Jahren wusste ich noch nicht einmal, was ein Ultra überhaupt ist. Oder man macht gleich Triathlon, um ein nickendes Anerkennen bei den Kollegen zu erhaschen. Hab ich ja auch so gemacht. Da bekommt man schneller Anerkennung, weil man ja gleich drei Sportarten absolvieren muss. Immer mehr immer höher schneller weiter. Doch zu welchem Preis? Und warum machen wir das eigentlich? Macht es dich glücklicher, einen Marathon gelaufen zu haben? Oder wenigstens fitter? Warum machst du das? Und warum mache ich das eigentlich? Ist es das Streben nach Glück? Das Streben nach Glück Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mich meine sportlichen Erfolge nicht direkt glücklicher gemacht haben. Klar war das Grinsen und die Freude groß, wenn ich wieder ein Ziel erreicht hatte. Oder war es Erleichterung? Nein es war pure und reine Freude. Einfach ein Glücksgefühl und ein Moment des Stolzes. Dieser Gefühlscocktail kann süchtig machen und wie bei jeder Droge giert man schnell nach einer neuen Dosis. Spätestens am nächsten Tag schmiedete ich schon wieder neue Pläne. Sieht so Glück aus? Sport hat mich verändert Sport hat mich verändert und das definitiv zum Positiven. Ich bin selbstbewusster geworden, zielstrebiger, entspannter und gesünder lebe ich natürlich auch. Dinge, von denen ich im Alltag permanent profitiere. Sei es beruflich oder privat. Sport kann somit sehr wohl zum persönlichen Glück oder sagen wir besser zur Zufriedenheit beitragen. Als ein wichtiges Puzzleteil von vielen. Marathon laufen oder Triathlon muss man dafür nicht machen. Auch permanente Bestzeiten sind dafür unerheblich. Es reicht die regelmäßige Bewegung. Und trotzdem habe ich eine zeitlang und gerade am Anfang dieses „höher, schneller, weiter“ gebraucht. Die Kehrseite der Medaille Man möchte meinen, dass nichts dagegen spricht, nach Bestzeiten und dem „höher, schneller, weiter“ zu streben. Doch ist das wirklich so? Wie jede Medaille hat dieses Streben auch ein paar Kehrseiten. Das ist zum einen der ständige Optimierungswahn. Eine zeitlang war ich dem Verfallen. Da wird das Leben aufs Genaueste durchgetaktet, um die Trainingseinheiten richtig zwischen Job und Privatleben hinein zu quetschen. Da wird das Training bis ins letzte Detail geplant und optimiert. Da wird die Ernährung aufs genaueste kontrolliert und Nahrungsergänzungsmittel zur Leistungssteigerung eingesetzt. Noch mehr Stress durch Sport Was in meinem Fall daraus entstand sind Bestzeiten, neue persönliche Rekorde und Ergebnisse, die Monate zuvor noch unvorstellbar waren. Auf meinem bescheidenen Niveau zwar, aber immerhin. Heiligt also der Erfolg die Mittel? Nicht wirklich, denn ein Nebenprodukt sind Druck und Stress. Dabei soll doch Sport dabei helfen, den Stress abzubauen. Statt dessen steigert sich der Stresslevel noch mehr. Stück für Stück wie das berühmte Fass, was immer voller läuft. Übrigens damit wir uns richtig verstehen ich verteufle Stress keineswegs. Ich bin ein Teil unserer Leistungsgesellschaft und weiß, dass ich erst unter positiven Stress meine besten Leistungen abrufe. Ich halte gar nichts von permanenten Müßiggang. Und trotzdem habe ich gelernt, dass es eben nicht permanent Druck geben darf. Es muss Zeiten geben, da spielt das Optimieren, der Terminkalender, das viele Training und die Aufgabenliste keine Rolle. So tankt man den Akku wieder auf und ich habe persönlich habe dann auch bald wieder richtig Lust auf Stress. Ja du hast richtig gelesen: Lust auf Stress! Ohne die Ruhezeiten läuft das Fass irgendwann über und beim Sport greift man dann schnell zu ein paar „unterstützenden“ Maßnahmen. Doping ist nicht nur im Spitzensport ein Thema. Und regelmäßig liest man von Betrugsfällen bei Volksläufen, wie zum Beispiel Marathonläufer, die mit der U-Bahn abkürzen. Wenn du mehr über die dunkle Seite des Sports lesen möchtest, dann schau mal hier vorbei: Sportsucht – Kennst du die dunkle Seite des Sports? Zum Glück konnte ich diesen Dingen stets widerstehen! Das Kartenhaus bricht zusammen 6 Jahre brauchte ich vom Couchpotato, der nicht einmal 10 Minuten am Stück laufen konnte bis zum Langdistanz-Triathleten, der 3,8km schwimmt, 180km radelt und schließlich noch einen Marathon läuft am Stück natürlich und in zwar durchschnittlichen aber für mich guten 12 Stunden. 6 Jahre in denen es immer „höher, schneller, weiter“ ging. Ein Ziel erreicht super, dann auf zum nächsten Ziel. Klar gab es auch ein paar kleine Rückschläge, doch getreu dem Olli-Kahn-Motto: „Weiter! Immer weiter!“ näherte ich mich meinem sportlichen Zenit mit genau 40 Jahren war ich fit wie niemals zuvor und stand im Juli 2014 freudestrahlend im Ziel der Challenge Roth. Was nach der anfänglichen Freude folgte, war eine gähnende Leere. Denn wie es nach Roth sportlich weiter geht, darüber hatte ich mir vorher so gar keine Gedanken gemacht. Klar war nur, dass eine weitere Langdistanz erst einmal nicht in Frage kam. Dafür ist der Aufwand zu groß. Sportlich dümpelte ich im Folgejahr so vor mich hin. Eine Triathlon-Mitteldistanz und ein Marathon brachten nicht annähernd das Ergebnis, was ich mir erhofft hatte. Warum? Die Motivation war weg, um im Training ordentlich Gas zu geben. Und sie ist seit dem auch nie wieder so richtig da gewesen. Und so steckte ich meine Energie in den Job und in den ausdauerblog und in Sachen Sport nahm ich deutlich Gas raus. Ich blieb selbstverständlich aktiv, aber ohne große Ambitionen. Und jünger wird man ja schließlich auch nicht Ohne Ziel geht es nicht? Der Herbst ist Zeit der Jahresplanung und damit auch der sportlichen Jahresplanung. Und so sitze ich seit dem aus Gewohnheit immer noch da und grüble, wie ich das kommende Jahr sportlich gestalten werde. Denn lange Zeit glaubte ich, ohne Ziel geht es bei mir nicht. Mittlerweile weiß ich, dass das nicht (mehr) stimmt. Falls du übrigens eine sportliche Jahresplanung machen möchtest, empfehle ich dir folgenden Artikel: Sportliche Jahresplanung – so hebst du dein Training auf eine neue Stufe Erlebnisse statt Bestzeiten Heute weiß ich, dass Erlebnisse für mich mehr zählen als Zeiten und Bestleistungen. Dieses Jahr bin ich zum beim Oberelbe-(Halb-)Marathon gestartet und habe dort die geniale Landschaft trotz der Anstrengung genossen. So sehr, dass ich am Ende mein Zeitziel um wenige Sekunden verpasste. Geärgert hat mich das nur ein paar Stunden. Nach dem im Frühjahr das laufen im Mittelpunkt stand, wurde es im Sommer fast schon gewohnt mein Rennrad. Dank Deutschland-Ticket bin ich einige Strecken mit dem Rad gefahren und mit der Bahn zurück. Macht Spaß und erhöht den Radius der Touren auch in der Heimat ungemein. Und im Urlaub ist das Rad (und natürlich erst Recht die Laufschuhe) auch seit Jahren dabei. Deutlich geruhsamer, aber keineswegs weniger faszinierend sind Wanderungen in den Bergen. Ich liebe die Berge, doch aufgrund meines Trainingsplans beschränkten sich jahrelang die Touren meist auf den Herbst, wenn die Wettkampfsaison vorbei war. Warum eigentlich? Auch das Frühjahr und der Sommer haben ihren Reiz. Sport ist mein Lifestyle auch ohne höher, schneller, weiter Wer jetzt denkt, dass ich heute viel weniger Sport als noch zu Wettkampfzeiten mache, sieht sich getäuscht. Im Jahresschnitt hat sich da gar nicht so viel verändert. Ich versuche weiterhin etwa 4x pro Woche Sport zu machen und schaffe das auch sehr gut. Denn wie gesagt ohne Ziel geht es bei mir auch nicht. Auch wenn Dranbleiben wichtiger als „Höher, schneller, weiter“ geworden ist. Sport ist längst mein Lifestyle und mehr als nur die eigene Leistung. Ich habe Spaß anderen mein Wissen weiterzugeben und sie gemeinsam mit Hannah im ausdauerclub auf ihrem Weg in ein sportlicheres Leben zu begleiten. Freue mich, wenn unsere Mitglieder dranbleiben und auch gerne mal neue Bestzeiten erreichen und erziele daraus eine große innere Zufriedenheit. Nächstes Jahr werde ich 50 und mein neues Langzeit-Ziel ist es, auch mit 80 noch sportlich aktiv zu sein. So wie es mein Vater ist. Ist doch ein schönes Ziel, oder? Quasi langfristige Gesundheit & Fitness statt permanentes Streben nach Höher, schneller, weiter. Und wie schaut es bei dir aus? Strebst du noch nach neuen Bestzeiten oder gehörst du längst zur Kategorie der Genusssportler? Was treibt dich an? Ich freue mich auf deinen Kommentar… Auf geht’s werde dauerhaft zum Sportler!Torsten Über den Autor: Torsten Pretzsch Ich bin 2008 von der Couch aufgestanden, um ein sportlicheres Leben zu führen. Begonnen mit einer Laufrunde von 15 Minuten, lief ich Jahre später Marathon und absolvierte einen Ironman. Mit dem ausdauerblog möchte ich meine Vision verwirklichen, über 50.000 Menschen dauerhaft zum Laufen zu bringen. Mehr über mich Merke dir den Artikel auf Pinterest Der Beitrag Höher, schneller, weiter war gestern: Mein Weg zur nachhaltigen Fitness erschien zuerst auf ausdauerblog.
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