Kaliber für die Drückjagd? Welche Laborierungen Sauen umhauen

Unser Autor JENS TIGGES hat sich mit den beiden Schwarzwildprofis JULIEN GINGEMBRE und MAX WIEGAND die Wirkung verschiedener Laborierungen angesehen. Das Thema Munitionsauswahl für die Schwarzwildjagd wird mitunter heiß diskutiert, sind doch die Sauen das mutmaßlich schusshärteste Wild hierzulande. Jetzt könnte man an dieser Stelle dutzende mögliche Kaliber von der 6,557 bis hin zur 375 Holland & Holland auflisten und von vielen zuverlässigen Geschosstypen schwärmen. Doch wir halten es für angebracht, mehr auf grundsätzliche Eigenschaften und Eignungen von Kaliber-Geschosskombinationen einzugehen. Denn sind die Wirkungsweisen verschiedener Geschosstypen und die wichtigsten beeinflussenden Faktoren bekannt, ist die Auswahl einer geeigneten Laborierung kein Problem mehr. In dieser Aussage steckt schon eine wichtige Erkenntnis. Wir sollten immer von der Laborierung reden, also der Kaliber-Geschoß-Ladungs-Kombination, denn ohne diese konkreten Angaben sind Diskussionen über ein Kaliber müßig bis ungeeignet. Denn das verwendete Geschoss und die tatsächlich aus der eigenen Waffe erreichte Geschwindigkeit haben den entscheidenden Einfluss auf Wirkung und Eignung, nicht das Kaliber an sich. Wenn man die Fragen und Diskussionen um geeignete Laborierungen in den einschlägigen, durchaus zum Informations- und Erfahrungsaustausch geeigneten Internetforen verfolgt, merkt man schnell, dass es an einigen Grundkenntnissen über die Wirkungsweise von Laborierungen fehlt. GRÜNDE FÜR GESCHOSSVERSAGEN Zum besseren Verständnis der zusammenwirkenden Faktoren kann man sich zum Beispiel noch mal die beiden häufigsten Ursachen für Geschossversagen vor Augen führen. Da ist zum einen eine ungenügende Deformation oder Fragmentierung des Geschosses im Wildkörper, die zu einer mangelhaften Energieumsetzung und damit verzögerten Wirkung führt. Das tritt meistens auf, wenn die Geschosskonstruktion zu hart für die Auftreffgeschwindigkeit ist. Das kann selten bei ungünstigen Geschoss-Kaliber-Kombinationen auftreten, ist häufiger jedoch in einer für die Laborierung zu weiten Schussdistanz begründet. Als Beispiel aus der Praxis sei hier exemplarisch eine 9,362 Laborierung genannt, die perfekt bis 150 Meter funktioniert und auch auf weitere Distanzen zwar noch über 2.000 Joule ins Ziel bringt, aber das leider mit einer Geschwindigkeit, die zu langsam ist, um das Geschoss zur vollen Funktion zu bringen. Hier seien auch die monolithischen, bleifreien Deformationsgeschosse genannt, die in der Regel rund 100 m/s mehr Auftreffgeschwindigkeit als traditionelle Bleikerngeschosse (also ca. 650 m/s statt 550 m/s) benötigen. Kaliber-Geschoß-Ladungs-Kombination was man über die Laborierung erreichen kann: Das kann man durch leichtere, schnellere Laborierungen erreichen oder mit aktuelleren Geschosstypen, die auch schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten ansprechen. Entgegen der allgemeinen Auffassung gibt es bei den leichten, aber sehr massestabilen bleifreien Geschossen keine Probleme bei der Tiefenwirkung, weil hier nur max. 5% des Geschossgewichtes im Wildkörper abgegeben werden, gegenüber 30%+ bei den meisten Bleikerngeschossen. Das Problem mit ungenügender Deformation tritt bei der Schwarzwildjagd aber sicherlich potentiell seltener auf, denn zum einen wird hier typischerweise nicht auf weite Distanzen jenseits der 200 Meter gejagt und zum anderen hilft der kräftig gebaute Wildkörper dem Geschoss mit entsprechendem Widerstand beim Ansprechen. Die andere Ursache für ein Geschossversagen, sprich unzufriedenstellende Wirkung, ist die zu schnelle Deformation oder Fragmentierung des Geschosses, die zu einem zu schnellem Geschwindigkeitsverlust im Wildkörper und dadurch zu einer zu geringen Tiefenwirkung führt. Ursache hierfür ist in den meisten Fällen eine zu hohe Auftreffgeschwindigkeit für die verwendete Geschosskonstruktion. Das trifft meistens auf Teilzerleger zu, bei deren konstruktionsbedingt gewollter, teilweiser Zersplitterung zu schnell zu viel Geschwindigkeit verloren geht und dadurch die Wirkung zu früh und nicht tief genug im Wildkörper entsteht. Das gleiche Teilmantelgeschoss, das beispielsweise in der 9,362 gut ausbalanciert Augenblicks- und Tiefenwirkung bei geringer Wildbretentwertung liefert, kann in einem schnelleren Kaliber wie z. B. der 764 zu schnell zersplittern und dadurch gebremst werden und damit zu wenig Tiefenwirkung bringen. DIE EVOLUTION DER PROJEKTILE Praktisch direkt mit der Einführung der Teilmantelgeschosse für die Jagd wurde versucht, deren Verhalten und Wirkungsentfaltung im Wildkörper zu steuern und zu optimieren. Beginnend mit Wilhelm Brenneke’s Idealgeschoss 1905 kreierten Hersteller weltweit mit unterschiedlichen Mantel- und Kernmaterialien, Mantelstärken und Kernkonstruktionen sowie unterschiedlichen Außenformen neue Jagdgeschosse, um den zum Teil stark unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. Galt die erste Entwicklung vor allem der besseren, schnelleren Wirkung im Wild, im Vergleich zu der bis dato hauptsächlich verwendeten Militärmunition mit Vollmantelgeschossen, kamen nach und nach auch andere Anforderungen wie Wildbretschonung und vor allem die Tiefenwirkung dazu. Harte Schale, zäher Kern: Was bei schnellem Kaliber wichtig ist Diese Eigenschaften sind vor allem bei den immer populäreren, schnellen Kalibern, die bei gestreckter Flugbahn auch noch weniger Rückstoß bieten, wichtig. Konstruktionelle Maßnahmen der Hersteller waren anfangs dickere Geschossmäntel aus zäherem Tombak und härtere Geschosskerne aus legiertem Blei. Später folgten Doppelkern- (z. B. Brenneke TIG 1919) und Zweikammer-Konstruktionen (z. B. RWS H-Mantel 1934, Nosler Partition 1947), gebondete Geschosse (z. B. Bitterroot 1966), bei dem Bleikern elektrochemisch mit dem Mantel verbunden sind bis hin zum monolithischem, Deformationsgeschoss aus Kupfer (z. B. Barnes 1985) oder Tombak, immer mit dem Ziel die Geschossmasse nach dem gewollt schnellen, zuverlässigen Ansprechen im Wildkörper hoch zu halten und das weitere Aufpilzen zu verzögern, um die entsprechende Tiefenwirkung zu erreichen. Weiche Schale, harter Kern Durch das fehlende Verständnis der Geschossfunktionen kommt es auch immer wieder zu falschen Interpretationen von Ereignissen. Man liest zum Beispiel häufiger, dass das Geschoss zu schnell war um im Wildkörper anzusprechen. Das Schlussfolgert man daraus, dass die Augenblickswirkung kaum oder nur stark verzögert eingetreten ist. Was in den meisten Fällen aber passiert ist, dass das Geschoss zu früh und zu stark angesprochen hat und dadurch keine Tiefenwirkung erzielen konnte. Das kann zum Beispiel auch bei gebondeten Geschossen auftreten, die häufig fälschlicherweise als hart beschrieben werden. Tatsächlich bedingt der Herstellungsprozess bei gebondeten Geschossen die Verwendung von reinem, weichen Blei und auch der Mantel wird im Bonding-Prozess häufig etwas weicher. Zwar sprechen diese Geschosse sehr früh an und Mantel und Kern bleiben im Wildkörper auch gut zusammen, doch bei Einschüssen durch Schild oder Knochen kann der Aufpilzprozess schon sehr früh abgeschlossen sein, was zu einer geringeren Tiefenwirkung und nur kalibergroßem Ausschuss führt. Auch wird es häufig falsch verstanden, warum es zu keinem Ausschuss kommt. Je schneller und leichter das Geschoss beim Eintreten in den Wildkörper ist, desto mehr seiner Energie wird umgesetzt, das Geschoss wird abgebremst und die Restenergie- und Geschwindigkeit reicht nicht mehr zum Verlassen des Wildkörpers. Das tritt natürlich häufiger auf kurzen Distanzen auf. Auf weite Distanzen ist die Auftreffgeschwindigkeit niedriger, was zu einer etwas geringeren Energieumsetzung und Geschossabbremsung führt. Auch wird hin und wieder von einem Geschossversagen (trotz sauber erlegtem Stück) gesprochen, wenn an der Ausschussseite Mantel und Kern getrennt oder nur der Mantel gefunden werden. Eine Frage der Energie Hätte sich der Mantel schon beim Einschuss vom Kern getrennt, hätte er alleine nicht die Energie gehabt, durch den Wildkörper zu gelangen. Die Trennung rührt in den meisten Fällen vom Rücksog her, der beim Stehenbleiben des Geschosses den Mantel vom Kern trennt. Als Faustformel kann man zur Laborierungsauswahl sagen: Je schneller das Geschoss, desto härter sollte es sein, um kontrolliert zu wirken. Mit weichen Geschossen sollte man auch weich (also nicht durchs Blatt) in den Wildkörper schießen. Alle besonderen Vorkommnisse können wertvolle Erfahrungen sein. Um diese richtig zu interpretieren und wichtige Erkenntnisse daraus zu gewinnen, empfiehlt es sich diese sorgsam zu analysieren. Wie war die genaue Situation. Exakter Treffersitz, Zustand des Wildes vor dem Schuss und vor allem, was hat das Geschoss im Wildkörper wirklich gemacht. Auch die im Vergleich zu anderen Wildarten andere Anatomie des Schwarzwildes bedarf hier der Beachtung. Ein Treffer Hoch-Blatt zum Beispiel kann schnell auch zum sogenannten Hohlschuss, also einem Durchschuss zwischen Lunge und Wirbelsäule führen. Das diese nicht die gewünschte Wirkung entfachen kann, dürfte klar sein. Die hier gemachten Aussagen beziehen sich ausschließlich auf Kammertreffer. Weiche Geschosse entfalten hinter dem Blatt die beste Wirkung, harte Geschosse auf dem Blatt. Foto: Redaktion EINDRÜCKE AUS DER PRAXIS Die hier geschilderten Beobachtungen und Rückschlüsse stammen aus eigenen Erfahrungen aber viel mehr aus der Analyse von Beschussversuchen auf ballistische Seife (weit über 300 seit 2012) in Verknüpfung mit hunderten Erlegerberichten der gleichen Laborierungen. Auch für diesen Artikel hat das Autorenteam mit sehr erfahrenen Schwarzwildjägern zusammengearbeitet Meinung von Schwarzwildprofi Julien Gingembre Ich jage seit 19 Jahren im Elsass und Lothringen und habe bislang 988 Sauen erlegt. Circa 75 Prozent davon ohne Nachtsichttechnik. Ich benutze seit mehr als fünf Jahren nur noch drei verschiedene Kaliber. 308 Winchester, 450 Bushmaster und 45-70. Die .308 Winchester für die Feldjagd, weil sie sehr gut aus kurzen Läufen mit Schalldämpfer funktioniert und einen Einsatz bis 200 Meter ermöglicht. Hier habe ich früher die Hornady 150 GMX Superformance International eingesetzt. Bei dieser habe ich besonders die gute Balance zwischen Augenblickswirkung und Wildbretentwertung geschätzt. Unterschiedliche Kaliber und Waffen für Feld und Wald Jetzt verwende ich die 165 CX Superformance von Hornady. Die 45-70 für die Waldjagd, weil ich zum einen für diese Jagdart Unterhebelrepetierer schätze, das Geschoss mit seinem großen Durchmesser und dem Flachkopf auch bei den niedrigen Geschwindigkeiten eine gute Augenblickswirkung habe und weil das Geschoss unempfindlich gegen kleinere Hindernisse in der Flugbahn ist. Ich mag den klaren Kugelschlag, die Augenblickswirkung und die geringe Wildbretentwertung, sowie die guten Pirschzeichen dieses Kalibers. Hier verwende ich sowohl die Hornady 325 gr/21,1 Gramm FTX hauptsächlich für den Ansitz und die Pirsch als auch die neue 250 gr/16,2 Gramm Monoflex (bleifrei) vor allem bei Drückjagden, wegen der höheren Geschwindigkeit. Die 450 Bushmaster benutze ich aus gleichen Gründen, wie die 45-70, nur diese in einer Savage Repetierbüchse, die ich für die Nachtjagd ausgestattet habe, was bei diesem Waffentyp einfacher ist als auf einem Unterhebelrepetierer. Hier verwende ich sowohl die Hornady 245 gr/15,9 Gramm Interlock, als auch sogar noch etwas lieber die Hornady 250 gr/16,2 Gramm FTX wegen der noch besseren Tiefenwirkung. Meinung von Drückjagdexperte Maximilian Wiegand Durch meinen Vater, Max Wiegand, konnte ich schon von klein auf mit auf die Schwarzwildjagd gehen. Dadurch konnte ich Erfahrungen sammeln, die ich dann als Jungjäger direkt umsetzen konnte. Seitdem ich meinen Jagdschein habe, konnte ich 387 Stücke Schwarzwild erlegen. 50% meiner Schwarzwildstrecke wurde auf Drückjagden geschossen, 35% habe ich vom Ansitz geschossen und 15% auf der Pirsch. Das Gros seiner Sauen-Strecke erlegt Maximilian Wiegand auf der Drückjagd. Foto: Maximilian Wiegand Geschoss und Waffe für Drückjagd und Pirsch Die Kaliber, mit denen ich auf Sauen gejagt habe erstrecken sich von der 6,5 x 57 R mit einem leichten Geschoss (5,6g) bis hin zum starken Kaliber 45/70 Gov. mit dem schwerem 325 gr Hornady FTX (21,1g) Geschoss. Für den Nachtansitz im Wald führe ich seit einiger Zeit eine Savage 110 Haymaker im Kaliber .450 Bushmaster mit dem Hornady Custom 250 gr FTX 16,2g Geschoss. Ich habe mich extra für das Kaliber entschieden, da es praktisch immer einen relativ großen Ausschuss hinterlässt, aus dem der Schweiß fließen kann. Bei Kammertreffern hinterm Blatt haben die Stücke eine Fluchtstrecke von durchschnittlich ca. 50 Metern. Bei Blatttreffer liegen die Stücke meistens im Knall. Nicht nur vom Ansitz eignet sich die Waffe mit diesem Kaliber, sondern auch für Nachsuchen oder auch Hundeführer, da das Geschoss eine sehr gute Stoppwirkung hat. Die Wildbretentwertung ist nicht sehr stark. Für die Pirsch führe ich eine Blaser R8 in .308 Win mit dem bleifreien Hornady Outfitter mit GMX Geschoss in 165 gr/10,7g. Für weitere Distanzen nutze ich auch die Hornady Precision Hunter mit dem 178 gr/11,5g ELD-X Geschoss. Die Outfitter hat eine zuverlässige Augenblickswirkung. Ein weiterer Vorteil: es gibt keine Geschosssplitter. Je nach Treffersitz und Fluchtverlauf kommt es hin und wieder zu Einblutungen. Die ELD-X ist perfekt für weite Distanzen und hat eine sehr gute Wirkung. Ich habe z.B. einen Überläuferkeiler auf 256 Meter geschossen, mit einer Fluchtstrecke von nur 20 Metern. Auf weitere Distanzen bleibt die Wildbretentwertung im vertretbaren Rahmen. Für die Drückjagd führe ich ebenfalls die Blaser R8 in .308 Win. mit dem bleifreien Hornady ETX 125 gr/8,1g. Dieses Geschoss fliegt mit deutlich über 900 m/s sehr schnell, was bei der Drückjagd für das Vorhaltemaß und die Augenblickswirkung ein Vorteil ist. Hier ist die Wildbretentwertung aber dann mitunter auch höher. The post Kaliber für die Drückjagd? Welche Laborierungen Sauen umhauen appeared first on Jäger.

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