Ich freue mich immer wieder, wenn in Deutschland lebende Afghanen mich fragen, ob sie fürs Blog eine Geschichte über ihre Reisen und Besuche ihrer Heimat berichten dürfen. Das hat immer eine viel bessere Authentizität als würde man irgendwelche Zeitungsartikel verbreiten. Dieses Mal meldete sich Taiss Waziri und berichtet über ihr Praktikum an der Kabul Medical University (leider funktionieren die Links zur Homepage nicht, deswegen verlinke ich die Facebookseite). Bisiar ziad taschakor Taiss jan Ein Praktikum voller Hoffnung und kleinen Rückschlägen von Taiss Waziri In Deutschland geboren mit afghanischen Wurzeln, war es immer ein Traum und Ziel nach Afghanistan zu reisen, diese Reise wollte ich jedoch mit meinem beruflichen Werdegang verknüpfen. Durch Unterstützung von Bekannten und Freunden konnte ich mein Praktikum an der Kabul Medical Universität absolvieren. Aufgabe und Ziel des Praktikums war es, Struktur und Organisation der Einrichtung sowie die Arbeit der Dozenten zu erfahren. Es war Ende des Semesters während die Anmeldephase fürs neue Jahr auf Hochtouren lief, und es drehte sich bei den Studenten alles um die anstehenden Klausuren.Überwältigt von den mächtigen Bergen bin ich jeden Morgen zur KMU und als ich die Sicherheitskontrolle hinter mir hatte, war ich überwältigt von einer positiven Atmosphäre. Junge Studenten und Studentinnen waren zusammen. Es wurde gelacht, gelernt und natürlich beobachtet. Die erste Regel, die ich gelernt habe ist, dass man ohne Vitamin B regelrecht aufgeschmissen ist. Nachdem ich allen wichtigen Personen vorgestellt und meinem Mentor zugewiesen wurde, habe ich angefangen die Strukturen vor Ort kennen zu lernen. Klausuren wurden vorbereitet und ausgewertet. Die kompletten Notenergebnisse von allen Studenten wurden öffentlich ausgehängt. Aus der Tradition heraus trugen alle Studenten und Studentinnen der Kabul Medical Universität einen weißen Kittel. Ich wurde dem Department Public health zugewiesen. Ein neues Department wurde seit drei Jahren ins Leben gerufen. Viele wissen nicht was der Sinn und Zweck dieses Studienganges ist und wenn ein Elternteil zur Anmeldung für das Kind kam, wurden Fragen gestellt wie: „ Ist man nach dem Public health Studium, dann Arzt?“ Wenn die Hörsäle besetzt waren, mussten die Studenten auf den Boden ihre Klausuren schreiben. Geht nicht, gibt es nicht! Von Seiten der Studenten wurde auch kein Versuch unterlassen um zu schummeln. So war die Klausuraufsicht nicht einfach und mit vielen Diskussionen verbunden. Die 2.Regel die ich gelernt habe, ist es, nicht konsequent handeln zu dürfen. Man sollte in der Lage sein ein Auge zu zudrücken. Es ist Ende März und ich habe meine letzte Klausuraufsicht. Nach der Klausur habe ich die Initiative ergriffen und mir vier Studentinnen* für ein kleines Interview geschnappt. Der 8. März, der Weltfrauentag war nun auch vorbei, doch trotzdem wollte ich bewusst mit den jungen Studentinnen Interviews führen. Nachdem ich meine eigenen Erfahrungen gemacht habe, wollte ich wissen, welche Wünsche, Träume und Meinungen sie über Afghanistan haben, denn diese Studentinnen sind die Zukunft Afghanistans! Alle vier Studentinnen waren im Alter von 18 und 19 Jahren. Sie haben alle ihr erstes Studienjahr in Public health hinter sich gebracht. Während es für die einen dritte Wahl war, haben Mariam und Nargis ganz bewusst und voller Überzeugung als erste Studienwahl Public health gewählt. Die jungen Studentinnen leben alle mit ihren Familien in Kabul. Alle vier haben vor der Karzei Regierung in Pakistan gelebt. Die jungen Damen wissen genau was sie wollen. Nilofar möchte nach ihrem Studium in der Forschung im Gesundheitsministerium arbeiten, währenddessen möchte Nargis den afghanischen Frauen helfen, die aufgrund von mangelnder Aufklärung und Beratung Eheprobleme haben. Zamarood wollte eigentlich Ärztin werden, da sie kein Platz erhalten hat, hat sie mit Public health als dritte Wahl begonnen. Ihr Meilenstein in Zukunft ist es Gesundheitsministerin zu werden. Mariam sieht sich in Zukunft als Krankenhausmanagerin. In einem sind sich die jungen Frauen einig: Afghanistan hat sich positiv verändert, jedoch betonen sie auch, dass es noch viele Baustellen gibt. Sie sind alle sehr froh darüber sich frei als junge Frauen zu bewegen. Früher hatten sie nicht die Möglichkeit in ihrer jetzigen Kleidung mit den Jungs zusammen zu studieren. Doch sie wissen auch, dass im Vergleich zu anderen Ländern Afghanistan sich noch sehr stark entwickeln muss. Das Frauen im Parlament sind, ist für Nilofar normal, jedoch konnte sie keinen Vorteil oder spezifischen Nutzen nennen. Ihr persönliches Ziel ist es, auf eigenen Beinen zu stehen und für sich selbst sorgen zu können. Allen ist es wichtig, einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und den Wohlgefallen ihrer Familien zu erlangen. Keiner von den vier hat Angst vor dem Truppenabzug der Nato, im Gegenteil sie finden es besser wenn sie gehen. Nilofar meinte auch, dass wenn die Nato Truppen aus Afghanistan gehen, die Taliban auch aufhören würden zu kämpfen. Sie sind alle der festen Überzeugung und schließen es aus, dass die Taliban wieder an die Macht kommen. Mariam sagt: „Unsere Studenten sind selbstbewusst und werden nicht zulassen, dass die Taliban wieder kommen. Aber sie merkte auch an, dass die jetzige Regierung Farbe bekennen sollte und ihr Fahrplan aufzeigen sollte. Mariam beklagte sich darüber, dass sie ein Abend vor ihrer Klausur nicht mehr lernen konnte, da ein Schuss fiel. Die Polizei war hinter einem Dieb in der Nachbarschaft her. Mariam: „Ich habe zwei Stunden gebraucht, um mich von dem Schreck zu erholen und weiter lernen zu können. Ich hatte einen Blackout, alles was ich gelernt hatte, war auf einmal gelöscht.“ Die Sicherheitslage hat sich in den Jahren zuvor verschlechtert. Hierauf muss ein verstärkter Fokus sein. Die afghanische Polizei und das Militär müssen stärker werden, denn sonst zweifeln die jungen Studentinnen an den Frieden. Die erste Frage die mir von allen gestellt wurde: „Willst bzw. wirst du wieder nach Afghanistan gehen?“ Dann lautete meine Antwort: „JA!“ Denn es gibt sehr viel zu tun. Am meisten haben mich zwei Dinge erschüttert. Erstens die Einstellung der Afghanen über ihr eigenes Land. Sie sind hoffnungslos und sehen selber keine Zukunft im Land. Wenn ich den Satz „Schwester, das ist Afghanistan und nicht Europa!“ gehört habe, hat mich das wütend gemacht. Sie haben jeglichen Anspruch und Wertschätzung verloren und konnten nicht verstehen, warum eine junge Studentin aus Deutschland nach Afghanistan in die Universität kommt. Zweitens hat mich das Lehrkrankenhaus Ali Abad sehr erschüttert. Zurzeit sprießen private Universitäten wie Pilze aus dem Boden. Es besteht ein hoher Bedarf und dieser Bedarf wird wiederum ausgenutzt um Geld zu verdienen. Fakt ist, dass alle Medizin- und Pflegestudenten in Ali Abad ausgebildet werden und dann in die privaten Krankenhäuser arbeiten oder an den privaten Universitäten unterrichten. Das bedeutet, dass die Qualität dort nicht unbedingt besser ist. Denn was sollen Studenten lernen, wenn es keine Utensilien und Arbeitsmaterialien, wie z.B. Safetybox, Händedesinfektion etc. gibt?! Die härtesten Krankheitsfälle werden nicht in privaten Kliniken behandelt, sondern im staatlichen Lehrkrankenhaus. Die armen Familien kommen aus jeglichen Provinzen mit der Hoffnung dort behandelt zu werden. Das afghanische Gesundheitssystem soll für alle frei und ohne Kosten zugänglich sein. Die Praxis sieht jedoch anders aus, Patienten müssen per Rezept Handschuhe, Spritzen etc. selber in Apotheken besorgen, um dann behandelt werden zu können. Ich bewundere und habe hohen Respekt vor diesen Menschen, die mit sehr geringem Lohn in diesem Krankenhaus arbeiten und das Beste aus dem „Nichts“ vorhandenen machen. Dem wichtigsten Krankenhaus der Stadt und der Umgebung geht es am schlechtesten. Auch wenn es nur wenige Menschen sind, die man vielleicht erreicht, sollten wir versuchen den Menschen vor Ort den Weg zu zeigen, sich selber zu helfen und ihnen ihre Hoffnung wieder erwecken. Es gibt einen schönen Spruch auf Dari: „Qatra, Qatra, Darya meshaud!“ (Einzelne Tropfen werden zum Fluss!) Daran halte ich fest… * Alle Namen wurden verändert.
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