Radio Bremen: Wir sind überhaupt nicht an gerichtlichen Verfahren interessiert.

Die Rundfunkanstalt Radio Bremen verklagte 2020 den Journalisten Holger Kreymeier, verlangte die Löschung seiner Kritik an einer Reportage des "Y-Kollektiv" – und argumentierte mit dem Urheberrecht. Im Interview verteidigen Intendantin Yvette Gerner und Radio Bremen-Justiziar Sven Carlson ihr Vorgehen und erklären, warum sie gegen diverse andere Urheberrechtsverstöße nichts unternehmen.Was darf ich mit öffentlich-rechtlichem Video-Material im Internet tun und was nicht? Diese Frage ist für Beitragszahler gar nicht so unwesentlich – und sie ist von Seiten ARD und ZDF keinesfalls geklärt, sondern eine Grauzone. Tausende Re-Uploads von öffentlich-rechtlichem Material auf Youtube belegen das. Nach kurzer Recherche möchte ich hier zunächst die Position von Radio Bremen wiedergeben, wie sie sich im Netz und vor Gericht darstellt: Problemlos: Man lädt sich eine von Radio Bremen produzierte Sendung herunter und stellt sie auf dem eigenen Youtube-Kanal ein (diverse Beispiele dafür gibt es in diesem PDF). Problemlos: Man lädt sich eine von Radio Bremen produzierte Doku herunter, stellt sie auf dem eigenen Youtube-Kanal ein und monetarisiert sie (sprich, man verdient Geld durch Werbeeinnahmen). Problemlos: Man stellt einen von Radio Bremen produzierten Märchenfilm, der bei Youtube eigentlich nur kostenpflichtig abrufbar ist, auf dem eigenen Youtube-Kanal ein, damit ihn andere User kostenlos gucken können. (siehe auch dieser Screenshot) Problemlos: Man schneidet aus der Talksendung „3nach9“ einen 10-minütigen Beitrag heraus, lädt diesen auf Youtube und monetarisiert ihn. Problemlos: Man kopiert 22 Minuten einer 25-minütigen Produktion des „Y-Kollektiv“, kommentiert ab und zu mal die Handlung (ohne die Macher zu kritisieren, wohlgemerkt), nennt es „Reaction Video“ und monetarisiert es auf Youtube mit mehr als vier Werbeunterbrechungen. Großes Problem: Man macht einen kritischen Beitrag zu einer 60-minütigen „Y-Kollektiv“-Produktion, in dem man neben der Kritik ca. 9 Minuten Material der kritisierten Reportage einblendet und lädt diesen Beitrag nicht-monetarisiert auf Youtube hoch. Dann beruft sich Radio Bremen nämlich auf das Urheberrecht, setzt zuerst einen Strike auf Youtube und verklagt dann den Macher auf Schadensersatz, weil bei 12 Filmausschnitten (in Summe knapp 5 Minuten) das Zitatrecht nicht gedeckt sei. So erging es Holger Kreymeier mit seiner Kritik an der „Y-Kollektiv“-Reportage „Infokrieger“, die er im Mai 2020 bei Youtube und auf der Website massengeschmack.tv veröffentlichte. Er warf darin den Machern handwerkliche Fehler sowie unhaltbare Thesen vor. Nach wenigen Tagen wurde sein medienkritischer Beitrag von Youtube entfernt, auf Betreiben von Radio Bremen. Der öffentlich-rechtliche Sender reichte schließlich Klage gegen Kreymeier ein. In der Klageschrift enthalten ist diese Aufstellung von Filmzitaten: Die kürzeste Sequenz, die Radio Bremen beanstandete, dauerte demnach 4 Sekunden. Das Verfahren zog sich bis November 2021 und am Ende gab das Gericht Radio Bremen bei 9 von 12 Filmzitaten Recht (RND berichtete). Kreymeier kann seinen ursprünglichen Beitrag also nicht mehr veröffentlichen, er hat ihn mit diesem Beitrag ersetzt, in dem er auch das Verfahren thematisiert. Ich selbst betrachte das Vorgehen von Radio Bremen als nicht verhältnismäßig, denn während alle möglichen Internetnutzer Radio Bremen-Material ungestraft kopieren und bei Youtube hochladen können (s.o.), reagiert der beitragsfinanzierte Sender auf kritischen Journalismus mit einer Urheberrechtsklage. Daher habe ich dieses Thema angesprochen, als die Radio Bremen-Intendantin im September auf dem Podium bei einer ARD-Pressekonferenz saß. Vom Podium aus bot Yvette Gerner dann ein separates Gespräch an, worauf ich eingegangen bin. So konnte ich am 29. September ein Interview mit Gerner und dem Justiziar von Radio Bremen Sven Carlson führen, das ich hier nun dokumentiere. Beide haben ihre Antworten autorisiert. Im Gespräch wird deutlich, dass Radio Bremen tatsächlich mit der Materialnutzung innerhalb einer Medienkritik ein größeres Problem hat als mit Re-Uploads ganzer Sendungen: Yvette Gerner: Wir haben gesagt, eine redaktionelle Bearbeitung unseres Beitrags empfinden wir als schwieriger, weil unser Material in einem anderen Kontext als Teil eines neuen Werkes verwendet wird. Das ist etwas Anderes als wenn ein privater Fan Inhalte von uns hochlädt. Gerner sagt auch, dass monetarisierte Materialverwendung für sie eher ein Problem darstellt als nicht-monetarisierte. Frage: Wenn andere Leute Radio Bremen-Material auf Youtube monetarisieren, würden Sie dagegen eher vorgehen, als wenn ich einen Upload mache, der nicht monetarisiert ist? Gerner: Ja, in meinem Verständnis schon. Wie schon erwähnt: Der Beitrag von Kreymeier, den Radio Bremen von Youtube entfernen ließ, war NICHT-monetarisiert. Mehrfach habe ich im Verlauf des Gesprächs versucht, Gerner und Carlson zu verdeutlichen, dass auf Youtube viel größere Urheberrechtsverstöße gegenüber Radio Bremen stattfinden, als jener von Kreymeier. Woraufhin Carlson u.a. antwortete, dass es nicht seine Aufgabe sei, „das Internet zu durchsuchen nach etwaigen Bewegtbildschnipseln oder ganzen Folgen von Serien von Radio Bremen.“ (Meine Link-Liste zu Re-Uploads von Radio Bremen-Material werde ich ihm natürlich zukommen lassen.) Kurios ist, dass Yvette Gerner tatsächlich behauptet – auch nach der Autorisierung –, nicht sie habe das Verfahren gegen Kreymeier veranlasst, sondern ihr Vorgänger (Jan Metzger). Gerner: „Das Verfahren ist noch unter meinem Vorgänger begonnen worden. Ich habe Vertrauen, dass Radio Bremen und die Kollegen, die das veranlasst haben, immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben.“ Fakt ist: Gerner trat ihr Amt als Intendantin offiziell am 01. August 2019 an. Kreymeier veröffentlichte seinen Beitrag im Mai 2020, die Klageschrift von Radio Bremen trägt das Datum 30.06.2020 und nennt namentlich Gerner als Vertreterin von Radio Bremen. Update 13.10. Auf Nachfrage teilt mir die Pressesprecherin von Radio Bremen Folgendes mit: Im Zeitpunkt der Klagerhebung war Frau Dr. Gerner schon im Amt. Dennoch ist die Antwort der Intendantin richtig, dass sie die Klage nicht veranlasst hat. Zum damaligen Zeitpunkt kannte sie den Vorgang nicht. Vielmehr hat das Justiziariat die entsprechende Entscheidung im Rahmen seiner Zuständigkeit und nach Rücksprache mit der zuständigen Radio Bremen-Redaktion getroffen. Dieses Detail war uns im Zeitpunkt des Interviews nicht mehr bewusst. Über die Klage von Radio Bremen haben mehrere Medien berichtet, darunter RND und die FAZ. Von den öffentlich-rechtlichen Medienmagazinen hat niemand den Fall in eigenen Artikeln oder Sendungen aufgegriffen. Nicht Zapp (NDR), nicht Medias Res (Deutschlandfunk), nicht Jörg Wagner (RBB). Ich selbst bin mit Holger Kreymeier kollegial verbunden, er war hier schon mal 2010 im Interview und ich 2019 zum Interview bei ihm im Studio. Über Probleme beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk berichte ich seit 2015. Apropos Transparenz, Yvette Gerner sagte jüngst in einem Radio-Interview im eigenen Haus (Bremen Zwei) das hier: https://www.planet-interview.de/wp-content/uploads/gerner-transparenzkultur.mp3 „Wir haben eine hohe Transparenzkultur bei Radio Bremen () es macht überhaupt keinen Sinn, irgendetwas nicht zu kommunizieren, weil es kommt doch eh wieder raus.“ Wenn man das so hört, könnte man fast denken, dass Yvette Gerner bei Radio Bremen ganz bestimmt ihre Parteimitgliedschaft transparent gemacht hat – ääähm, nö, hat sie nicht (auch nicht, in welchen Gremien sie sitzt). Darauf hab ich sie jetzt angesprochen und als Gerner dann in der Antwort sagte „ich habe aus gar keinen Dingen bei mir jemals ein Geheimnis gemacht“ wusste ich, wo ich diesen Spruch so ähnlich schon mal gehört habe: beim früheren BR-Intendanten Ulrich Wilhelm, der seine CSU-Mitgliedschaft bis zum Ende seiner Amtszeit nicht transparent machte. Und nochmal fürs Protokoll: Der Bayerische Rundfunk hat bis heute die CSU-Mitgliedschaft seines scheidenden Intendanten Ulrich Wilhelm NICHT transparent gemacht, sondern in der offiziellen Vita verschwiegen. vgl. https://t.co/043tRHLHhx #Rundfunkbeitrag https://t.co/VC0oVe7n5E pic.twitter.com/mBfh0Hx0FE Planet Interview (@planetinterview) January 22, 2021 ++++++++ Interview mit Yvette Gerner (Intendantin) und Sven Carlson (Justiziar) von Radio Bremen, 29.09.2022 Frau Gerner, wir könnten uns dieses Gespräch schenken, wenn Radio Bremen heute sagen würde: Holger Kreymeier kann für seine Medienkritik Radio Bremen-Material so verwenden, wie er es ursprünglich getan hat. Hätten Sie daran Interesse? Yvette Gerner: Es würde Sie überraschen, wenn ich das sagen würde – denn dann hätten wir ja nicht klagen müssen. Die Mediatheke ist ein Einzelfall. Und wenn ich Sie bei der ARD-Pressekonferenz richtig verstanden habe, nutzen Sie diesen Spezialfall ja, um ein anderes, größeres Thema zu behandeln.. Ich persönlich verstehe diesen Fall in vielerlei Hinsicht nicht und an Kommentaren im Netz ist zu sehen, dass auch andere Rundfunkbeitragszahler diesen Fall nicht verstehen. Was antworten Sie denen: Warum war diese Klage im Interesse des Beitragszahlers? Gerner: Vielleicht erst mal dazu ein paar Hintergrundinformationen von Sven Carlson. Das ist eine andere journalistische Frage, die Sie gestellt haben, wenn Sie auf ein etwaiges Interesse des Beitragszahlers abstellen. Erst mal wollten Sie ja die Hintergründe zu dem Fall wissen und warum wir geklagt haben. Die Klageschrift kenne ich und auch die Begründungen, die drin stehen. Gerner: Was ist denn der Punkt, der Sie da nicht befriedigt? Ich habe verschiedene Fragen zu diesem Fall und eine Frage ist: Warum war diese Klage von Radio Bremen gegen Holger Kreymer im Interesse des Beitragszahlers? Denn für diesen ist ja Radio Bremen aktiv. Sven Carlson: Ich leite noch mal ein, denn der Kontext ist wichtig: Das war im Mai 2020, es gab zwei Online-Beiträge von der Mediatheke, ein kostenpflichtiger und ein nicht-kostenpflichtiger, der über die Plattform Youtube abrufbar war. Wir sind gegen 13 bzw. 12 in diesen Beiträgen enthaltenen Passagen vorgegangen, weil diese unserer Auffassung nach rechtswidrige Nutzungen darstellen. Die angerufenen Gerichte haben uns bei zehn Passagen Recht gegeben und bestätigt, dass ihre Verwendung nicht von den Ausnahme-Tatbeständen im Urheberrechtsgesetz gedeckt sind. Insoweit haben wir unseren journalistischen Inhalt vor einer Nutzung durch einen kommerziellen Anbieter geschützt. Wenn Herr Kreymeier sagt, er sei ein armer Blogger und die großen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommen mit ihren Luxusanwälten – ist es so ja nicht. Sie sind ja selbst Journalist: Wie würden Sie damit umgehen, wenn beispielsweise Ihre Texte in einer solchen Weise verwendet werden? Die ARD-Anstalten sind ja auch gegen Bild-TV vorgegangen, wegen der Nutzung von Prognosen, Hochrechnungen und des Interviews mit dem damaligen CDU-Generalsekretär im Zuge der Berichterstattung zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr. Wenn die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk produzierten Inhalte von allen kommerziellen Konkurrenten mitgenutzt werden könnten, dann würden wir unsere diesbezügliche Alleinstellung – und unsere Urheberschaft verlieren. Dabei geht es auch um Zuordnung und Wiedererkennung. Die Nutzung unserer Bewegtbilder führt bei den Angeboten von Herrn Kreymeier dazu, dass sie attraktiver werden und die Nutzungsdauer seiner Kanäle steigt. Denn wenn immer nur Herr Kreymeier am Schreibtisch sitzend gezeigt wird, dann stellen die Nutzerinnen und Nutzer möglicherweise schneller ab. Also im Interesse des Beitragszahlers – nur dass ich das richtig verstehe – ist sozusagen, dass die Inhalte, die mit dem Beitrag finanziert werden, nur auf den öffentlich-rechtlichen Plattformen zu finden sind? Ist das der Hintergrund? Gerner: Das haben wir nicht gesagt. Es ist im Interesse der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, dass die Inhalte, die wir journalistisch sauber recherchiert haben, nicht in einem Zusammenhang gezeigt werden, der den Inhalt extrem verändert. Da müssen wir immer schauen, ob und wie wir reagieren. Und dass die Beitragszahlenden den Inhalt auch dort finden, wo sie ihn erwarten. Ich finde, dass das im Interesse der Menschen ist. Im Übrigen finde ich Ihre Frage sehr stark vereinfachend, Sie wissen schon, dass es immer komplexer ist und es nicht nur um Ursache und Wirkung geht. Manche Dinge muss man erklären, dann werden sie auch komplex. Wenn ein Beitrag, dem eine sorgfältige Recherche zugrunde liegt, von jemanden wie Herrn Kreymeier unberechtigt verwendet und ganz anders in einem Bezahlkanal einsetzt, dann ist das nicht in unserem Interesse. Wir müssen mit unseren Beiträgen, die auch Glaubwürdigkeit herstellen, verantwortungsvoll umgehen und natürlich auch darauf achten, was andere damit machen. Das finde ich durchaus nachvollziehbar und richtig. Den Vorwurf, dass der Inhalt (des Radio Bremen-Beitrags) verändert wurde, habe ich so aus der Klageschrift nicht herauslesen können. Das wäre jetzt ein neuer Vorwurf. Gerner: Der Beitrag wurde in einen anderen Zusammenhang gestellt und damit indirekt verändert. Carlson: Herr Kreymeier muss als Medienschaffender sein Handwerk kennen. Wenn wir beispielsweise von einem Privatsender einen Ausschnitt verwenden möchten, fragen wir dort an und verwendenden die Passage dann, wenn der Sender sich einverstanden erklärt und uns die geforderte Lizenzgebühr angemessen erscheint. Der Privatsender würde es uns aber nicht gestatten, ganze 25 Minuten aus einem Beitrag zu verwenden. Weil er das, aus den gleichen Gründen wie wir, nicht will. Das hat also nichts mit Beitragszahlenden, sondern mit dem Schutzes eines Werkes zu tun. Wenn Herr Kreymeier uns vor der Verwendung der Ausschnitte gefragt hätte, dann hätten wir ihm möglicherweise eine Lizenz eingeräumt, sofern er die entsprechende Lizenzgebühr gezahlt hätte. Das gilt natürlich nur für die Passagen, die nicht vom Zitatrecht gedeckt sind. Gegen die Ausschnitte, die nach unserer Ansicht vom Zitatrecht erfasst waren, sind wir gar nicht vorgegangen. Hier geht es um das journalistische Handwerk. Wenn man an diesem Rechtsverkehr teilnimmt, muss man sich auch an die Regeln halten. Sie haben es verglichen mit dem Fall Bild TV, wo ganze Programmteile übernommen wurden. Ist dieser Fall Ihrer Meinung nach mit dem von Bild TV vergleichbar? Carlson: Vergleichbar ist daran, dass es kommerzielle Anbieter sind, die fremde Inhalte nutzen, ohne die erforderliche Erlaubnis des Rechteinhabers zu haben. Und beide haben bei Gericht verloren, weil sie gegen die bestehenden Urheberrechte der klagenden Parteien verstoßen haben. Ist Ihnen bekannt, dass der Beitrag von Holger Kreymeier ein medienkritischer Beitrag ist? Das Zitatrecht wurde laut Gerichtsurteil zu weit ausgedehnt, aber Kreymeier hat (anders als Bild TV) nicht eins zu eins übernommen, sondern Dinge kritisch kommentiert und hinzugefügt. Ist Ihnen das bekannt? Carlson: Natürlich ist mir das bekannt. Sind die beiden Fälle also vergleichbar? Carlson: Sie sind so vergleichbar wie ich es Ihnen gerade gesagt habe. Gerner: Ich finde, man muss differenziert miteinander umgehen. Sven Carlson hat das schon sehr deutlich differenziert. Dass die Fälle nicht direkt vergleichbar sind, ist klar. Aber er hat die Punkte, die ähnlich und vergleichbar sind, klar benannt. Warum war Ihnen wichtig, dass Holger Kreymeiers Beitrag entfernt wird? Carlson: Wenn wir gegen einen solchen Beitrag vorgehen, dann erwarten wir, dass Herr Kreymeier für den Fall, dass er gerichtlich unterliegt, den Beitrag auch nicht weiter öffentlich zugänglich macht, oder die Rechte im Nachhinein klärt. Wenn wir klagen, möchten wir, dass das Werk dort so nicht weiter veröffentlicht wird. Sonst hätten wir ihn auch nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen. Gerner: Das ist ein normales Vorgehen. Wenn wir verklagt würden und in einem Urteil hieße es, dass wir Dinge nicht verwenden dürfen, dann hätten wir die Passagen selbstverständlich nicht weiter zum Abruf bereitgehalten. Das ist ein normales Vorgehen. Wäre es eine Möglichkeit gewesen, auf Umsatzbeteiligung zu klagen? Also, dass Sie Herrn Kreymeier sagen für unser Material möchten wir an diesem Umsatz beteiligt werden. Wäre das für Sie eine Option? Carlson: Es ist ja vom Gericht ausgeurteilt worden, dass wir einen Anspruch auf Auskunft und Schadensersatz haben. Da geht es aber nicht um eine Umsatzbeteiligung. Grundlage des urheberrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist dadurch die fiktive Lizenzgebühr. Danach gilt das, was die Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags als vernünftigen Lizenzbetrag für die Nutzung des Rechts vereinbart hätten. Ob der Umsatz dafür reicht, da habe ich meine Zweifel. Wir würden immer die Lizenzgebühr ansetzen, die wir auch ansonsten ansetzen. Das beantwortet noch nicht ganz die Frage: Wäre es für Radio Bremen ein gangbarer Weg, zu sagen: Okay, beteiligt uns an euren finanziellen Einnahmen, und dafür könnt ihr eure Kritik üben? Gerner: Das ist eine hypothetische Frage, die man so nicht beantworten kann. Das hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Da geht es um Aufwand, Ertrag und Nutzen. Das kann nur am konkreten im Einzelfall beurteilt werden. Carlson: Sie fragen, ob wir kein Problem damit hätten, diesen Inhalt weiter im Netz zu behalten. Und da habe ich gesagt: Wenn Herr Kreymeier auf uns zukommen würde, würden wir dies zu den üblichen Konditionen machen. Es liegt also an Herrn Kreymeier, auf uns zuzukommen und zu fragen, ob er für die Ausschnitte, die das Gericht als unzulässig ansieht, eine Lizenz erwerben könne. Das erfolgt dann zu den Bedingungen, wie sie bei Radio Bremen üblich sind. Das folgt schon daraus, dass wir Herrn Kreymeier aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht gegenüber anderen Lizenznehmern bevorteilen können. Zudem haben wir wirtschaftlich und sparsam mit den Beitragsgeldern umzugehen, so dass wir auch deshalb die Marktteilnehmer nicht unterschiedlich behandeln können. Gleichzeitig wäre es hier so: Wenn es um zehn Passagen ginge, würde man eine Art Mengenrabatt – auch das ist ein übliches Vorgehen bei der Lizenzierung – bekommen, das wäre eine Frage der Verhandlungen. Ihr Ansatz einer Umsatzbeteiligung ist der falsche Weg. Wir haben ein Verfahren, wie wir das machen, wie wir lizenzieren, so würden wir das hier auch tun. Derjenige, der Rechte einräumt, bestimmt auch die Konditionen. Wir sind bei Radio Bremen traditionell überhaupt nicht an gerichtlichen Verfahren interessiert. Das hiesige Vorgehen hat auch mit der Art der Nutzung zu tun: Wenn man bei Youtube einen sogenannten Strike setzt, wird das Video gesperrt und derjenige, der den Beitrag eingestellt hat, wird darüber informiert. Das passiert häufiger. In solchen Fällen führen wir dann Gespräche mit den Einstellenden, sofern sie sich an uns wenden. Herr Kreymeier hat dagegen einen anderen Weg gewählt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er gleich ein Video hochgeladen zu diesem Strike und den Beitrag nicht heruntergenommen. Wir haben dann von Youtube die Mitteilung erhalten, dass man den Beitrag wieder zur Verfügung stellen würde, sofern wir nicht die Kopie einer entsprechenden Klageschrift vorlegen würden. So ist es zu dem Gerichtsverfahren gekommen. Wenn Herr Kreymeier vorher schon den Weg des Gespräches gewählt hätte, hätten wir sicherlich auch mit ihm gesprochen und es wäre möglicherweise nicht so weit gekommen. Das heißt, Sie sagen, dass Sie diese Klage eingereicht haben, liegt nur daran, Herr Kreymeier nicht korrekt kommuniziert hat? Carlson: Nein. Sie wollen es, glaube ich, falsch verstehen. Wenn bei Youtube etwas gesperrt wird, kann man ja vielfach reagieren. Man kann mit denjenigen, die sich in ihren Rechten verletzt fühlen, Kontakt aufnehmen. Wenn diese Brücke beschritten worden wäre, hätten wir uns nicht verschlossen. Herr Kreymeier hat sich dafür entschieden, das nicht zu tun, das ist eine Feststellung. Radio Bremen hat immer eine Bereitschaft, sich mit Menschen zu einigen und aufwendige Verfahren zu vermeiden. Gerner: Ich habe das Gefühl, als müssten wir uns dafür rechtfertigen, dass Herr Kreymeier etwas getan hat, was nicht dem üblichen Verfahren entspricht. Wir haben kein Problem damit, wenn Medienkritik geübt wird. Das ist ein normaler Prozess und ein normales Verfahren, damit gehen wir tatsächlich transparent um. Hätte Herr Kreymeier sich nur an das Zitatrecht gehalten, hätten wir überhaupt kein Thema gehabt. Hätte er sich anders verhalten, als wir den Strike gesetzt hatten, wären wir grundsätzlich bereit gewesen, eine auch für ihn gute Lösung zu finden. Er hätte vorab bei uns anfragen können, dann hätten wir uns einem Gespräch nicht verschlossen. Bezüglich Zitatrecht gibt es verschiedene Auslegungen, in verschiedenen Fällen seitens der Gerichte. Manche Leute würden wahrscheinlich auch nachvollziehen können, wie Herr Kreymeier nach seinem Verständnis das Zitatrecht ausgelegt hat. Eine Frage bezüglich der Sparsamkeit. Sie sagten, Sie müssen sparsam handeln – warum war es in diesem Fall nicht möglich, dass der Justiziar von Radio Bremen den Fall vor Gericht bringt? Warum engagierten Sie eine Anwaltskanzlei? Carlson: Weil vor dem Landgericht Anwaltszwang besteht. Ich bin zwar auch zugelassener Rechtsanwalt, standesrechtlich ist es mir aber nicht gestattet, meinen Arbeitgeber zu vertreten. Insofern herrscht ein Vertretungsverbot. Haben Sie an der Ausgestaltung der Klageschrift mitgewirkt? Carlson: Natürlich betreuen wir das mit. Wir sprechen mit der Redaktion, sehen uns die Beiträge an und sind dabei natürlich eingebunden. Warum hat die Ausgestaltung der Klageschrift unter anderem dazu geführt hat, dass noch ein Verfahren in Bremen anhängig war, von dem Radio Bremen die Verfahrenskosten tragen musste? Carlson: Wir hatten Herrn Kreymeier vor der gerichtlichen Inanspruchnahme abgemahnt wegen seines Verhaltens, um ihm die Chance zu geben, ohne gerichtliches Verfahren den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Da haben wir uns auf eine BGH-Rechtsprechung bezogen, aus der sich unserer Auffassung nach ergab, dass Beiträge, die unzulässige Inhalte enthalten, insgesamt nicht weiter bereitgehalten werden dürfen. Auf der Basis haben wir abgemahnt. Das haben die Gerichte in Berlin als unzulässig erachtet, weil wir die einzelnen Ausschnitte, die wir später in der Klage geltend gemacht haben, hätten abmahnen müssen, aber nicht den Beitrag in Gänze. Das ist etwas Formales, dadurch sind uns Kosten in Höhe von ca. 500 Euro entstanden. Die Gegenseite hat uns dafür in Bremen in Anspruch genommen, weil Radio Bremen hier seinen Sitz hat. Die Gegenseite hätte aber auch warten können, bis das im Berliner Verfahren entschieden worden wäre. Wie ist die finanzielle Bilanz in diesem Fall? Ist die für Sie ausgeglichen? Mein Kenntnisstand ist, dass Radio Bremen bislang keine finanziellen Ansprüche in dieser Sache gegenüber Kreymeier angemeldet hat. Ist das korrekt? Carlson: Wir haben bisher keinen Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Aber die Kosten für Gerichts- und Anwälte sind natürlich von den jeweiligen Parteien getragen worden, im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens. Weil wir den Strike relativ schnell gesetzt haben, vermute ich, dass Herr Kreymeier keinen Umsatz gemacht haben dürfte, bei dem es sich lohnt, die erforderlichen Auskünfte einzuholen, um etwaige Schadensersatzforderungen bemessen zu können. Ich gehe davon aus, dass wir es damit auch bewenden lassen. Auf Youtube hat Kreymeier das Video ohnehin nicht monetarisiert. Da hatte er keine Einnahmen. Carlson: Aber dort hat er durch Werbung wahrscheinlich Einnahmen. Nein, das meine ich ja mit nicht monetarisiert. Keine Werbung auf Youtube heißt keine Einnahmen auf Youtube. Dass er mit diesem Beitrag auf Youtube keinerlei Einnahmen erzielt hat, ist Ihnen das bekannt? Carlson: Das weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern, ob das bereits Gegenstand des Verfahrens war. Frau Gerner, Sie sagten bei der ARD-Pressekonferenz, es ginge hier um einen „speziellen Fall, da wurde nicht einfach Material verwendet und geuploadet, sondern es wurde zu einem anderen Beitrag verwendet und dagegen haben wir prozessiert.“ Können Sie erklären, was für Sie schwerer wiegen würde: Wenn ich Beitrag von Radio Bremen bearbeite und kommentiere, so wie es Holger Kreymeier macht hat, oder wenn ich einen kompletten Radio Bremen-Beitrag kopiere und ihn hochlade? Habe ich Sie richtig verstanden, dass für Sie der zweite Fall weniger schwer wiegt? Gerner: Sie stellen allgemeine hypothetische Fragen, das ist immer schwierig. Ich beziehe mich auf Ihr Zitat. Gerner: Ich hatte am Anfang gesagt, dass er mit viel Material von uns redaktionell etwas geschaffen hat, was deutlich über das Zitatrecht hinausging und dass es deswegen ein spezieller Fall ist. Dass Beiträge von uns zum Teil sogar in Gänze geuploadet werden, das kann man nicht verhindern. Das ist nicht nur in unserem Interesse, aber es braucht ein großes System, um dies nachzuverfolgen. Insofern können wir nicht gegen jeden rechtswidirg eingestellten Beitrag vorgehen. Wir wissen, dass Beiträge von uns hochgeladen werden, aber dann sind sie als ganze Radio Bremen-Beiträge zu sehen und erkennbar. Wenn sie monetarisiert werden und wir das erfahren, dann schauen wir, ob wir entsprechende Strikes setzen und anderweitig vorgehen können. Wir haben als kleine Anstalt nicht immer die finanziellen Mittel und personelle Ressourcen, um das tun zu können. Ich weiß, dass andere Anstalten das deutlich konsequenter nachhalten als wir. Wir haben diesen Apparat nicht, aber wenn wir Kenntnis davon erlangen, dann schauen wir uns das an. Für meine Recherche, um herauszufinden, dass Dutzende, zig Radio Bremen Produktion bei Youtube auf anderen Kanälen stehen (PDF), habe ich circa 10 bis 15 Minuten gebraucht. Es ist unbestreitbare Tatsache, dass Radio Bremen-Produktionen unkommentiert, in voller Länge von Dritten bei Youtube eingestellt werden. Warum wird gegen einen redaktionellen Beitrag vorgegangen in so einer Detailtiefe, mit einer minutiösen Auflistung in der Klageschrift, verbunden auch mit Gerichtskosten, während 1:1 kopierte Radio Bremen-Inhalte, wie Dokumentationen oder „Tatort“-Folgen seit Jahren irgendwo bei Youtube stehen (eingestellt von Dritten). Warum wird gegen einen redaktionellen Beitrag vor Gericht vorgegangen, aber 1:1 kopierte Inhalte werden nicht angetastet? Carlson: Das haben wir schon beantwortet: Das hier ist ein kommerzieller Anbieter und darum ist es ein Unterschied. Und es findet ja eine Verwendung in seinem Beitrag statt. Wenn Sie so wollen, ist es ja nicht mehr das Original. Er hat Teile verwendet, die nicht vom Urheberrechtsgesetz abgedeckt sind und ich finde, das kann man von einem Medienmacher schon verlangen, dass er sein journalistisches Handwerk beherrscht. Ich frage mich eher: Warum fragen Sie uns, wenn jemand das Recht bricht, warum wir dagegen vorgehen? Bei manchen Zitat-Stellen hat das Gericht auch Holger Kreymeier Recht gegeben, trotzdem darf er seinen Beitrag in dieser Form nicht veröffentlichen. Als Beitragszahler geht es mir auch um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Ob Rundfunkanstalten gegen einen freien Medienjournalisten so vorgehen sollten, wie Sie es getan haben. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden: Ist es für Sie mit dem Urheberrecht eher vereinbar, wenn ich als Nutzer einfach Radio Bremen-Beiträge 1:1 kopiere und bei YouTube einstelle? Gerner: Nein, das haben wir nicht gesagt. Wir haben gesagt, eine redaktionelle Bearbeitung unseres Beitrags empfinden wir als schwieriger, weil unser Material in einem anderen Kontext als Teil eines neuen Werkes verwendet wird. Das ist etwas anderes als wenn ein privater Fan Inhalte von uns hochlädt. Das kann im Übrigen auch gezielter verfolgt werden, zum Teil geschieht das übrigens auch. Studio Hamburg, die Teile unsere Fernsehprogrammvermögens verwerten, verfolgen das. Wenn uns etwas auffällt und zur Kenntnis gebracht wird, dass jemand mit unseren Inhalte finanzielle Vorteile durch die erfolgte Monetarisierung erlangt, dann werden wir da auch aktiv im Interesse der Beitragszahler. Heißt das: Wenn andere Leute Radio Bremen-Material auf Youtube monetarisieren, würden Sie dagegen eher vorgehen, als wenn ich einen Upload mache, der nicht monetarisiert ist? Gerner: Ja, in meinem Verständnis schon. Weil wir natürlich auf Social Media und weil wir in den Netzen unterwegs sind mit unseren Beiträgen Wir haben keinen Apparat dafür, dass alles jeden Tag nachzuvollziehen. Das machen ja auch selbst die größten Anstalten nicht, wenn ich das richtig verfolge. Es ist nicht nur das kleine Radio Bremen sondern auch die Großen unterscheiden da sehr stark, ob monetarisiert wird oder ob ein Fan irgendwas mal hochlädt. Lieber wäre es mir, sie würden es verlinken, das wäre total sauber. Sind Sie denn auch dankbar für Re-Uploads angesichts der Pflicht zur Depublizierung an manchen Stellen? Gerner: Dankbarkeit ist jetzt nicht der richtige Ausdruck. Wir verhalten uns rechtsgemäß und depublizieren, wenn das nötig ist. Wenn es unser eigenes Material ist, müssen wir ja gar nicht depublizieren, wenn alle Rechte bei uns liegen. Wir haben mit dem neuen Telemedienänderungskonzept jetzt gerade längere Publikationsfristen bekommen, das war in unserem Interesse und ist, glaube ich, auch im Interesse der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Ist es denn mit den Produzenten abgeklärt, dass Filme auch weiterhin auf Youtube bei Drittkanälen existieren können, ohne dass Radio Bremen, aufgrund eines fehlenden Apparats, wie Sie sagen, dagegen vorgeht? Carlson: Da das Hochladen unserer Inhalte von Dritten veranlasst wird, können wir das nicht mit den Produzenten besprechen, weil wir ja nicht wissen, was Dritte tun. Dass dies zu der Realität von Youtube gehört, wissen die Produzenten ja auch. Diese Vorgänge werden zwar bei uns in der Honorar- und Lizenzabteilung bearbeitet, aber ich weiß, dass für den Fall, dass Produzenten eigene Rechte erwerben, sie natürlich ein Interesse daran haben, dass es eben diese Abrufmöglichkeit nicht gibt. Und dann geht man gemeinsam dagegen vor. Gerner: Bei uns sind es wirklich Einzelfälle. So viele Produktionen haben wir ja gar nicht, die davon betroffen sind. Uns jetzt als Beispiel dafür zu nehmen, finde ich wirklich schwierig von Ihrer Seite aus. Es gibt bei uns Produktionen und Marken, die vom Studio Hamburg vertreten werden, die auch claimen und striken, die großen Studio-Töchter sind da durchaus unterwegs auf Youtube. Das muss man immer mit Maß und Verstand machen. Ich sehe auch Produzenten, die dort selbst unterwegs sind. Im Musikbusiness ist das sehr weit verbreitet. Wir gucken uns das selbstverständlich an. Wenn Sie in Ihrer Recherche eine besondere Auffälligkeit gefunden haben, lassen Sie mich das wissen. Ich sehe das Problem jetzt nicht ganz, worauf Sie hinaus wollen. Ob Herr Kreymeier jetzt geeignet ist, als Beispiel für einen großen Missstand dazustehen, da wage ich Zweifel, zumal wir ja ein gültiges Gerichtsurteil zu seiner Position haben. Herr Carlson, gibt es ähnliche Fälle, wo Radio Bremen gegen Beiträge vorgegangen ist, die Auszüge aus einer Radio Bremen-Produktion verwendet haben? Carlson: An so einen Fall kann ich mich nicht erinnern. Was sind es denn sonst für Fälle, wo Radio Bremen vor Gericht zieht, mit Bezug auf das Urheberrecht? Carlson: Wir gehen ja selten gegen jemanden gerichtlich vor. Eher werden wir selbst in Anspruch genommen wegen unserer Berichterstattung. Mit Bezug auf Urheberrecht erinnere ich mich jetzt an keinen anderen Fall. Gerner: Wir üben uns normalerweise in der Vermeidung, es sei denn, wir denken, wir machen mal einen Punkt. Das war damals bei der Mediatheke der Fall. Wir machen das immer mal wieder in verschiedenen Rechtsbereichen. Auch beim Auskunftsrecht haben wir uns einmal gesagt: Das ist jetzt ein Thema, da wollen wir eine Auskunftspflicht erstreiten. Manchmal setzen wir einfach den Akzent, wenn es uns wichtig ist. Wir haben relativ oft die Situation, dass wir unsere Reporter schützen müssen, weil sie angegriffen werden. Ansonsten wird immer wieder überlegt, welchen Aspekt zieht man besonders heraus und wo wägt man ab. Bei der Mediatheke hatten wir das Gefühl, wir müssen das machen. Das hat dann eine enorme Aufmerksamkeit gewonnen. Die Filmemacher, Herr Dennis Leiffels, haben die diese Klage gefordert? Carlson: Die Sendefähig GmbH, bei der Dennis Leiffels auch einer der Geschäftsführer ist, hat als Auftragsproduzentin den Film hergestellt und die Rechte auf Radio Bremen übertragen. Radio Bremen entscheidet dann allein, wie mit Rechtsverletzungen umgegangen wird. Wurde diese Klage von der Sendefähig GmbH gefordert, kommentiert, abgelehnt – gab es von deren Seite irgendeine Äußerung dazu? Carlson: Ich habe mit der Redaktion gesprochen. Es kann auch sein, dass Dennis Leiffels etwas dazu gesagt hat, aber ich erinnere das nicht mehr, es ist jetzt ein bisschen lang eher. Mein Ansprechpartner ist der Redaktionsverantwortliche und der hat uns darüber informiert. Gerner: Die Y-Kollektiv-Geschichten sind auffällige Reportagen, die im Netz einfach immer wieder auch Wirkung haben. Wir haben eine gute Redaktion hier bei Radio Bremen und natürlich blicken wir auch immer auf das, was bei den Y-Kollektiv-Reportagen passiert. Die Reportagen führen zu Debatten, sollen Debatten anregen. Die Reportagen werden natürlich auch immer eng juristisch begleitet. Ansprechpartner des Justiziariats ist aber immer die zuständige Radio Bremen-Redaktion und nicht die Sendefähig GmbH. Glauben Sie, dass es weniger Aufmerksamkeit gibt für einen Y-Kollektiv-Beitrag in der Mediathek bzw. einem offiziellen Radio Bremen-Kanal, wenn Holger Kreymeier so agiert, wie er agiert hat? War auch das ein Hintergrund Ihrer Klage? Carlson: Nein, der Grund unseres Vorgehens war die unzulässige Nutzung unseres Materials. Uns ging es darum, dass das Material von Radio Bremen jederzeit Radio Bremen zugeordnet werden kann. Das war bei dieser umfänglichen rechtswidrigen Nutzung durch Herrn Kreymeier nicht gewährleistet. Herr Kreymeier muss nur die rechtswidrig verwendeten Passagen herausnehmen und durch andere Sequenzen ersetzen. Inhaltlich ist das ja nicht eingeschränkt worden. Und das war auch nie unsere Absicht. Und weil Sie sagten, wir hätten alles minutiös aufgelistet in der Klageschrift: Das liegt in der Natur der Sache. Es geht beim Zitatrecht ja gerade darum zu klären, ob die jeweilige Verwendung des fremden Inhalts urheberrechtlich noch gedeckt ist und einen Beleg für die Aussage des Nutzenden darstellt. Darum muss man – wenn Sie so wollen mit einem Maßband und einer Stoppuhr agieren. Können Sie denn verstehen, dass es ein Widerspruch ist, wenn Sie einerseits mit Maßband gegen jemand wie Holger Kreymeier vorgehen und auf der anderen Seite, wenn abendfüllende Produktionen komplett kopiert werden, nicht dagegen vorgegangen wird? Ist das für Sie kein Widerspruch? Carlson: Das haben wir schon beantwortet. Gerner: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Das eine ist Klauen und Kopieren und das andere ist Zitieren. Carlson: Nein, gerade nicht. Die angerufenen Gerichte haben festgestellt, dass die Voraussetzungen des Zitatrechts in Bezug auf die Passagen, bei denen unsere Rechtsauffassung bestätigt wurde, nicht vorgelegen haben. Darum war deren Verwendung rechtswidrig. Das ist auch Klauen – um Ihren Terminus aufzugreifen. Gerner: Es war eben kein Zitat. Das Zitatrecht wurde überschritten Gerner: Es war „Klauen“ und eine Verwendung in seinem eigenen Beitrag, die über das Zitatrecht hinausging. Das ist etwas anderes als einen Beitrag 1:1 hochzuladen. Und das 1:1 Hochladen ist für Sie in Ordnung? Gerner: Nein, das habe ich schon drei Mal gesagt, dass es nicht so ist. Aber Sie gehen ja nicht dagegen vor. Gerner: Auch das habe ich nicht gesagt, sondern deutlich differenzierter geantwortet. Ich finde es schwierig, wenn Sie generalistisch versuchen, das neu zusammenzufassen, auch wenn wir das Gegenteil gesagt haben. Das ist meine Beobachtung. Ein Anderes Beispiel: Eine relativ bekannte Radio Bremen-Produktion ist die Sendung 3nach9. Wenn man auf Youtube nach dem bekanntesten Beitrag dieser Sendung sucht, jener mit den meisten Klicks – der steht nicht bei Radio Bremen. Der wird monetarisiert und steht seit zwölf Jahren online. Der hat viele Millionen Klicks und Sie gehen seit 12 Jahren nicht dagegen vor. Carlson: Das setzt ja Kenntnisnahme von dem Verstoß voraus. Ich wusste bislang nicht, dass es das von Ihnen vorgetragene Bereitstellen eines 3nach9-Beitrags gibt. Wenn wir jeden Tag nach Beiträgen suchen sollten, die bei Youtube oder anderen Drittplattformen eingestellt sind, bräuchten wir mindestens drei oder vier KollegInnen, die wir neu einstellen müssten. Dass das nicht im Sinne des Rundfunkbeitragszahlenden ist, dürfte naheliegend sein. Bei Herrn Kreymeier haben Sie den Strike binnen wie viel Stunden oder Tagen gesetzt? Carlson: Ja, weil wir davon durch die Redaktion Kenntnis erlangt hatten. Wir als Justiziariat wurden von dort gebeten, uns den Beitrag anzusehen und zu prüfen, ob dort die Voraussetzungen des Zitatrechts eingehalten worden seien. Das lag sicherlich auch daran, dass wir bezogen auf die von uns verantworteten Inhalte bei der Anwendung des Zitatrechts umgekehrt immer recht streng sind. Sie sagen, Kreymeier zitiert nur. Nein, er zitiert nur an den Stellen, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, an den anderen Stellen nutzt er das Material rechtswidrig und damit in unzulässiger Weise. Es gibt vergleichbare Fälle, wo Herr Kreymeier auch Recht bekommen hat, mit ähnlichen Zitatformen. Insofern ist das jetzt auch nicht komplett unstrittig. Es ist dieses Urteil, das ist mir klar. Gerner: Ihre These ist ja, dass wir das nicht hätten machen sollen. Sie wollen ja – wenn ich Sie jetzt mal genauso falsch verstehe – mir nicht suggerieren dass ich jetzt drei Leute mehr bezahlen soll, die z.B. gegen Fans von 3nach9 vorgehen sollen, die ein Video hochgeladen haben und dadurch weitere Ausgaben produziere? Das Beispiel, das Sie anführen, soll seit zwölf Jahren abrufbar sein. Aber offen ist doch, ob das auch seit zwölf Jahren monetarisiert wurde. Das gucken wir uns aber gern nochmal an. Zur Aufgabe des Justiziars von Radio Bremen gehört es also nicht, Rechteverletzungen bei Youtube nachzuverfolgen? Ich habe das in 10 Minuten Youtube-Recherche herausgefunden. Carlson: Sie haben in zehn Minuten so und so viele Links gefunden. Aber damit ist es doch nicht getan. Sie sehen doch, was das Vorgehen gegen Herrn Kreymeier für Arbeit gemacht hat. Wir brauchen nur wieder einen Nutzer, der ein großzügiges Verhältnis zur deutschen Rechtsordnung hat und glaubt, dass das Einstellen von Beiträgen auf Youtube zulässig ist. Dann führen wir wieder ein solches Verfahren. Wenn Sie etwas in zehn Minuten finden, heißt das umgekehrt nicht, dass die jeweiligen Beiträge in 20 Minuten aus dem Netz verschwunden sind. Natürlich ist es die Aufgabe des Justiziars, auch Rechtsverstöße nachzuverfolgen, wenn er sie kennt – und wenn das Haus der Auffassung ist, wir sollten dagegen vorgehen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, das Internet zu durchsuchen nach etwaigen Bewegtbildschnipseln oder ganzen Folgen von Serien von Radio Bremen. Gerner: Diese Youtube-Recherchen, das machen die in den großen Häusern mit der Verwertung beauftragten Bereiche. Das ist ein aufwendiger Prozess. Da muss man tatsächlich überlegen, ob das Verhältnis von Kosten und Nutzen stimmt. Sie haben jetzt mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass eine 1:1-Übernahme nicht so gravierend ist wie das, was Herr Kreymeier gemacht hat Gerner: Wir haben gesagt, in diesem Fall ist es nicht so. Wenn es uns so etwas auffällt, gehen wir dem nach. Und wenn wir denken, dass wir gute Chancen haben, auch Recht zu bekommen, dann machen wir das. Wie gesagt: Das muss unter Kosten-Nutzen-Aspekten abgewogen werden. Wie ist hier die Kosten-Nutzen-Abwägung? Radio Bremen hatte Verfahrenskosten, hat aber noch nicht mal finanziell Forderungen geltend gemacht, gegenüber Holger Kreymeier. Gerner: Der Nutzen besteht in der Klärung, dass das Material nicht in dieser Gänze verwendet werden durfte. Das ist ein Nutzen für uns, der relevant ist. Frau Gerner, wenn Sie noch mal zurückblicken auf Ihre journalistische Laufbahn und jetzt betrachten, dass Sie hier gegen einen kritischen, journalistischen Beitrag vorgegangen sind: Haben Sie trotzdem, auch als Journalistin, hier ein komplett gutes Gewissen, dieses Verfahren so geführt zu haben? Gerner: Das Verfahren ist noch unter meinem Vorgänger begonnen worden. Ich habe Vertrauen, dass Radio Bremen und die Kollegen, die das veranlasst haben, immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Deswegen stehe ich auch weiter dazu. Ich finde, dass es journalistisch relevant ist, in diesem Fall zu überprüfen: Wie viel von unserem Material darf redaktionell verwendet werden? Wo endet das Zitatrecht? Das haben wir getan. Herr Kreymeier vermutete in seinem Beitrag, dass für den Film der Sendefähig GmbH Tonaufnahmen gemacht wurden von Protagonisten, die dem nicht zugestimmt haben. Wurde diesem Verdacht nachgegangen? Carlson: Ich erinnere mich daran nicht. Haben Sie die Szene vor Augen? Es geht um sogenannte „Erinnerungsprotokolle“, die dann nochmal genau wortgleich nachgesprochen werden. Da steht der Verdacht im Raum, dass Tonaufnahmen gemacht wurden von Leuten, die dem nicht zugestimmt haben. Wenn sie dem Verdacht nicht nachgegangen sind: Können Sie ausschließen, dass für diesen Film Tonaufnahmen gemacht wurden, ohne dass Protagonisten dem zugestimmt haben? Carlson: Ich kann Ihnen sagen, was wir den Redaktionen als Justiziariat mitteilen, nämlich dass das Herstellen solcher Mitschnitte strafbar ist. Darum sind die KollegInnen gehalten, die Mikrofone an den Kameras in solchen Fällen auszuschalten. Insofern gehe ich davon aus, dass man sich daran auch hier gehalten hat. Ich glaube nicht, dass sich ein Journalist von uns strafbar machen will. Gerner: Der Beitrag wurde abgenommen und normalerweise werden diese Fragen alle gestellt. Sie haben bei Herrn Kreymeier angefragt, wie hoch die Einnahmen mit seinem Beitrag waren (auf massengeschmack.tv). Diese liegen im zweistelligen Bereich. Ist Radio Bremen an diesem zweistelligen Betrag in irgendeiner Form interessiert? Carlson: Ich kann es nicht abschließend sagen, weil das hier eine Kollegin betreut, der ich nicht vorgreifen will. Ich kann es mir persönlich aber nicht vorstellen. Am Ende waren dann die Kosten, die entstanden sind für Anwälte und Verfahrenskosten, gut investiert für Radio Bremen? Gerner: Ich bin nicht sicher, ob juristische Themen immer unter reinen Kostengesichtspunkten analysiert werden können. Wir machen das sehr selten und sehr überlegt. Dass da auch ein Nutzen in einer Rechtsklärung liegen kann, das haben wir herausgestellt. Die Frage, wie Sie sie gestellt haben, finde ich nicht richtig. Aber meine Antwort finde ich auf eine neutraler gestellte Frage in Ordnung. Zum Schluss noch zu einem Thema, was ich öfter auf ARD-Pressekonferenzen angesprochen habe, insbesondere beim früheren BR-Intendanten Ulrich Wilhelm. Da Sie kürzlich gegenüber Bremen Zwei die sehr „große Transparenzkultur“ von Radio Bremen betont haben: Ich habe mich gewundert, dass ich auf der Radio Bremen-Website keine Informationen dazu finde, in welchen Gremien Sie sitzen. Kommt das noch oder sitzen Sie in keinen Gremien? Gerner: Ich sitze tatsächlich nicht in vielen Gremien. Wir haben auf der Transparenzseite nur die kostenrelevanten Dinge aufgeführt. Ich sitze in keinem kostenrelevanten Gremium. Ich bin gerade in den Verwaltungsrat vom Deutschlandradio für ein Jahr nachgerückt, das muss ich mir noch näher angucken. Aber ich bin ansonsten nur in den qua Rolle-Vertretungen: in der Degeto, in der SportA und in der arte Deutschland Gesellschafterversammlung. Und beim Deutschen Rundfunkarchiv bin ich im Verwaltungsrat. Das sind die Gremien, in denen ich kraft meines Amtes als Intendantin von Radio Bremen sitze, ohne dafür finanziellen Entschädigungen oder Ähnliches zu erhalten. Deswegen sind diese Tätigkeiten nicht aufgeführt, zumal sie in dem GSEA-Bericht (Gemeinschaftseinrichtungen der ARD) aufgeführt sind. Wenn die ARD das weiter standardisiert, werden wir das sicherlich auch übernehmen. Dann wird dort immer die Summe null stehen. Auch der Gremiensitz bei der Degeto wird nicht vergütet? Gerner: Nein. Ich habe hier noch ein Zitat von Elmar Theveßen (ZDF): „Ich bin der Meinung, ein Journalist sollte gar kein Parteibuch haben, ich habe auch keins. Und wenn ein Journalist Mitgliedschaften hat, sollte er diese offenlegen.“ Warum gehört diese Transparenz nicht zur Transparenzkultur bei Radio Bremen? Gerner: Ich wüsste nicht, dass es zu irgendeiner Transparenzkultur gehört, aber am Schluss bin ich als Intendantin Radio Bremen allen demokratischen Parteien verpflichtet. Ich fand es interessant, wie Kai Gniffke zuletzt in Rundfunkrat des SWR erklärt hat und kann das voll unterschreiben: Ich glaube, jeder von uns steht für irgendetwas. Sie stehen für Dinge und haben Überzeugungen, privat hat man das, in der Rolle hat man das aber nicht. Elmar Theveßen sagt weiter: „Am Ende dient es der Glaubwürdigkeit, wenn man es Transparenz macht.“ Gerner: Darüber würde ich dann diskutieren. Ich weiß das nicht. Ich habe aus gar keinen Dingen bei mir jemals ein Geheimnis gemacht. Insofern muss man dann überlegen, wie man das veröffentlicht und diskutiert. Auch ein Elmar Theveßen steht für Dinge. Ich schätze ihn sehr, er ist ein toller Journalist und Kollege. Der weiß auch immer zu differenzieren zwischen persönlicher Überzeugung und journalistischer – und das weiß auch ich seit Jahrzehnten. Genau, wenn er da differenzieren kann, wäre es doch eigentlich auch okay, wenn man die Parteimitgliedschaft transparent macht. Sie haben das nicht vor? Gerner: Wir können das zu gegebener Zeit gern diskutieren. Das betrifft ja nicht nur mich allein. Ich finde, wir sind schon sehr transparent. Und alles, was der Glaubwürdigkeit dient, unterstütze ich. Ich glaube aber, dass man Dinge immer auch erklären muss. Und wo hört es dann auf? Muss ich dann auch transparent machen, dass ich in der katholischen Kirche bleibe oder noch bin? Wer definiert, welchen Transparenzgrad der Maßstab ist? Darüber denke ich nach und werde das– wenn es soweit ist- dann auch im Kreis der ARD-KollegInnen diskutieren.

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