Eine Kolumne von Nils Pickert Triggerwarnung: Der folgende Inhalt behandelt das Thema Stalking und Belästigung. »Im Grunde genommen ist es niemals zu spät. Es besteht immer die Möglichkeit, mit ihr zu interagieren, einen Funken Anziehung zu erzeugen und sie zurückzugewinnen.« Sagt Dan Bacon, einer dieser viel zu zahlreichen selbsternannten »Datingcoaches«, die Männern erzählen, wann das »Nein!« einer Frau ein »Ja« bedeutet und andere gruselige Dinge. Darunter eben auch, dass es nie zu spät ist, seine Ex zurückzugewinnen. Immerhin gebe es ja sogar Frauen, die zu gewalttätigen Arschlöchern zurückkehren, und auch wenn das natürlich irgendwie problematisch sei, zeige es doch, dass Frauen selbst in »schwierigen Situationen« zurückzugewinnen seien. Denn Frauen reagierten nun einmal auf die Führung von Männern, wenn es um Dating und Romantik geht. So weit, so eklig. Dan Bacon ist nicht der erste widerliche Alphacoachdulli und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch leider nicht der letzte sein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er sich an Männer heranwanzen kann, die – wie wir alle – mit einer übergriffigen Vorstellung von Romantik aufwachsen. Romantik bedeutet demnach ganz große Gesten. Es bedeutet, die Initiative zu ergreifen, Interesse zu bekunden und Widerstände zu überwinden. Es bedeutet im Kern aber eben auch, die Realität des Desinteresses von Frauen nicht anzuerkennen und aus einem »Nein« ein »Ja« zu machen. Romantik redet uns ein, dass dieser Prozess eine Transformation wäre. Tatsächlich ist es eine Manipulation. Selbst wenn man die romantischen Gesten nicht ernst meint, wie im Falle von männlichen Alphacoachdulliopfern, dann kann man sie doch zumindest benutzen: Zugriff und Verfügungsgewalt. Aber auch wenn sie ernst gemeint sind und die betroffenen Männer zu deutlich größeren Gesten bereit sind als Alphacoachdulliopfer, sind sie nicht weniger problematisch und übergriffig.Nein, es ist nicht süß, wenn du einer Frau in einem öffentlichen Verkehrsmittel die Kopfhörer von den Ohren ziehst und sie anlaberst, weil sie ja deine große Liebe sein könnte.Es ist auch nicht in Ordnung, der hübschen Verkäuferin von Aldi über mehrere Filialen nachzucreepen, weil Mann ihr unbedingt sagen muss, wie toll Mann sie findet. Und »immer daran zu glauben, dass sie irgendwann doch noch/wieder mit dir zusammenkommt« ist keine gute Eigenschaft. Genau genommen ist es ziemlich furchtbar. Deine Spende gegen Sexismus! Aber so haben wir das nun einmal gelernt. In Filmen wie Tatsächlich Liebe zum Beispiel, die vor toxischen, übergriffigen Romantikgesten nur so triefen. Mit Sätzen wie »Du hast nichts zu verlieren, du wirst es ewig bereuen, wenn du es nicht tust«, die an kleine Jungen gerichtet werden, weil diese sich »unsterblich verliebt« haben. Mit romantischen Liebeserklärungen an die Frau des besten Freundes. Und mit jeder Menge Fettenwitze auf Kosten von Frauen. Zu verstehen, wie tief romantische Narrative über solche Filme, Songs, Bücher, Bilder, Märchen, Memes und popkulturelle Referenzen von ewiger Liebe und großen Gesten in uns eingeschrieben werden, ist wichtig, um zu begreifen, warum alle Beteiligten so reagieren, wie sie es tun. Warum zunächst eine geschlechtsübergreifende Welle des »Awwwww!« durch das Internet rollt, wenn ein Mann seiner Partnerin einen hochaufwändigen, öffentlichen Heiratsantrag macht und sie der gesellschaftlichen Regieanweisung folgend mit Tränen in den Augen die Hand vor den Mund schlägt und »Ja, oh mein Gott, Ja!« sagt – obwohl es bei näherer Betrachtung ziemlich übergriffig ist, eine Situation vor Publikum herzustellen, die extremen Druck aufbaut und ihr unfassbar unangenehm werden könnte. Es ist auch deshalb wichtig, um nicht aus den Augen zu verlieren, dass Männer so nur versuchen, den Erwartungen zu entsprechen. Denn genau das bekommen sie doch vermittelt: Wage die große Geste.Werbe hartnäckig um sie, bis du dein Ziel erreicht hast.Lass dich von einem »Nein!« nicht entmutigen.Gib nicht auf, im Grunde gefällt es ihr doch.Und natürlich: »Du hast nichts zu verlieren, du wirst es ewig bereuen, wenn du es nicht tust.« Es bringt also nichts, Männern einfach nur vorzuwerfen, sie würden sich in solchen Situationen falsch verhalten, wenn sie mit einiger Berechtigung davon ausgehen können (oder sogar müssen), dass dieses Verhalten romantisch und ggf. erwünscht ist: Er hat mich im Bus angesprochen, das war total süß. Er hat mich an der Kasse gesehen und ist mir über drei Filialen nachgefahren, bis er meine Nummer hatte. Eigentlich wollte ich nichts von ihm, aber er hat einfach nicht aufgegeben. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir Flirten und Beziehungsanbahnung anders gestalten. Und apropos ändern: Romantische Übergriffigkeit ist auch nicht lustig oder liebevoll, wenn sie von Frauen ausgeht und Männer zu Opfern macht. Ich erinnere mich daran, dass vor einiger Zeit ein Ausschnitt aus dem Stand-Up-Programm der dänischen Comedian Sofie Hagen die Runde machte. Darin ging es um eine Freundin von ihr, die sich an einem Mann nach einem One-Night-Stand dafür rächt, dass er vier Monate später eine Freundin hat, indem sie vortäuscht, seinen vollen Namen als Tattoo auf dem Arm zu tragen. Die Punchline am Ende ist, dass sie selbst diese Freundin ist. Die eigentliche Punchline ist jedoch die in den Raum gestellte Verängstigung des Mannes damit, etwas falsch gemacht bzw. falsche Signale ausgesendet zu haben und jetzt dafür verantwortlich zu sein. Hagen sagt anfangs selbst, dass der Typ das darf: Einen One-Night-Stand haben und vier Monate später eine Freundin. Gerächt wird sich trotzdem. Mit einer Nachricht und dem Foto vom Fake-Tattoo des vollen Namens sowie danach Handy Abstellen für volle 18 Stunden. Kategorie romantische Stalking-Geste. Damit der Typ mal so richtig Schiss kriegt. Ich erinnere mich daran, dass der Clip in meiner feministischen Blase sehr gefeiert wurde. Ich fand das nicht witzig. Auch nicht mit Blick auf die Möglichkeit, dass hier Frauen lachen, die alle zu viele Erfahrungen mit manipulierenden, creepy Typen machen mussten, die Frauen in One-Night-Stands reinquatschen und sich anschließend verpissen. Davon ist hier aber nicht die Rede und Nein heißt immer noch Nein. Die Aussage, die die Autorin Sian Norris anlässlich des Mannes gemacht hat, der so lange in einem Park in Bristol Piano spielen wollte, bis seine Exfreundin zu ihm zurückkehrt, gilt geschlechtsübergreifend: Men, women are allowed to leave you. You are not entitled to a girlfriend.Media, stop romanticising controlling, stalker behaviour. https://t.co/qN3g0fa9DQ sianushka (@sianushka) September 9, 2017 »Männer, Frauen dürfen euch verlassen. Ihr habt keinen Besitzanspruch auf eine Freundin. Medien, hört damit auf, kontrollierendes Stalkerverhalten zu romantisieren.« Wir müssen nicht nur damit aufhören, kontrollierendes Stalkerverhalten zu romantisieren, sondern auch damit, Romantik als brauchbare Vorlage für Beziehungsanbahnung und Liebe zu verwenden. Denn das ist sie nicht, egal wie sehr wir es uns wünschen.Damals nicht. Dont fall in love or someone will die.Gepostet von 9GAG am Mittwoch, 27. Februar 2019 Heute nicht. Und in Zukunft auch nicht. Bist du betroffen von übergriffigem Verhalten oder häuslicher Gewalt? Hier bekommst du Hilfe! Der bff, Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, bietet eine Suchfunktion zu Hilfe vor Ort an. Die Anlaufstelle »Weisser Ring« berät Betroffene von sexualisierter Gewalt und Stalking. Das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch erreicht ihr anonym, kostenfrei, mehrsprachig und in Gebärdensprache. Ihr könnt auch anrufen, wenn ihr euch noch nicht sicher seid, was ihr braucht oder die Online-Beratung nutzen. Stop-Stalking bietet Hilfe per Telefon oder auch online (anonym) für Menschen, die gestalkt werden, aber auch Menschen, die stalken (in vielen verschiedenen Sprachen). Wenn wir von Frauen und Männern sprechen, beziehen wir uns auf strukturelle gesellschaftliche Rollen, die weiblich und männlich gelesene Personen betreffen. Gleiches gilt für die Adjektive »weiblich« und »männlich«. In Statistiken und Studien, die wir zitieren, wird leider oft nur zwischen Frau und Mann differenziert. Kommentare zu diesem Text könnt ihr uns in unseren Netzwerken hinterlassen und dort mit fast 140.000 Menschen teilen! Bildquelle: Pinkstinks Germany e.V. Der Beitrag Romantische Übergriffigkeit erschien zuerst auf Pinkstinks Germany.
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