Sören will die Sauce nicht. Warum Veganer so tierisch nerven.

(erschienen in Christ & Welt am 30.10.2014) Veganer nerven. Gerade hat man sich mit der Familie zu Tisch gesetzt und atmet den Duft eines Lammbratens ein, da sagt der neue Freund der jngeren Schwester: "Ich esse kein Fleisch." Und weil er Dreadlocks und so einen selbstgerechten Zug um den Mund trgt, ist mir gleich klar: Der hat keine Allergie nein, das ist ein von der eigenen Ethik berauschter Spieer, der uns das Abendessen verleiden will. Denkt dieser Tierschtzer auch mal an uns Menschen? Beim Versuch, diesem Sren wenigstens etwas Sauce ber die Beilagen zu gieen, fragt er meine Mutter: "Ist da Sahne drin?" Wie bitte? Hre ich Recht? Kein Zweifel: Der Freund meiner Schwester ist Veganer. Wre er doch stattdessen schwul! Damit knnte ich umgehen. Am Tisch kommt Unruhe auf. Mutter fragt ihre Tochter: Und du? Isst du etwa auch kein Fleisch mehr? Aber Sauce darfst du doch noch? In den folgenden Wochen suche ich Argumente, die man gegen Veganismus ins Feld fhren kann, bevor dieser Irrsinn noch mehr Mitglieder unserer Familie befllt. So ganz ohne tierische Eiweie muss es doch zu Mangelerscheinungen kommen. Am Ende stehen da klapperdrre Hnflinge, die sich nicht mehr konzentrieren knnen, weil ihnen die Synapsen schrumpfen. Gut, Gorillas ernhren sich auch rein pflanzlich, aber mit Tier-Mensch-Vergleichen sollte man vorsichtig sein. Dann stoe ich im Netz auf Patrik Baboumian, den angeblich strksten Mann Deutschlands, der nebenbei auch noch Veganer ist. Obendrein lese ich eine Studie der American Dietetic Association der weltweit grten Organisation von Ernhrungsexperten. Ergebnis: Sogar Heranwachsende knnen mit etwas Knowhow und ein paar Nahrungsergnzungsmitteln problemlos vegan ernhrt werden. Also anders: Der Mensch ist nun einmal ein Allesfresser. Er hat schon immer Fleisch gegessen. Man muss sich nur seine Reizhne ansehen. Und seine Klauen. Gut, wir mssten heutzutage kein Fleisch mehr essen, und wrden dann oft sogar gesnder leben, aber soll man etwas aufgeben, nur weil man das kann? Menschen haben schon so viel aufgegeben, blo weil sie es konnten: Altenttung, in Hhlen schlafen, Fkalien auf die Strae schtten Ich werde bei dieser Aufzhlung ganz nostalgisch. Meine Schwester nicht. Ich versuche, ein Brevier ber dieses dekadente Phnomen der verwhnten Mittelschicht im 21. Jahrhundert zu verfassen und entdecke Denkwrdiges: Hesiod beschreibt in Werke und Tage das goldene Zeitalter als eines, in dem noch kein Fleisch gegessen wurde. Etliche Anhnger des Pythagoras sollen aus spirituellen Grnden Vegetarier gewesen sein, ebenso viele Platoniker und Neuplatoniker. Plutarch schrieb im ersten nachchristlichen Jahrhundert in seinen Moralia ber das Fleischessen: Aber nichts kann uns rhren []. Um eines Stckchen Fleisches willen rauben wir ihnen Sonne, Licht, Leben, fr die sie doch geschaffen sind. Und Leonardo da Vinci wird folgender Satz zugeschrieben: "Ich habe schon in jngsten Jahren dem Essen von Fleisch abgeschworen, und die Zeit wird kommen, da die Menschen wie ich die Tiermrder mit gleichen Augen betrachten werden wie jetzt die Menschenmrder." Noch gebe ich nicht auf: In Wagners Essay Religion und Kunst wird der Fleischkonsum als nichtarische Tradition verteufelt. Es ist der ungerechte Judengott, der Abels Fleischopfer anerkennt, Kains Feldfrchte aber verschmht. Derlei Denken beeinflusste Hitler und andere Kraft-durch-Freude-Antisemiten. Und das werde ich meiner Schwester brhwarm einschenken: Hitler war Vegetarier. Wenn das mal kein Argument gegen fleischlose Ernhrung ist! Allerdings stimmt es nicht: Hitler wird von Biographen wie Payne und Speer als Fleischesser beschrieben, der Leber und Wrstl liebte und alle vegetarischen Organisationen verbieten lie. Aus gesundheitlichen Grnden (z.B. Blhungen) lebte er phasenweise vegetarisch, und aus Imagegrnden lie er sich als vitaler Asket darstellen. Aber selbst wenn Hitler Veganer gewesen wre was sollte das fr ein Gegenargument sein? In seinem lesenswerten Artikel Tier und wir schreibt Heiko Werning, dass der vegane Lebensstil halt auch so ein Luxusprivileg ist, denn der grere Teil der Weltbevlkerung hat erst gar nicht die Mglichkeit, ohne das Risiko gesundheitlicher Folgeschden auf tierische Produkte in der Ernhrung zu verzichten. Das klingt plausibel. Nur was soll daraus folgen? Sollen wir aus Solidaritt mit den rmsten der Armen auf 1. Welt-Firlefanz wie Menschenrechte, Umwelt- und Tierschutz verzichten? Mit dem Vorschlag brauche ich meiner Schwester nicht zu kommen. Ich lese ein paar wissenschaftliche Texte in Zeitschriften wie Ecological Economics oder American Journal of Clinical Nutrition. Und wie befrchtet jetzt wird es kompliziert. Um es kurz und vereinfacht zusammen zu fassen: Auf absehbare Zeit wird sich die Menschheit nicht fleischfrei und schon gar nicht komplett vegan ernhren knnen, aber sie sollte sich zum Schutze von Ressourcen in diese Richtung entwickeln. Diese Analyse beeindruckt mich allerdings weniger als ein Ausflug mit meiner Schwester. Auf einem Biohof bekomme ich ein Ferkel in den Arm gelegt. Babys stupst es mit seinem Rssel gegen meine Brust. Es ist ganz eindeutig: Das ist ein empfindungsfhiges Lebewesen und keine Ware zu meinem Genuss. Wie menschlich ich bin, zeigt sich wahrscheinlich auch an meinem Umgang mit Tieren. Jetzt habe ich den Salat. Das leckere Fleisch! Das Stck Lebenskraft! Dieses mnnliche Gefhl beim Grillen einer selbst gekauften Wurst! Weil ich weder auf Fleisch verzichten noch Tiere leiden lassen will, rede ich mir ein, nur noch Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen. Wild und Bio! Fleisch von glcklichen Tieren! Als ich mich ein paar Wochen spter beim Essen eines BigMcs ertappe, wird mir klar, dass ich bei jeder dritten Gelegenheit auch Fleisch ohne Gtesiegel konsumiere. Auerdem ahne ich, dass die meisten Biotiere auch nur so lang und ertrglich leben, wie es mit dem Ziel des Profits zu vereinbaren ist. Andererseits: In einer Veganer-Welt wrden diese Zuchttiere gar nicht leben. Nun gut. Es gibt ja noch leckere Kse-Omeletts. Allerdings dmmert mir bald, das fr die Milchproduktion, Klber der Mutter weggenommen und selbst zu Milchkhen oder zu Wiener Schnitzeln werden. Und die deutsche Legehennenzucht bedeutet fr 45 Millionen mnnliche Kken jedes Jahr den Tod durch Schredder oder Gas oder Verftterung im Zoo. Es ist zum Verzweifeln: Wenn man der Moral einmal den kleinen Finger reicht, will sie bald die ganze Hand. Wo ist da mal Schluss? Und das ist der Hauptgrund, warum Veganer so unglaublich nerven: Bei denen ist nicht Schluss, wo beim gesunden Volksempfinden Schluss ist. Nur wie gesund ist das Volksempfinden? Wo es frher einmal in der Woche ein Stck Braten gab, mssen heute die putzigen Grnen nur einen fleischfreien Tag in der Kantinen-Woche vorschlagen und schon rasten viele aus, wie Alkoholiker, denen man den Fusel wegnimmt. Sind wir Junkies einer Fleischindustrie, die dem wachstumsideologischen Motto Zuviel ist nicht genug folgt? Bereits als ich ein Kind war, versuchte mich der Dorffleischer mit einer Scheibe Brchenwurst pro Besuch anzufixen. Vor seiner Metzgerei stand ein Pappaufsteller: Ein grinsendes Schwein mit Serviette um den Hals und Messer und Gabel in den Klauen. Botschaft: Hier schmeckts auch den Schlachttieren. hnlich hirnverklebend funktioniert heute eine Zeitschrift wie Meat, die der Bauernverband herausgibt: Gut, gesund, nachhaltig Fleisch gehrt dazu!. Wie soll ich nach jahrzehntelanger Konditionierung da einfach aussteigen? Manche Veganer sagen, man msse im Prinzip auf nichts verzichten, das sei ganz leicht, und die teure vegane Boulette im Plastikpack mindestens genau so lecker wie die frher von Muttern. Bldsinn! Rieche ich Grillgut, tanzen meine Synapsen wie bei einem Hund. Ich finde es schwer, auf Fleisch zu verzichten und uerst schwer auch alle anderen Tierprodukte zu meiden. Vielleicht liegt es auch daran, dass mir das Leid von Tieren nicht so nahe geht, wie Menschen, die diese Schutzschicht aus Ignoranz nicht besitzen. Ich bin nicht stolz darauf. Ich schme mich nicht dafr. Ich wundere mich, wie unterschiedlich die Sedativa verteilt sein knnen. Ich wundere mich auch ber die Aggressivitt mancher Veganer. Bei kaum einem Thema wird in Internetdiskussionen oder Leserbriefen ein derart brutales Vokabular benutzt: Schadenfreude ber verunglckte Walfnger (die vielleicht auch Familie hatten). Fleischesser werden als Mrder bezeichnet, die man selbst mal in die Gaskammer schicken sollte. Die ganze Menschheit ist ein Geschwr, das sich hoffentlich bald auslscht. Was mag dahinter stecken? Frust, weil man sich mit der eigenen Sensibilitt permanent nicht gesehen und ausgegrenzt fhlt? Biographisch bedingte Enttuschung und Wut, die sich in der Liebe zu Tieren und im Hass auf die bsen Fleischesser Ventile sucht? Selbsthass, der nach drauen drngt? Es stimmt mich nachdenklich, dass die weltweit bekannteste Tierrechtsorganisation PETA regelmig den Holocaustvergleich bemht. Plakatkampagnen zeigen Legehennen neben KZ-Hftlingen und Haufen mit getteten Schweinen neben Bergen vergaster Juden. Werning schreibt zu Recht, dass selbst wenn die Initiatoren damit den Wert des Huhns oder Schweins unterstreichen wollten, fr die Mehrheit der Betrachter der Unwert des Juden dargestellt werde. Mich rtteln solche Kampagnen nicht wach, sie stoen mich ab. Ich glaube nicht, dass sich Empathie herbeibrllen lsst, sie lsst sich nur vorleben. Und es bessert mich nicht, mich als schlechter Mensch zu beschimpfen, weil es mir manchmal nicht wichtig ist, auf tierische Produkte zu verzichten: Vom Molkepulver in den Chips ber die Fleischbrhe in der vegetarischen Asia-Imbiss-Suppe bis zur gemtlichen Essenseinladung bei Freunden oder einem Kse-Fressanfall. Und es geht ja nicht nur um Ernhrung: Was ist mit Tierversuchen fr Kosmetika? Was ist mit Autofahren, Stdtebau, Flugreisen, Plastiktten? Manchmal liege ich im Bett und mir wird bewusst, dass in genau diesem Moment Menschen verhungern oder vergewaltigt oder gefoltert werden. Ich wei, dass gerade ein rumnischer Arbeiter mit Werkvertrag zum Dumpinglohn Dutzenden Ferkeln den Schdel zertrmmert. Ich kann meistens trotzdem gut einschlafen, weil ich dieses Wissen ausblende. Blende ich es nicht aus, fhle ich mich sofort berfordert. Ich werde nie so leben, dass es nicht auch anderen schadet. Ich werde immer hinter meinen Mglichkeiten, Gutes zu tun, zurckbleiben. Jhrlich verhungern zehn Millionen Menschen. Wir lassen sie verhungern nennt Jean Ziegler sein letztes Buch. Schon kleine Spenden wrden Leben retten. Aber wer spendet 1% seines Einkommens? Oder 5%? Oder 10%? Und wieviel wre genug? Wieso rasten bei diesem Thema Menschen nicht so aus, wie bei dem Thema Massentierhaltung? Und sind Almosen eine nachhaltige Lsung oder halten sie blo eine ungerechte Struktur aufrecht? Hilft man den Nherinnen in Bangladesch, wenn man ihre Erzeugnisse nicht mehr kauft? Und sind das Fragen, mit denen der Konsument ganz allein dastehen muss? Sind das nicht berindividuelle politische Fragen? Jesus sagt, um ihm nachzufolgen, msste man alles verkaufen, was man hat, und den Erls den Armen geben. Aber danach wre man ja selbst arm und knnte sich den Erls selbst geben, wenn man ihn noch htte. Wie erschlagen liege ich auf dem Bett. Und denke pltzlich: Du kannst nichts dafr. Du bist in diese Strukturen von Natur und Kultur hineingeboren. Du bist auch nur ein Geschpf. Wir Menschen knnen nicht alleine die Schuld daran tragen, dass die Welt so ist, wie sie ist, und dass wir so sind, wie wir sind. Und whrend das fr Manche eine moralische Bankrott-Erklrung und ein vertrumt-religiser Gedanke ist, ist das fr mich eine gute Grundlage, um mir und anderen zu verzeihen und mit frischem Mut jeden Tag neu zu versuchen, nicht perfekt zu leben, sondern ein bisschen besser.

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