Till Tone: Der Fluch der Werbung!

(Bild: Boris Breuer) Ich bin schwer genervt. So sehr ich YouTube auch manchmal schätze, weil man sich schnell und unkompliziert über Guitar-Gear informieren kann, so sehr geht mir mittlerweile die professionelle Produktwerbung auf den einschlägig bekannten Kanälen echt auf den Keks. HOCHGLANZ ENTERTAINMENT Mich öden diese Hochglanz-Produktwerbevideos an. Weil es eben nur noch um Werbung geht. Und natürlich auch um den Gitarristen, der Pedal X, Amp Y oder Gitarre Z vorführt. Im Grunde laufen diese Demos doch immer gleich ab: Der Vorführer zeigt, wie sensationell er dank des neuen Produkts spielen kann. Er jagt das Griffbrett rauf und runter, es trillert, bis die Gitarre nicht nur gently weept, sondern auch hemmunglos heult. Und zwar auf allen Pickups, in allen Zwischenpositionen. Wenn es für mich schlecht läuft, das Ganze auch noch mit unterschiedlichen Gitarren! Man demonstriert Griffbrettakrobatik vom Feinsten, gerne auch mit kunstvoller, detailverliebter Gesichtsgymnastik. Bei manchen bin ich mir aber auch nicht sicher, ob es nicht vielleicht auch ein wenig ungebremste Selbstverliebtheit ist – wir sind schließlich alle ein bisschen narzisstisch – weil man halt gerade so genial spielt! Dabei lobt unser Guitar-Experte, was das Teil für ein absoluter Hammer ist. Das Ganze ist clever ausproduziert, exzellent gefilmt und klingt zu 99% zugegebenermaßen wirklich hervorragend. Zumindest in dem Video. Das Dumme, beziehungsweise der Dumme ist aber oft der Hobbygitarrist, der das Teil kauft und zu Hause im trüben Keller oder im müffelnden Proberaum ernüchtert feststellt, dass trotz des neuen, teuren Wunderpedals sein Sound doch recht gewöhnlich und ordinär klingt. Das klang im Video aber irgendwie sehr viel besser. Gut, jetzt kann der ein oder andere Leser natürlich sagen: So ist halt Werbung, Hoheneder! Du Hirnathlet! Oder glaubst du etwa, dass Jürgen Klopp mit einem Streptokokken-Bomber wie dem Opel Mokka durch Liverpool eiert? Das in Asbach Uralt wirklich der Geist des Weines ist? Oder Halle Berry in billigen Deichmann-Stilettos durch Hollywood stakst? (Bild: Mc Donalds) Wer einmal einen Big Mac in der Werbung auf Plakaten, Magazinen oder im TV gesehen hat, der weiß, was ich meine, denn die Realität sieht anders aus: Mit den braunen, dünnen Putzschwämmen, die mayogetränkt zwischen zwei weichen Schlabberpappbrötchen pappen, haben die Burger aus der Hochglanzwerbung nix zu tun. Nur der Name ist gleich. (Bild: Hoheneder) Okay, ich bin in der Sackgasse. Weil ich Werbung doof finde. Mir ist schon klar, dass keine Firma freiwillig ihren neuen grünen Wunder-Overdrive so bewerben wird: „Hey, ich weiß, dass ihr schon vier grüne Overdrives habt, aber wollt Ihr nicht noch einen fünften kaufen? Er klingt im Grunde wie die anderen, aber vor allem viel besser!“ So eine Werbung würde ich auch nicht machen, wenn ich meinen Lebensunterhalt mit Pedalen bestreiten müsste. Das ist halt Werbung, so funktioniert sie: Sehnsüchte wecken, in Hochglanz und mit allem in Szene gesetzt, was erlaubt und sogar vielleicht nur ein bisschen geschönt ist. Der Käufer soll glauben, dass er mit dem Pedal nicht nur den Sound des Videos kauft, sondern in dem Teil auch hoffentlich die Fähigkeiten des vorführenden Gitarristen abgespeichert sind. Die aus Till Hoheneder und allen Homie-Guitar-Shreddern eine virtuose Gitarrenoffenbarung machen! Verlockend, in der Tat. Schließlich sind Typen wie Phil X oder Pete Thorn namhafte Profis, die bei Premium-Acts in Lohn und Brot stehen. Aber zu Hause ist eben nix ausproduziert und auf Zimmerlautstärke klingt der neue Overdrive manchmal eher wie Muttis Thermomix auf Pürierstufe 5. Was nun? Nix mehr kaufen, was clever angepriesen wird oder von Promis empfohlen wird? Nein! Denn es gibt diese Kolumne ja auch, damit ich nicht nur frotzeln, sticheln oder meckern kann. Es gibt sie auch, damit ich euch konstruktive Gegenvorschläge machen kann! Denn selbstverständlich kann auch der fünfte Verzerrer Sinn machen – und sei es nur weil es Spaß macht, neues Gear zu kaufen oder zu sammeln. WENIGER IST MEHR Ich mache es mittlerweile so: Wenn ein neues Pedal oder ein Amp meine Aufmerksamkeit geweckt hat, dann gucke ich mir gerne simple Heim-Videos an. Diese stinknormalen Filmchen, die auf ihre Art und Weise auch unterhaltsam sind. Beispiel: Ein Typ labert zu Hause in seinem Wohnzimmer in die Handykamera, stellt langatmig oder kurz seine Klampfe sowie seinen Amp vor und legt dann los. Man sieht, wie er in schangeligen Socken oder Pantoffeln auf das Pedal latscht und dann irgendwelche banalen Blues-Licks oder ein paar Cowboy-Chords spielt. Ab und zu hört man Kinder im Hintergrund oder ein Haustier eiert durchs Bild. Die Gitarre klingt leicht „out of tune“, so wie ich zu Hause auch immer spiele, weil ich das Stimmgerät nicht finde und leider kein absolutes Gehör habe wie dieser Streber Rick Beato. Aber ganz im Ernst – diese Videos helfen mir mehr, als meine leicht ironische Beschreibung vermuten lässt. Natürlich ist der mit dem Handymikro aufgenommene Sound mehr schlecht als recht, aber das ist es ja gerade! Dieser Sound ist meiner Meinung nach doch eigentlich viel ehrlicher als bei den Profis! Wenn ich den Sound des Pedals in dem Homie-Clip nicht schlecht finde, ist das für mich wesentlich aussagekräftiger als der hochgezüchtete, polierte und mit Ambiente-Hall/Delay veredelte Klang aus den perfekt gefilmten Werbevideos. Im Ernst, ich höre mir die schlechten oder normalen Videos an und oft genug sind die Pedale, die ich aufgrund dieser Videos gekauft habe, viel öfter in meinem Besitz geblieben als die aus den Werbevideos. Und wie schon oben schon angedeutet habe gesagt: Ich gucke auch keine Demos mehr, in denen nicht wenigstens mal ein paar simple Akkorde gedroschen werden. Was soll denn dieses endlose Genudel? Wer spielt denn in seiner Band permanent Soli? Ein Verzerrer wird doch nicht nur fürs Solo gebraucht, sondern auch für Riffs, Akkorde und Voicings! Wie wollt ihr wissen, ob und wie das Pedal diese klangtechnisch umsetzt, wenn der Frickelfürst im Video nur abjagt? Noch ein Tipp: Sucht auch nach Clips, in denen jemand spielt, was ihr auch spielen könnt! Oder achtet darauf, dass die benutzten Amps und Gitarren eurem Gear in etwa entsprechen. Ein perfekt aufbereitetes Demo, in dem ein Pedal mit einer guten Gibson und einem sauteurem Boutique-Amp aufgenommen wurde, macht nicht so richtig Sinn, wenn man zu Hause eine ehrbare Vintage Les-Paul-Kopie über einen Mittelklasse-Modelling-Amp schubst. Träumen ist schön, aber Realitäten anerkennen lohnt sich immer, wenn die Träume vor allem viel Geld kosten. Übrigens, die Länge des Videos ist nicht zwingend auch ein Qualitätsmerkmal. Einige verklappen Wörter, als ob es die „Logorrhöe am Wörthersee“ Kilometergeld gibt (vielleicht ist das sogar so?). Aber warum gibt es dann Sprichwörter wie: Weniger ist mehr! In der Kürze liegt die Würze! Selbst Virtuosen wie Joey Landreth machen mit ihrem iPhone oft kleine, circa zweiminütige Clips, wo sie kurz und ohne viel Federlesens, aber schon sehr aussagekräftig ein Signature-Pedal, eine Custom-Gitarre oder neuen Amp präsentieren. Das solltet ihr auch mal checken, z.B. bei Instagram. Oder der geschätzte Gitarre & Bass Kollege Udo Pipper: Neulich bot mir ein Freund an, seinen Pipper-Amp zu checken. Eine sehr detailgetreue, mit feinsten Komponenten aufgebaute Tweed Princeton Replik. Natürlich habe ich in ungeduldiger Vorfreude nach YouTube-Clips gesucht. Ich fand eins von Udo persönlich, 1:40 Minuten lang. Mit einer Tele. Ein paar jazzy Chords, bluesy Licks und angezerrte Riffs. Optisch eher schlicht, mit einem ordentlichen Mikro aufgenommen, a bisserl Raumeffekt dazu (vermute ich), nix wildes. Und was soll ich euch sagen: Was ich hörte, gefiel mir sehr gut. Ich hoffte, der Amp würde auch real so klingen. Als das gute Teil dann zu Hause bei mir stand, habe ich meine Tele geschnappt und zu meiner großen Freude klang der Amp wie in Udos kleinem Demo. So geht es also auch, liebe Schöngeister des Griffbretts! Übrigens, auch bei den Bewertungen in den großen Online-Musikshops lese ich nie die 5-Sterne Jubelorgien. Lest die 3-Sterne Bewertungen, da könnt ihr meiner Meinung nach viel mehr rausziehen. Denn nichts ist perfekt, keiner weiß das besser als jemand, für den eine Telecaster die „beste“ Gitarre ist. Natürlich könnt ihr auch – wie ich auch immer noch gelegentlich, ich gebe es ja zu – die knalligen Werbevideos weitergucken. Die muss und soll es auch geben, machen wir uns nix vor. Hauptsache, ihr schaut auch die normalen Clips. Dann seid ihr am Ende des Tages hoffentlich besser vor Enttäuschungen geschützt und spart gutes Geld. Oder ihr gebt es genau für das richtige Teil aus! Ich jedenfalls muss erstmal diesen geilen Amp von Udo wieder aus der Rübe kriegen … oder meine Budgetüberziehung mit rationalen Argumenten wie „brauche ich unbedingt für Stück XY“, „sonst nehmen mich die Kollegen nicht mehr ernst“ oder „jeder vernünftige Gitarrist braucht mindestens vier gute Amps“ rechtfertigen! (erschienen in Gitarre & Bass 12/2023)

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