Vietnam: Langfristige Erfolgsstory?

Mit Ausdauer und stabilem Pragmatismus ist es Vietnam gelungen, sich in die Liga der wirtschaftlichen Outperformer in Asien zu katapultieren. Nach den ersten Erfolgen kommen nun die Mühen der Ebene, an deren Ende eine voll entwickelte Volkswirtschaft stehen könnte. Dafür sind jedoch einige Voraussetzungen nötig. Derzeit gehört Vietnam klar zu den Staaten, die vom Drang nach Diversifizierung, Risikosenkung und resilienten Lieferketten profitieren. Damit ist vor allem die Suche nach einer zumindest ergänzenden Alternative zur Fertigung in China gemeint. Die Hauptmotive sind dort gestiegene Löhne, höhere politische Risiken und der geopolitische Konflikt zwischen den USA und China. Angesichts des höchsten Zuflusses von Auslandsinvestitionen seit einem Jahrzehnt in Höhe von 27,72 Mrd US-Dollar wies Vietnam 2022 mit 8% das größte Wachstum in ganz Asien auf. Attraktiv ist der Küstenstaat – etwa für US-Konzerne – auch bei Investments in den Elektronik- und Technologiesektor. Insofern ist das starke mediale Interesse am Land berechtigt. Beim deutschen Mittelstand gab es speziell bei der gewerblichen Fertigung ebenso eine ganze Reihe neuer Ansiedelungen und Werkserweiterungen. Auch der deutsche Handel mit Vietnam hat 2022 mit 18,1 Mrd Euro ein Hoch erreicht. Die Führung in Hanoi hat indes weitergehende Ziele: Bis zum Jahr 2045 soll das Land zu einer Ökonomie mit hohem Einkommen aufsteigen. Damit der Sprung auf die nächsten Entwicklungsstufen gelingt, müssen in den nächsten zehn Jahren jedoch erhebliche Anstrengungen auf allen Ebenen ergriffen werden. Im laufenden Jahr 2023 jedenfalls schwächelt Vietnam etwas. Im ersten Halbjahr betrug der BIP-Zuwachs lediglich 3,7%, für das Gesamtjahr soll es laut Standard Chartered Bank bei etwa 5% liegen. Neben nachlassenden Konjunkturen in den Hauptabsatzmärkten spielen dabei auch hausgemachte Probleme eine Rolle. Langer Vorlauf Die aktuellen Erfolge haben eine längere Vorlaufzeit. Dabei brachte das 20. Jahrhundert für Vietnam zunächst viel Leid. Nach dem französischen Indochinakrieg wurde das Land vor allem während des US-Vietnamkriegs weithin zerstört. Aus beiden Kriegen ging man jedoch erfolgreich hervor, was das nationale Selbstvertrauen immens erhöht hat. Die siegreiche Kommunistische Partei Vietnams (KPV) initiierte 1986 Wirtschaftsreformen, die im Kern denen von Deng Xiaoping in China ähnelten. Eine wichtige Etappe war das Jahr 1995 mit der Etablierung voller diplomatischer Beziehungen mit den USA und dem Beitritt zur ASEAN-Gruppe. 2007 erfolgte dann die Aufnahme in die WTO. Durch den konstanten Fokus auf Exportindustrien und Außenhandel im Verbund mit günstigen Standortbedingungen und niedrigen Lohnkosten wurde Vietnam in einer Generation von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem Schwellenland mit unterem mittlerem Einkommen. Neben der Offenheit für den Weltmarkt mit vielen Handelsverträgen sind auch der familiäre und kollektive Bildungseifer sowie das gute Schulsystem ein Plus. Vietnams Schulen schneiden international bei Tests in Lesen, Naturwissenschaften und Mathematik stets gut ab und liegen vor diversen westlichen Ländern. Die landesweit positiven Bildungswerte haben dem Küstenstaat sehr genutzt, obgleich nun komplexere und stärker technische Fähigkeiten benötigt werden. Dies gilt besonders für die berufliche Ausbildung, damit der jungen und optimistischen Bevölkerung Perspektiven eröffnet werden können. Auch insgesamt muss das Land weiter stetige Bemühungen zeigen. Steigender Einfluss Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von noch moderaten 4.100 US-Dollar weist Vietnam 60% des Wertes von Thailand und rund ein Drittel des von Malaysia auf. Was hingegen das Gesamt-BIP betrifft, steht Vietnam in ASEAN hinter Indonesien, Thailand und Singapur noch an vierter Stelle. Wegen der größeren Wachstumsdynamik und höheren Einwohnerzahl, die in diesem Jahr die 100-Millionen-Marke erreichen wird, dürfte Vietnam absehbar auf den zweiten Platz vorrücken. Global gesehen steht das Land bei der Bevölkerungsgröße an 15. Stelle und bei der Wirtschaftsleistung auf Rang 34. Gegenüber einem Schwergewicht wie Südkorea, mit einer viermal so großen Wirtschaft, ist der Abstand aber beträchtlich, was das Gewicht von Vietnam in Gesamtasien etwas relativiert. Ein adäquates Referenzland und ökonomisches Modell wäre daher eher Thailand, wobei die vietnamesischen Löhne begünstigend noch deutlich unter den thailändischen liegen. Innerhalb der ASEAN-Gruppe wird der Einfluss des Küstenstaats aber weiter zunehmen. Mit einem exportgetriebenen Wachstum hat es Hanoi vermocht, die Armut massiv zu senken. Zur langfristigen Entwicklung müssen Defizite behoben und Weichen für die Zukunft gestellt werden. Zu den Aufgaben gehört ein weiterer Ausbau der Transport- und Energiesysteme. Hier wurde zu wenig investiert. Im Norden Vietnams haben häufige Stromausfälle auch die Produktion internationaler Konzerne betroffen, was diese zu genereller Kritik am Standort veranlasste. Trotz stark ansteigendem Strombedarf ist eine stabile Energieversorgung unerlässlich. Erschwerend ist, dass alle Maßnahmen dringend umweltverträglich sein sollten. Denn die Folgen des Klimawandels sind bereits sichtbar, wie etwa die beginnende Versalzung des Mekong-Deltas zeigt. Es drohen ökologische Kipppunkte. Der Regierung, die für 2050 „Net Zero“ zugesagt hat, ist das Problem bewusst – grüne Technologien und erneuerbare Energien sollen Abhilfe schaffen. Trotz des weiter hohen Kohleverbrauchs ist Vietnam hier Vorreiter in der Region. Deutsche Firmen sind bereits bei der Offshore-Windkraft und bei Energiespeichersystemen aktiv. Auch die Photovoltaik bietet ihnen trotz Eintrittshürden Chancen. Diversifizierung nötig Außerdem sollte die Wirtschaft diversifiziert werden, um die hohe Außenhandelsquote von 186% zu senken und etwas unabhängiger vom volatilen Welthandel zu werden. Parallel sollten zur Umsetzung der vielen Investitionspläne die industriellen Produktionskapazitäten erhöht und effiziente Zuliefernetzwerke errichtet werden. Zur Erhöhung der Produktivität sind mehr Investitionen in wissensintensive Sparten und qualifizierte Servicezweige nötig. Eine Ressource zur Gewinnung von mehr Management-Know-how und Kapital könnte der stärkere Einbezug der tatkräftigen Übersee-Vietnamesen sein. Deutsche Unternehmen wiederum können durch Technologien zur Automatisierung der Produktion zur Hebung der Potenziale beitragen. Auch in der Geopolitik gibt es Herausforderungen. Das gilt vor allem für die Beziehungen zu China, welches das nördliche Vietnam über 1.000 Jahre beherrscht hat. 1979 gab es einen kurzen, von China begonnenen Krieg, der das alte vietnamesische Misstrauen weiter vertieft hat. Hauptkonflikt sind strittige maritime Ansprüche im Südchinesischen Meer. Wie groß die Sorge ist, zeigte jüngst das Verbot eines Hollywood-Films in Vietnam, in dem eine Karte mit den chinesischen Forderungen zu sehen ist. Dadurch erklärt sich die enge Militärkooperation mit dem einstigen Kriegsgegner und wichtigstem Exportmarkt USA – inklusive Waffenlieferungen und des Besuches von US-Flugzeugträgern in Vietnams Häfen. Die Vereinigten Staaten möchten künftig eine strategische Partnerschaft eingehen. Hanoi ist aber noch zurückhaltend. Zugleich ist China ein zentraler Wirtschaftspartner, jedoch mit einem zunehmenden Handelsdefizit für Vietnam. Für das Land wird es darauf ankommen, sich bestmöglich gegen Chinas hegemoniale Ziele abzusichern, ohne dabei den großen Nachbarn zu Eskalationen zu provozieren. Geht man vom bisherigen konstruktiven Agieren von Vietnams Führung aus, spricht viel dafür, dass die aktuellen Probleme gelöst und die nächsten Entwicklungsschritte realisiert werden. Ob dann aber angesichts der kommenden middle-income trap der Sprung zum Hocheinkommensland möglich ist, bleibt aus heutiger Sicht offen. Daniel Müller ist Regionalmanager ASEAN beim OAV – German Asia-Pacific Association in Hamburg.

zum Artikel gehen

Vietnam: Tollwut

Im März ist in der Provinz Lào Cai (N) eine 23-jährige Frau verstorben. Sie war ... mehr...

zum Artikel gehen

Erfolgsstory bei SpanSet Axzion: Vielseitiges Tower Tool Kit überzeugt auch außerhalb der Windenergiebranche!

Erfolgreicher Einsatz des SpanSet Axzion Tower Tool Kits in der Allgemeinen Industrie Bei SpanSet Axzion sind wir stolz darauf, ein weiteres erfolgreiches Projekt zu verkünden. Abseits unserer bekannten Arbeit in der Windindustrie haben wir unser Tower To

zum Artikel gehen

Vietnam

Zwei Wochen lang sind wir durch Vietnam gereist. Nur zwei Wochen! So sehr wir unser Leben in der Provinz mitHaus, Hof, Pferde und Hund genieen, so sehr schrnkt es unsere Reisebeweglichkeit ein. Um trotzdem so viel wie mglich zu sehen von dem sdostasia

zum Artikel gehen

Kapitalanlagen: Der Inhalt ist wichtig - nicht die Verpackung

Gerade für die Rentenplanung ist eine langfristige Betrachtungsweise der gewünschten Chancen-Risiko-Kombination erforderlich.

zum Artikel gehen