Warum in drei Teufels Namen ?

1. Preis Rückblende 2016: © Kriztian Bocsi Diese Woche (23.02.2017) wurden in Berlin in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz die Preise für politische Fotografie und die Preise für den Karikaturenpreis “Rückblende 2016” verliehen unter der Schirmherrschaft der Landesvertretung und dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Eine durchaus schön gemachte Veranstaltung in schönen Räumen und wie viele TeilnehmerInnen sagten, einem ausgemacht leckeren Buffet. Wie bei jeder Preisverleihung gab es Reden, die erklärten was, warum und wie entschieden wurde und die Preisträger durften auch ein paar Sätze sagen. Man traf Kollegen und Kolleginnen, konnte sich in einer Ausstellung einen Mixup von Fotografien und Karikaturen ansehen – eben eine nette Vernissage. Am Ende der Veranstaltung bekam man noch einen frisch gedruckten 80-seitigen Katalog mit auf den nach Hause Weg. So weit so gut, aber wenn man nicht nur wegen der guten Atmosphäre, den KollegInnen und dem Essen gekommen war, sondern um sich die besten politischen Fotografien des Jahres 2016 anzusehen, wurde man herbe enttäuscht. Selten habe ich bei einem so etablierten Wettbewerb so viel belanglose Fotografie präsentiert bekommen. Belanglos hinsichtlich der fotografischen Leistung, belanglos hinsichtlich der Aussagen und auch belanglos in der Zusammenstellung bzw. Auswahl. Da sehen wir weiße Herrensocken mit Deutschlandfahne oder ein simples Bild von Malu Dreyer und Julia Klöckner im Fernsehstudio, einiges zum Thema Flucht und Türkei, einige eher dröge Bilder von Sigmar Gabriel und auffällig oft Walter Steinmeier. Bilder wie wir sie ständig hundertfach auf irgendwelchen Online-Medien präsentiert bekommen. Es gibt Ausnahmen. Etwa das Bild von Florian Gaertner: Steinmeier im Font seines Wagens, im leichten Profil, der Kopf geht über in die sich in der Scheibe spiegelnden Wolken und am unteren Bildrand sieht man das sich spiegelnde und wartende Flugzeug auf dem Rollfeld in Riga. Auch Angela Merkel kommt vor mit einem schönen Bild von Lukas Schulze: man sieht auf dem langgezogenen Querformat lauter schwarze Hosenbeine und Jacken mit Goldknöpfen, die Köpfe der Abgebildeten sind alle außerhalb des Bildes und in Mitten dieses schwarzen Vorhanges aus Hosenbeinen und Jacken leuchten die Hände von Angela Merkel geformt zur ikonenhaften Geste – der Raute. Wunderbar. Irritierend ist auch die Präsentation, sowohl in der Ausstellung, als auch im Katalog: ein großes Mischmasch von Fotografien und Karikaturen, die irgendwie eine thematische Zuordnung erfahren, aber nicht wirklich miteinander Kommunizieren (können). Vor allem die Karikaturen – die mit ihrer Qualität die Fotografien um Längen schlagen – kommen bei dieser Ausstellungspräsentation und bei dem wilden 80er Jahre Layout im Katalog schlecht dabei weg. Man fragt sich, warum werden Fotografien und Karikaturen nicht getrennt präsentiert, schließlich sind es beides ganz eigenständige Medien. Es ist schlicht schade, da man eine Ahnung hat, welche Mühen, wieviel Zeit und Geld in diesen Wettbewerb für politische Fotografie und Karikatur geflossen sind und am Ende kommt so etwas dabei heraus. Woran liegt es? Haben die FotografInnen nur Durchschnittliches eingesandt? Was hat die Jury gemacht? Liegt es an der Ausschreibung? Was in drei Teufels Namen ist der Grund, dass so eine phantastische Möglichkeit einen deutschen, politischen Jahresrückblick mit Fotografien und Karikaturen zu veranstalten, nahezu scheitert? Man versteht es als Außenstehender nicht, denn an guter politischer Fotografie mangelt es in Deutschland nicht und wenn es um eine Würdigung dieses Genres außerhalb des medialen Verwertungskontextes geht, wären hier die Möglichkeiten, die Örtlichkeiten und auch die Öffentlichkeit. Leider ist auch die Jurierung des mit 7000 Euro dotierten Siegerbildes von Kriztian Bocsi nicht nach zuvollziehen: wir sehen eine seitliche Teleaufnahme eines schwarzen Autos mit geöffneten Türen, die rechte Bildhälfte wird durch eine Fuß- und Kopflose Person verdeckt. In der Linken Bildhälfte sehen wir das helle Nylon bestrumpfte Bein mit roten Pumps einer Frau, die versucht der tiefliegenden Limousine zu entsteigen. Durch die dunkle Umgebung fokusiert sich der Blick alleine auf dieses Bein mit rotem Schuh. Alles in allem ein eher langweiliges Bild, dessen Interesse hauptsächlich durch sexistische Männerphantasien geweckt wird. Wie ein Besucher in der Ausstellung auch raunte: ich hab mich gleich gefragt, wo ist der Slip? Im Ernst: das ist Sexismus der feinsten Sorte und ich wundere mich über den Fotografen (klar, das Bild macht vermutlich fast jede/r, aber muss man es zu einem Wettbewerb schicken?), ich wundere mich aber auch über die Jury, die durchaus mit erfahrenen Menschen aus der Zeitungs- und Fotoindustrie besetzt ist und dieses Bild gekürt hat. Es hat nichts Politisches in sich, weder sieht man wo es ist (Berlin Kanzleramt) noch sieht man wer es ist. Es hat keine Nachricht, keine Symbolik, nur den schönen Schuh samt Bein und Knie von der Premierministerin Groß-Britanniens. Es bleibt zu hoffen, dass es für das nächste Jahr einen Relaunch gibt, dass sich die FotografInnen mehr Mühe bei ihren Einsendungen geben und diese Möglichkeit ernster nehmen als bislang, dass ein zeitgemäßes Layout die Arbeiten in einem zeitgemäßen Katalog  (und Website) präsentiert und dass eine Jury macht, was ihre Aufgabe ist: jurieren. Die Ausstellung ist noch bis 15. Februar 2015 zu sehen. Die genauen Öffnungszeiten und weitere Stationen finden sich hier.

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