Immer mehr Unternehmen führen eine Equal-Pay-Analyse durch. Aber wie geht es dann weiter? Antworten liefert die HR-Werkstatt. Frage an die HR-Werkstatt: Wir haben eine Equal-Pay-Analyse durchgeführt. Aber was machen wir jetzt eigentlich mit den Ergebnissen? Es antworten: Annette Hiesinger-Sanchez, Director Work & Rewards bei WTW, und Naima Warlo, Senior Associate Work & Rewards bei WTW Die Durchführung einer ersten Equal-Pay-Analyse ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Entgelttransparenz. Damit die richtigen Schritte folgen können, ist schon die richtige Wahl der Analysemethode entscheidend. So ermöglicht es die Verwendung einer multivariaten Regressionsanalyse, objektive Gründe zu berücksichtigen, wegen deren die Vergütung zwischen Mitarbeitenden, die gleichwertige Arbeit leisten, dennoch variieren kann. Aus der Analyse lassen sich so individuelle und systemische Risiken ableiten. Man erhält nicht nur Aufschluss darüber, wie das Pay Gap auf Unternehmensebene aussieht, sondern auch eine Indikation zu individuellen Ausreißern. Individuelle Risiken weisen dabei Mitarbeitende auf, deren tatsächliches Gehalt von ihrem erwarteten Gehalt abweicht, unter Einbezug der Faktoren, die Gehaltsunterschiede objektiv erklären dürfen. Von einem Risiko sprechen wir dabei, wenn das tatsächliche Gehalt eines Mitarbeitenden mehr als 20 Prozent oder 2 Standardabweichungen über oder unter dem erwarteten Gehalt liegt. Systemische Risiken hingegen deuten auf ganze Jobfamilien, Bereiche oder Level hin, in denen das bereinigte Pay Gap Anlass zur Sorge gibt. Das ist im Rahmen der jüngst beschlossenen EU-Transparenzrichtlinie dann der Fall, wenn dieses über 5 Prozent liegt. Systemische Risiken zeigen auch indirekt Schwachstellen und Verbesserungspotential bei zugrundeliegenden Strukturen und HR-Prozessen. Die nächsten Schritte Im Rahmen der Equal-Pay-Analyse wird für jeden individuellen Mitarbeitenden basierend auf dem Profil ein erwartetes Gehalt berechnet. Größere Abweichungen sollten idealerweise durch ein zentrales HR-Team geprüft werden, welches schon in das Analyseprojekt involviert war. Vereinbaren Sie im Vorhinein eine Deadline, bis zu der diese individuelle Prüfung abgeschlossen sein soll und versuchen Sie während der individuellen Prüfung die folgenden Fragen zu beantworten: Liegt eventuell ein Fehler in der Datenbasis vor? Gibt es Anpassungsbedarf? Gibt es individuelle Gründe für Gehaltsunterschiede, die nicht im Modell abgebildet worden sind? Hinterfragen Sie die Gründe kritisch und prüfen Sie, inwieweit diese geschlechtsneutral und nachvollziehbar sind. Wie lässt sich die individuelle Prüfung transparent dokumentieren? Wenn nach Beantwortung dieser Fragen eine Gehaltsanpassung notwendig erscheint, ist es sinnvoll, den Fall individuell detailliert zu analysieren und nach Abwägung aller weiteren Faktoren gemeinsam zu entscheiden, wie diese aussehen kann. Hier gilt es auch einen Rahmen zu schaffen, Prinzipien zu definieren und festzulegen, welches Budget zur Verfügung steht. Alles zum Thema Die HR-Werkstatt Immer wieder bringen kleine Probleme die Personalarbeit zum Erliegen oder man weiß einfach nicht, wo anfangen bei neuen Anforderungen. Hier finden Sie alle Beiträge unserer HR-Werkstatt zum Nachlesen. Von Problemen bei der Ausbildung über technische oder Recruiting-Fragen bis hin zu Führungsthemen. Mehr lesen Systemische Risiken Wenn Sie die Prüfung der individuellen Risiken abgeschlossen haben, können Sie sich der Prüfung der systemischen Risiken widmen. Von einem systemischen Risiko sprechen wir, wie erwähnt, wenn in einer Gruppe von Mitarbeitenden („Category of Workers“) ein bereinigtes Pay Gap von mehr als 5 Prozent vorliegt. Es ist noch nicht abschließend klar, wie die „Category of Workers“ in der nationalen Gesetzgebung, die die Transparenzrichtlinie in nationales Recht umsetzt, definiert sein wird. Wir empfehlen aber, sich an der Stellenwertigkeit zu orientieren (Job-Level) und im Modell die Job-Familie zu reflektieren. Bei der Betrachtung systemischer Risiken können Ihnen die folgenden Leitfragen helfen: Gibt es Muster bei den systemischen Risiken? Sehen Sie beispielsweise in einem Bereich ein auffällig hohes bereinigtes Pay Gap? Gibt es objektive Faktoren, die Sie in das Modell aufgenommen haben, die keinen Einfluss auf das Gehalt haben, dies aber sollten? (Beispiel: Sehen Sie, dass das Performance Rating keinen signifikanten Einfluss auf das Gehalt hat, Ihr Unternehmen jedoch gute Performance grundsätzlich honorieren will?) Die Analyse systemischer Risiken kann Ihnen auch dabei helfen aufzudecken, ob die vorgesehene Governance-Struktur in Ihrem Unternehmen eingehalten wird und Hinweise auf Bereiche geben, in denen ein stärkeres Framework nötig ist oder die Durchsetzung bestehender Frameworks stärker forciert werden sollte Zur nachhaltigen Beseitigung systemischer und in der Folge auch individueller Risiken sind Aufbau und Schärfung von HR-Programmen und Governance-Strukturen entscheidend. Orientiert man sich an der Frage, in welchen Bereichen die EU-Richtlinie Neuerungen bringt, so lassen sich die folgenden Bereiche als Priorität identifizieren: Einführung oder Überprüfung Ihrer Stellen- und Gehaltsstrukturen. Diese ermöglichen Stellenbewertungen und (Gehalts-)Entscheidungen auf Objektivität hin zu überprüfen und anzupassen. Konzeptionierung eines Regelprozesses für die geforderte Berichterstattung, mit dessen Überlegungen Sie bereits im Nachgang zu Ihrer ersten Analyse beginnen und weiter verfeinern können, sodass Sie auf für das erste Berichtsjahr vorbereitet sind. Einführung oder Prüfung Ihrer momentanen Einstellungs- und Beförderungspraktiken. Insbesondere ein robustes Leistungsbewertungssystem ist von großer Bedeutung, da Vergütungsdiskriminierung mit dem Anteil diskretionärer Elemente zunimmt. Im Rahmen dieses Punktes sollten Sie sich ebenfalls überlegen, auf welchem Wege Sie Ihre Manager und andere, in den Prozess eingebundene Personen, über Equal Pay aufklären wollen. Dem Punkt der Kommunikation widmen wir uns im folgenden Absatz. Ergebnisse kommunizieren? Vielen Verantwortlichen stellt sich nach dem Durchführen einer Equal-Pay-Analyse die Frage, ob und in welcher Form die Ergebnisse kommuniziert werden sollen. Ein wesentlicher Beitrag der Entgelttransparenzrichtlinie liegt in der Schaffung von verpflichtenden Transparenzmaßnahmen. Um diese Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, sollte rechtzeitig ein Kommunikationsplan ausgearbeitet werden, der sich in die Kommunikationsstrategie Ihres Unternehmens einfügt und reflektiert, aus welchen Gründen transparente und gerechte Vergütung in Ihrem Unternehmen wichtig ist. Folgende Beobachtungen lassen sich momentan im Markt machen: Unternehmen leiten Schritte ein, um ihren Anspruch an Equal und Fair Pay zu kommunizieren, sind jedoch sehr zaghaft in der Kommunikation der Ergebnisse ihrer ersten Analysen. Steigende Erwartungen der Mitarbeitenden und die Präzisierung des regulatorischen Rahmens erhöhen jedoch den Druck auf Unternehmen, sich mit Blick auf mehr Transparenz zu positionieren. Arbeiten Sie einen Kommunikationsplan aus, der alle wichtigen Meilensteine nachvollziehbar kommunikativ begleitet (Zertifizierung, erste Maßnahmen, Aufarbeitung der Analyseergebnisse). Schulen Sie Führungskräfte im Umgang mit Equal und Fair Pay Kommunikation und befähigen sie, die Mitarbeitenden zu diesem Thema abholen zu können. Autor Annette Hiesinger-Sanchez ist Director Work & Rewards bei WTW. Seit knapp 15 Jahren berät sie Kunden zu verschiedenen Fragestellungen rund um die Themen Vergütung, Vergütungsmanagement und Organisationsstruktur. Naima Warlo ist Senior Associate Work & Rewards bei WTW. Seit mehr als sechs Jahren berät sie Kunden rund um die Themen Vergütungsmanagement und Organisationsstruktur.
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