Am Donnerstag, den 13. Oktober 2022 wurde im Rahmen des 6. BIOS-Opferschutztages das Thema Gewalt in Institutionen aufgegriffen. In seiner Begrüßungsrede vor ca. 120 Anwesenden ging der erste Vorsitzende und frühere Richter Klaus Böhm eindringlich darauf ein, dass die Hilfe für Betroffene nicht ausreiche. „Es ist besser eine Tat zu verhindern als sich im Nachgang um das Opfer zu sorgen“, so Böhm. Es wären einheitliche Konzepte und Richtlinien nötig. Dazu gehöre vor allem eine Verpflichtung zur Aufklärung potenzieller Betroffener. So könne man unabhängige externe Präventionsbeauftrage etwa in Sportvereinen einführen, die nicht nur in regelmäßigen Abständen Aufklärungsarbeit leisten, sondern auch unabhängige Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung stellen, damit etwaige Übergriffe gemeldet werden können. So könne man auch sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche durch Aufsichtspersonen enttabuisieren und bei Bekanntwerden schneller intervenieren. Wichtig sei es, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich bei Übergriffen nicht zu schämen und diese nicht zu verschweigen. Weiterhin ging Böhm auf die Notwendigkeit von Behandlungsangeboten für potenziell übergriffige Personen – sog. Tatgeneigte – ein. Hierfür setze sich BIOS-BW ebenfalls mit mehreren Präventionsprojekten ein. „Aber auch in diesem Bereich fehlt es an Unterstützung. Diese Erfahrung zeige sich sehr deutlich in der Zurückhaltung der vielen um Kooperation angefragten Vereine und Institutionen“, so Böhm weiter. „Uns muss klarwerden, Menschen können nicht nur dann Opfer von Gewalt- und Sexualstraftaten werden, wenn sie alleine unterwegs sind oder in schwierigen familiären Kontexten leben,“ fügte Prof. Dr. Thomas Hillecke als Therapeutischer Leiter bei BIOS-BW in seiner Moderation der Tagung hinzu. Vielmehr seien ‚Institutionen‘ häufig in erheblichem Maße und auf unterschiedliche Weise an Gewalt beteiligt. Deshalb, so Hillecke, wurde dieser Kontext für die Veranstaltung gewählt. „Mit unserem diesjährigen Opferschutztag möchten wir dazu beitragen, dass dieses Thema einer breiteren Öffentlichkeit bewusst wird sowie Lösungsmöglichkeiten diskutieren und anregen.“ Dr. Gustav Wirtz, Vorstand von BIOS-BW und Ärztlicher Leiter, wies darauf hin, wie wichtig es sei, ein tieferes Verständnis von Gewalt in Institutionen und deren Folgen zu erhalten. Es sei Voraussetzung zum angemessenen Umgang mit Betroffenen und im besten Falle präventiver Intervention, damit gar nicht erst Opfer entstehen. Auch Aspekte der organisierten und rituellen Gewalt in Deutschland wurden beleuchtet, so ging Dr. Susanne Nick vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf die Herausforderungen und Chancen in der therapeutischen Arbeit mit Betroffenen ein, stellte die Ergebnisse eines ersten Forschungsprojektes vor und gab dem Publikum Raum, diese gemeinsam zu diskutieren. Im Rahmen seines Vortrags wies Prof. Dr. Andreas Schrenk darauf hin, dass Schutzkonzepte um Partizipation zu entfalten und nachhaltig wirksam sein zu können, gemeinsam mit allen Menschen in einer Organisation entwickelt und umgesetzt werden müssen. „Dabei geht es weniger um die Aufrüstung methodischer Portfolio in den Einrichtungen als vielmehr um einen kulturellen Organisationsentwicklungsprozess“, so Schrenk. Dies erreiche man durch einen Auseinandersetzungsprozess mit dem Ziel ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, z.B. über Formen und Risiken der Gewalt, über den Umgang mit Nähe und Distanz und letztlich, die Schärfung der professionellen Sensibilität.“ Ein spezifisches Fachthema wurde von dem Referenten Dr. Stefan Tschöke von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm aufgegriffen. Er stellte die Ergebnisse aus 17 Jahren Erfahrung einer spezialisierten Aufnahmestation für Patient*Innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung vor. Mit deutlichen Worten schloss Rechtsanwalt Rudolf von Bracken seinen Vortrag und die Liste der Referenten mit der Aussage ab, dass sexueller Missbrauch in Deutschland täglich stattfinde. Die grundgesetzliche-Aufgabe und gesellschaftliche Pflicht, Kinder zu schützen, werde in jedem Fall sträflich verletzt. „Ausgerechnet die Institutionen Jugendamt und Familiengericht strafen die Anzeigenden, statt die Kinder und die, denen sie sich anvertrauen zu schützen und zu unterstützen“, so von Bracken. Das sei Staatsversagen in jedem Fall. Mit einer Abschlusdiskussion wurde die Veranstaltung beendet.
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