Der Mensch und sein Spiegel

Du und ich wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen. Mahatma Gandhi Ich halte gerade meinen Lieblingsbleistift in der Hand, den ich mir noch als Schülerin in Ulaanbaatar kaufte. Es ist ein schlanker apfelgrüner Bleistift im Kunststoffgehäuse für 0,5 HB Minen und einem breiten geriffelten Gummiring für den rutschfesten Halt. Mit diesem Stift habe ich meine technischen Zeichnungen in der Schule angefertigt, später als Studentin wichtige Textpassagen in meinen Lehrbüchern unterstrichen und eine Art innige Beziehung entwickelt. Auch jetzt ist der Bleistift der ständige kleine Helfer und hat seinen festen Platz auf dem Schreibtisch. Dieser einfache Gebrauchsgegenstand rief eine schöne Erinnerung an eine Begebenheit, die sehr viele Jahre zurückliegt. Ich studierte Volkswirtschaft an der Bonner Universität und lernte regelmäßig in der Bibliothek. Eine der Bibliotheksmitarbeiterinnen war eine sehr strenge, wortkarge und verschlossene Dame, vor der ich fast Angst hatte. Wenn sie Dienst hatte, versuchte ich möglichst unsichtbar zu sein und einfach an ihr vorbeizuhuschen. Eines Tages sprach sie mich überraschend an, ob ich einen grünen Minenbleistift im Bücherregal vergessen hätte. Der Verlust des geliebten Bleistifts ist mir in der stressigen Prüfungszeit gar nicht aufgefallen. Wie glücklich war ich, den Stift wieder gefunden zu haben! Ich dankte der Dame und erzählte die Geschichte von meinem Stift und wie lieb und teuer er mir geworden war. Sie hörte mir aufmerksam zu und erzählte anschließend etwas über sich und ihre Familie. Mit der Zeit hatten wir ein freundliches Verhältnis zueinander aufgebaut. Wir tragen sehr oft Masken, damit wir nicht verletzt werden, genauer gesagt unser Ego keine zusätzlichen Verletzungen abbekommt, und verhindern dadurch von vornherein den natürlichen Fluß der menschlichen Beziehungen. Und wir urteilen über Menschen nach deren Masken, die sie tragen, ohne die Chance zuzulassen, den Menschen dahinter richtig kennenzulernen. Das Ego versucht uns von unerwünschten und sogar „gefährlichen“ Beziehungen fernzuhalten, weil es ständig in Angst und in der Vergangenheit ist. Auf Reisen fragen wir offener nach Hilfe und Unterstützung von anderen als daheim. Ich erfahre oft Empathie und die Hilfsbereitschaft von anderen, wenn ich verreise. Ohne die Hilfe beispielsweise einer Japanerin, die mangels ihrer Englischkenntnisse mir dann sozusagen mit Händen und Füßen gezeigt hatte, wie ich einen bunten, mit fremden Hieroglyphen übersehenen Fahrkartenautomaten bediene, wäre ich nicht imstande gewesen eine Fahrkarte von Tokio nach Kyoto zu lösen. Zum Dank habe ich mich mehrmals vor ihr verbeugt, eine der landestypischen Besonderheiten der gesellschaftlichen Kommunikation. Die Japanerin, meine Helferin in der „Not“, verbeugte sich ebenfalls mehrmals vor mir. Das Helfen und sich Bedanken funktionierten in diesem Falle auch wortlos. Aber wie ist es, wenn du wieder in deinem gewohnten Umfeld bist? Suchst du Rat und Hilfe, wenn du Probleme hast? Denkst du vielleicht, dass du es alleine schaffst, dass du anderen nicht zur Last fallen willst, dass du dich selbst besser als andere kennst, dass du praktisch wie der Baron Münchhausen dich selbst an den Haaren ziehen und so dich aus dem Moor befreien kannst Oder meinst du, dass die erfahrene Hilfe dich unvermeidlich zu einer Gegenleistung verpflichtet? Das würde ja in der Folge bedeuten, dass die Hilfsbereitschaft unbedingt auf Erwartungen oder sogar Berechnungen beruht. Ich weiß noch, als ich mich damals anbot, einer erkälteten Kollegin für ihren Tee Zitronenscheiben aus der Kantine zu holen, fragte sie mich, wieviel Geld sie mir dafür bezahlen soll. Ich bin hinunter in die Kantine gegangen, erklärte, dass ich gerne etwas Zitrone hätte, bekam ein paar Scheiben auf einer Untertasse serviert und brachte sie der Kollegin mit den Worten „Gute Besserung!“ Es gibt die mongolische Redensart, dass ein Mensch nur Menschen, sprich Beziehungen zueinander und Begegnungen miteinander braucht. Als ich in der Schule war, kauften meine Eltern ein Sommerhäuschen außerhalb der Hauptstadt. Wir zogen um und während unsere Sachen vom Transporter ins Häuschen getragen wurden erschien plötzlich ein Mädchen mit einer Thermoskanne mit mongolischem Tee in einer und einer Schüssel frisch gebackener Boortsog, frittiertem Buttergebäck in der anderen Hand. Mit den Worten „Mama schickt mich“ verschwand sie direkt. Als Stadtkind hatte ich bis dahin gehört, dass es eine uralte Gastfreundschaft ist, in der Steppe eine Kamelkarawane oder von einem Weideplatz zum nächsten ziehende Nomaden mit ihren Karren und Tieren auf ihrem Weg abzupassen und den Reisenden Tee, Boortsog oder Aaruul, den getrockneten Quark, als kleinen Imbiss hinzubringen und sich mit ihnen über das Woher und Wohin zu unterhalten. Es war unsere Nachbarin, die diese nomadische Geste auch für die Stadtverhältnisse übernommen hatte. Nachdem der Tee ausgetrunken und die Boortsog gegessen waren, legte meine Mutter ein paar mitgebrachte Bonbons in die leere Schüssel und ging zur Nachbarin. Auch Jahrzehnte später pflegten die beiden Damen einen freundschaftlichen Umgang miteinander und blieben in Kontakt, bis die Nachbarin verstarb. Ich weiß, dass die Nachbarschaft ein besonderes Kapitel in Deutschland ist. Oft habe ich gehört, dass man seine Nachbarn nicht richtig kennen würde, mit ihnen nicht zu tun haben bzw. einfach seine Ruhe haben möchte. Wenn jeder nur für sich leben würde, wie beziehungsarm und kalt würde dann das menschliche Miteinander auch bei der Arbeit, zu Hause und sonst wo sein. Wie schön sich dessen bewusst zu werden, dass wir im besten Sinne des Wortes voneinander abhängig sind! Sonst könnte ja jeder irgendwo in der menschenleeren Gegend wohnen. Das geht dann auch nicht, wenn schon meine nomadischen Landsleute, die es ja wissen müssen, den Karawanen und sonstigem umziehenden Volk mit Imbiss im Gepäck entgegen reiten Ein paar Tage nach dem Berliner Mauerfall bin ich mit ein paar anderen Studenten zum ersten Mal in unserem Leben aus Ostberlin in den westlichen Teil der Stadt gegangen. Kurz nach dem Grenzübergang hat eine Westberlinerin auf dem Fahrrad vor uns angehalten und gefragt, ob wir uns zurechtfinden würden. Da wir keinen Stadtplan oder ähnliches bei uns hatten und aufs Geratewohl losmarschiert sind, wussten wir tatsächlich nicht, wie wir zur Siegessäule und zum Kudamm kämen. Und was machte die freundliche Dame, die ehemalige „Klassenfeindin sozusagen? Sie stieg einfach von ihrem Fahrrad ab, schob es mit einer Hand und wurde spontan zu unserer persönlichen Stadtführerin und spannenden Erzählerin. Diese Begegnung ist eins der schönen Bespiele, dass Menschen einfach Menschen sind, unabhängig davon, welche Konzepte, Meinungen, Vorurteile etc. über sie uns aufgedrückt wurden oder wir selbst haben. Seit ich mich beruflich mit Reiki und Rainbow Reiki® beschäftige und darin ausbilde, lerne ich noch mehr über die Beziehungsfähigkeit, Egostrukturen und wirksame Methoden, um die ersteren zu verbessern und die letzteren zu harmonisieren. Doch zu allererst gehören das spirituelle Bild vom Menschen und die Herzverbundenheit dazu. Denn Reiki fördert Beziehungsfähigkeit und kann das Herz öffnen und auch seine Verletzungen heilen. Zum Schluss habe ich für dich noch das Zitat von Richard Beauvais (1964), welches mich auf Anhieb tief berührt hatte: „Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt. Solange der mensch sich selbst nicht begegnet, ist er auf der Flucht. Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine Geborgenheit. Solange er fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sie selbst, noch andere erkennen er wird allein sein. Wo können wir solch einen Spiegel finden, wenn nicht in unseren Nächsten? Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sch werden und sich nicht mehr als den Riesen seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der Teil seines Ganzen zu ihrem Wohl seinen Beitrag leistet. In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen und wachsen: ich mehr allein . wie im Tod sondern lebendig als Mensch unter Menschen.“ In der Tat können wir uns selbst nur im Spiegel einer menschlichen Beziehung erkennen. Tja, welche Erinnerungen so ein grüner Bleistift hervorrufen kann. Hast du eine solche Geschichte über schöne Begegnungen? Dann schreibe sie gerne als Kommentar. Der Beitrag Der Mensch und sein Spiegel erschien zuerst auf Entfaltung der Persönlichkeit.

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