Du kannst dich nicht ewig vor Familienfeiern drücken!

Das war der Satz, der mir vor über 14 Tagen genau so ausgerichtet werden sollte, von einer Familienfeier, die ohne meine Anwesenheit stattfand. Das war der Satz, der mir ausgerichtet wurde, von einem Herzmenschen, der ohne mich dort war. Lapidar dahingesagt, der Satz, scheinbar ohne weiter darüber nachzudenken, und vermutlich auch ohne ihn gegenüber dem Herzmenschen, der ihn gesagt hat, zu kommentieren. Das ist der Satz, der sehr viel in mir angerichtet hat, was ich erst jetzt so richtig spüren und verstehen kann. Vorher war da Watte, ein war als Witz gedacht, ein war ja nicht böse gemeint, ein spaßiger Kommentar, aus der Situation heraus.  Entschuldigungen im Voraus, falls der Satz doch etwas mehr weh tut. Oder genau so trifft, wie er tatsächlich gemeint war? Ein kleines Betäubungsmittel gleich mitgeschickt und hübsch verpackt, mit einem Lächeln oder Lachen überreicht und von mir so angenommen. Herzmenschen wollen einem ja nicht absichtlich was Böses. (Okay, es gibt Ausnahmen, aber davon erzähle ich in einem anderen Blogpost.) Man sagt das ja so leicht. Hey, war nicht so gemeint, oder gar du weißt doch, wie es gemeint war, wenn man jemandem in der Seele wehtut. Oder, wie mein Lieblingskindermensch es ausdrückt, ganz tief im Herzen weh tut. Ich nehme mich davon auch nicht aus. Sagt man eigentlich auch nur bei seelischen Verletzungen, oder? Ich hab das noch nicht bewusst gehört oder gesagt, dass jemand sagte Ups, ich hab dir in die Fresse gehauen, ich weiß, tut jetzt weh, aber war nicht so gemeint, haha, weißte doch. Jedenfalls nicht ernsthaft. Und die Fresse tut trotzdem weh, und das sieht man und deshalb wird das auch anerkannt. Seelische Schmerzen sieht man nicht. Die gelten nicht. Erst jetzt, über 14 Tage nach diesem Satz, erkenne ich langsam, was da überhaupt passiert ist, was da eigentlich gesagt wurde, was das in mir ausgelöst hat. Warum ich nicht schlafen kann, tagsüber müde und gereizt bin, wieder Richtung Depression steuere. Du kannst dich nicht ewig vor Familienfeiern drücken. Bedeutet für mich: Meine Gefühle, mein Wohlergehen werden nicht ernstgenommen, kein Verständnis gezeigt. Migräne, Schlafattacken, Durchfall, Angst, Panik, egal. Man kann meine Schwierigkeiten nicht nachvollziehen, ergo existieren sie auch nicht, ergo ist das kein Argument. Hauptsache anwesend. Wie ist nicht wichtig. In welchem Zustand ist nicht wichtig. Aber bitte lächeln! Du kannst dich nicht ewig vor Familienfeiern drücken. Bedeutet für mich: Zwang, Druck, Manipulation. Ich darf mich nicht schützen, nicht auf Dauer. Ich darf nicht nein sagen, oder besser ich sollte nicht nein sagen. Lieber nicht wehren. Wir kriegen dich noch dazu. Chinesische Wasserfolter mit Worten, Gesten, Mimik. Ein leises Kopfschütteln hier, ein Augenrollen da, ein verständnisloses das ist doch nicht schlimm und keiner will dir was böses auf meine Argumente. Mich verunsichern, überreden, weichkochen. Du kannst dich nicht ewig vor Familienfeiern drücken. Bedeutet für mich: es wird von mir erwartet, dass ich mich dieser Farce aussetze. Dass ich die Hölle aushalten muss. Laute Stimmen, mehrere Unterhaltungen laufen nebeneinander, an denen ich schlimmstenfalls teilnehmen soll, ich werde angesprochen und in Gespräche verwickelt, Geschirr und Besteck klappert unüberhörbar, dazu mischen sich Essensgerüche mit dem Parfum und sonstigem Odeur der TischnachbarInnen, von den ganzen visuellen Eindrücken fange ich gar nicht erst an. Alles ist extrem anstrengend, alle Sinneskanäle müssen observiert und kontrolliert werden. Du kannst doch auch zu Konzerten und Musicals gehen, da sind doch auch viele Menschen, warum dann nicht eine Feier mit viel weniger Leuten? wurde ich gefragt. Ganz einfach: bei Konzerten kennt nicht jeder jeden, es wird nicht pausenlos durcheinander gesabbelt, man wird nicht andauernd angesprochen, ob alles okay sei, wenn man mal nichts sagt oder vor sich hinstarrt, die Musik vereint und übertönt alle möglichen anderen Geräusche, Kommunikation geht kaum und ist auch nicht nötig, mein Hirn wird durch die Musik im Takt gehalten Es ist eine komplett andere Situation, die auch sehr anstrengend ist und mich fertig macht, aber auf sehr positive Weise. Du kannst dich nicht ewig vor Familienfeiern drücken. Bedeutet für mich: ich stelle mich an. All meine sensorischen Überempfindlichkeiten, Krankheiten, Behinderungen sind eingebildet oder zumindest nicht so schlimm, dass ich nicht ab und zu über meinen Schatten springen und an einer Familienfeier teilnehmen kann. Reiß dich zusammen, das schaffst du schon. Alles nicht so wild. Du kannst dich nicht ewig vor Familienfeiern drücken. Ein Satz, der mich in meine Kindheit/Jugend zurück katapultiert hat. Die alte Panik getriggert, die alten Gefühle des Nicht-Akzeptiert-Werdens hochgeholt hat. Nicht verstanden werden, nicht sein dürfen, wie man ist. Ein Satz, der meinen ernsthaften Versuch, teilzunehmen, nicht honoriert. Denn: Ich habe mich nicht davor gedrückt. Ich habe zugesagt, ich habe darauf hingearbeitet, dass ich es schaffen kann, ich habe mich tagelang vorher geschont, wie ich es auch vor Konzerten oder Musicals und sogar Treffen mit Freunden mache. Ich habe auch wie üblich die Tage danach geblockt, sprich mir an den Tagen nichts vorgenommen, weil ich einfach weiß, dass ich nach so einer Anstrengung erst mal mindestens 1-2, manchmal sogar 3 oder mehr Tage nur schläfrig und k.o. bin. Alles war vorbereitet, ich war vorbereitet. Und dann kam zwei Tage vorher eine Panikattacke. Bilder von vergangenen Familienfeiern, kommunikationswillige Menschen um mich herum, Gelächter, Blicke, Gerede. Die Erkenntnis, warum schon seit einiger Zeit wieder schlaflose Nächte vorherrschen. Angst. Unruhe. Darmkrämpfe. Durchfall. Dann die Frage, ob es irgendeinen, wenn auch winzig kleinen Grund gibt, der für mich etwas Positives beinhaltet, der dafür spricht, hinzufahren, teilzunehmen. Irgendetwas Einzigartiges. Etwas, das ich vielleicht verpassen würde, etwas, für das es sich tatsächlich für mich lohnt, diese Strapazen vorher, währenddessen und noch Tage hinterher zu ertragen. Zählt ein Geburtstag dazu? Nein. Den kann man auch nachfeiern oder erträglich gestalten und die große Feier später ohne mich machen (da können eh mehr Leute^^). Zählt eine Beerdigung dazu, auch von Herzmenschen? Ebenfalls nein. Beerdigungen sind dazu da, sich vom Verstorbenen zu verabschieden, und das geht auf vielfältige Weise. Feiertage wie Weihnachten, Silvester, Ostern? Nein. Zählt eine Hochzeit dazu? Eindeutig ja, sofern der heiratende Mensch mir wirklich sehr sehr wichtig ist. Dann die Erkenntnis: nein, da gibt es nichts. Ich kann völlig losgelöst von Familienfeiern mit den Herzmenschen zusammen sein. Ich werde mich auch nicht mehr dem Stress aussetzen, überhaupt in Erwägung zu ziehen, an so einer Festivität teilzunehmen. Was jetzt noch bleibt: die leise Hoffnung, dass bestimmte Herzmenschen mich irgendwann doch verstehen.

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