Ernährungsgeschichte: Von Humboldt bis Nestlé: Diese Menschen haben geprägt, was wir heute essen

Kaum jemand kennt sie – doch wo unsere Nahrung herkommt und wie sie produziert wird, hing von der Neugier und dem Erfindungsgeist dieser Persönlichkeiten abSie haben im Dreck gewühlt und mit Chemikalien experimentiert, haben sich gegen Großindustrielle durchgesetzt oder sind selbst welche geworden: Die Geschichte der Ernährung wurde geprägt von vielen Menschen. Sieben der wichtigsten stellen wir hier vor, mit Textauszügen aus dem Buch "Eat it! – Die Menschheit ernähren und dabei die Welt retten" unserer beiden Autoren Marlene Göring und Dirk Steffens.Alexander von HumboldtAlexander von Humboldt, 1847© Hermann Biow / Wikimedia CommonsAls Alexander von Humboldt 1804 von seiner fünfjährigen Entdeckungsreise durch Lateinamerika zurückkehrte, hatte er kistenweise Schätze im Gepäck: Gesteinsproben von fernen Andengipfeln, Karten von Flüssen und Meeresströmungen, präparierte Blätter, Blüten und Schmetterlinge, das Fell eines Rotrückensakis, einer bis dahin unbekannten Affenart, und Dahlien, heute eine der beliebtesten Zierpflanzen bei uns. Ein wahrer Fundus an Erkenntnismöglichkeiten, den die Forscher der alten Welt heiß herbeigesehnt hatten. Aber das wahrscheinlich bedeutendste Mitbringsel übersahen sie: eine stinkende, gelblich-braune Substanz, von den Inkas Huanu und den Einwanderern Perus Guano genannt – Vogelmist, den man dort zum Düngen benutzte. Humboldt wusste sehr genau um die Wunderwirkung des Kots, da "die Möglichkeit des Ackerbaues längst der Seeküste ja bloß auf diesem köstlichen Mittel beruhe", wie er schrieb. Trotzdem verschwanden seine mitgebrachten Proben in den Archiven. Vorerst.Justus von LiebigJustus von Liebig, Chemiker und Begründer der Agrikulturchemie, um 1860© Foto Hanfstaengl / akg-imagesDie Menschen – nicht nur in Peru – wussten schon seit Ewigkeiten, dass Düngen ihren Feldfrüchten beim Wachsen hilft. Sie wussten nur nicht, warum. Der deutsche Chemiker Justus von Liebig wollte es genauer wissen. Und er erkannte nicht nur, dass man dem Boden die Nährstoffe zurückgeben muss, die ihm Ackerpflanzen entziehen – Kalium, Phosphor und vor allem Stickstoff in Form von Ammoniak, Nitrat oder Nitrit. Sondern er formulierte auch das Gesetz des Minimums. Das besagt, dass der Ertrag einer Pflanze immer nur so hoch sein kann, wie es das Spurenelement zulässt, das in der geringsten Menge vorhanden ist. Heißt: Ich kann noch so viel Phosphor zusetzen – wenn es der Pflanze an Stickstoff mangelt, wird sie nicht größer. Und andersherum.Vegan, vegetarisch, Fast-Food? Der Streit ums richtige Essen (Geo+)Diese Erkenntnis öffnete ungeahnte Möglichkeiten in der Landwirtschaft. Mit der 7. Auflage von Liebigs "Agrikulturchemie“ von 1962 waren seine Theorien in der breiten Masse angekommen, und nun erinnerte man sich auch wieder an Humboldts Guano. Kein anderer natürlicher Dünger ist so reich an Phosphor und Nitrat. Eine regelrechte Guanomanie setzte ein, und alle wollten auf einmal etwas von dem Vogeldreck abhaben. Allein Großbritannien importierte 200.000 Tonnen Guano bis Ende der 1850er pro Jahr, und bald musste man auch außerhalb Perus danach suchen, in Indonesien etwa oder Südafrika, die Vorräte waren schnell erschöpft. Heute entdecken Hobbygärtner den Guano zwar wieder für sich – aber der stammt fast ausschließlich aus Fledermaushöhlen.Carl Bosch und Fritz HaberCarl Bosch und Fritz Haber, Begründer des Haber-Bosch-Verfahrens zur Herstellung von Kunstdünger© Gemini Collection / imagoAnfang des 20. Jahrhunderts herrschte die – zugegebenermaßen stark übertriebene – Sorge, dass die natürlichen Nitratvorkommen in wenigen Jahrzehnten verbraucht sein würden. Aber die Menschheit wusste nun, wie der Stoffhaushalt von Pflanzen funktioniert. Und machte sich daran, sich von der Natur unabhängig zu machen.Der Traum vom "Brot aus der Luft“ trieb Chemiker schon seit den Erkenntnissen von Justus Liebig um. Wahr wurde er erst in einem Tropfen, der am 2. Juli 1909 aus einem Apparat aus Kesseln und Schläuchen schwappte, in Fritz Habers Labor in Karlsruhe. Der junge Chemiker hatte herausgefunden, dass sich Stickstoff und Wasserstoff unter Druck und bei Hunderten Grad Celsius zu Ammoniak synthetisieren lassen. Vertreter von BASF, das Chemieunternehmen und der Auftraggeber von Haber, wurden am diesem Tag Zeuge der Geburtsstunde des künstlichen Düngers. Sie schüttelten glücklich Hände und übertrugen ihrem Chefchemiker Carl Bosch die Aufgabe, aus dem Tischapparat eine funktionierende Industriemaschine zu bauen, deren Kessel Druck und Temperatur auch in großem Maßstab standhielten. Bosch meisterte das mit Bravour, und 1914 stellte allein die BASF-Fabrik in Oppau 20 Tonnen Ammoniak täglich her.buch promoOhne künstlichen Dünger könnten wir auf der Erde 1,5 Milliarden Menschen ernähren. Alle Menschenleben darüber hinaus gehen also aufs Konto dieser Männer. Beide bekamen später den Nobelpreis in Chemie verliehen. Wie eng Fortschritt und Zerstörung in der Geschichte immer zusammenhingen, beweist ihr Beispiel wie kaum ein anderes. Denn Haber widmete seine Forschung bald der Entwicklung von Chemiewaffen. Er gilt heute nicht nur als Held, dem Milliarden Menschen das Leben verdanken – sondern auch als Begründer der chemischen Kriegsführung.Henri NestléHeinrich Nestle, der Gründer der Firma Nestlé. Er war ein Künstler des Marketings© dpa | Nestlé Deutschland AGDie Industrialisierung verwandelte die Landwirtschaft in eine Lebensmittelindustrie, und sie machte die Menschen bereit für Fertignahrung. Kondensmilch, Margarine, Schmelzschokolade, löslicher Kaffee – all das waren Produkte, die bis 1900 zum ersten Mal auftauchten. Doch etwas Überzeugung brauchten die Konsumenten, schließlich misstrauten sie am Anfang den neuartigen Produkten, die von den Fabrikanten entwickelt wurden.Interessanterweise trifft man oft auf Heldengeschichten in den Ursprüngen dieser ersten Industrielebensmittel. Der Schweizer Kaufmann Henri Nestlé etwa, ursprünglich in Frankfurt geboren als Heinrich Nestle, wollte eine Lösung für die hohe Kindersterblichkeit in Europa finden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten bis zu 25 Prozent der Kinder das erste Lebensjahr nicht. Aber was Kindern guttut, war ja hinreichend bekannt: Milch, Brot und Zucker. Also begann Nestlé, in seiner Fabrik Zwieback zu zerstoßen und mit einer Paste aus Milch und Zucker zu vermischen. Die Melange wurde getrocknet und mit Kaliumcarbonat vermengt, für die Verträglichkeit und um deren pH-Wert konstant zu halten.Nestlé will das so entstandene "Kindermehl“ an einem 15 Tage alten Säugling erprobt haben, der sonst nichts essen wollte – mit dem Muttermilchersatz soll er das Kind gerettet haben. Ob dieser Gründungsmythos stimmt oder nicht, lässt sich heute nicht mehr sagen. Aber mit ihm begann der Aufstieg des Nestlé-Unternehmens zum Weltkonzern.Norman BorlaugNorman Borlaug bei der Feldarbeit© Pictorial Press / Alamy Stock PhotosEnde der 1960er Jahre kehrte – wieder einmal – der Hunger in die Welt zurück. Millionen Menschen drohten in Ländern wie Indien oder Pakistan an Unterernährung zu sterben. Dass es nie so weit kam, ist vor allem Norman Borlaug zu verdanken, einem Farmerssohn aus Iowa, der gern boxte und den alle nur Norm nannten. Schon mit 27 Jahren machte Borlaug seinen Doktor in Pflanzenpathologie. Drei Jahre später, im Jahr 1944, reiste er für die Rockefeller Foundation nach Mexiko. Die war der Meinung, die beste Entwicklungshilfe für den Nachbarstaat sei es, die landwirtschaftlichen Erträge zu vergrößern.Ursprünglich sollte Borlaug neue Weizensorten züchten, die resistent gegen Getreideschwarzrost waren, eine Pilzkrankheit. Aber nicht nur das gelang ihm: Er kreuzte Tausende Sorten von Weizen, später auch Mais. Das Ergebnis waren Pflanzen, die krankheitsresistent waren und kleinere Stängel und größere Früchte trugen. Seine neuen genetisch veränderten Zwergsorten züchtete er nicht nur in Mexiko, sondern für viele Entwicklungsländer und mit Partnern in Indien, Pakistan und auf den Philippinen, wo man Borlaugs Methode auf Reis übertrug. 1970 erhielt er den Friedensnobelpreis: Mehr als jeder andere Mensch seines Alters habe er dazu beigetragen, dass eine hungrige Welt Brot bekam, hieß es in der Begründung.Borlaugs neue, effizientere Sorten waren der Kern der "Grünen Revolution", um die drohende Katastrophe abzuwenden und den Welthunger zu besiegen. Aber die USA brachten dem globalen Süden nicht nur besseres Getreide. Sie übertrugen alle ihre Prinzipien der Intensivlandwirtschaft auf die Welt – inklusive Monokulturen, hohem Input von Dünger, Pestiziden und Herbiziden und transnationalen Konzernen als mächtigen Akteuren, die über Saatgut und Handelsketten bestimmen. Die "Grüne Revolution" hat die Logik der Massenproduktion und Industrialisierung erst zum Weltmodell gemacht – mit Folgen für unseren gesamten Planeten, wie Abholzung, Bodenverlust und Klimawandel.

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