Fachanwalt für Arbeitsrecht Stephan Kersten: Das betriebliche Eingliederungsmanagement

Das betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist in § 167 SGB IX geregelt. § 167 Abs. 2 SGB IX enthält eine Legaldefinition, was hierunter grundsätzlich zu verstehen ist. Da der Gesetzgeber in § 167 Abs. 2 SGB IX für die praktische Durchführung eines BEM nur einige „Mindeststandards“ festlegt hat, hat die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung diese Vorgaben zunehmend konkretisiert. Ziele des BEM Ziel des BEM ist es zunächst, herauszufinden, wie bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz möglichst erhalten werden kann (§ 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Dies soll in einem „ergebnisoffenen Suchprozess (BAG 22. März 2016, 1 ABR 14/14) geschehen. Zudem soll das BEM, ausweislich der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 84 SGB IX aF im Jahr 2004, dazu beitragen der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz einen stärkeren Stellenwert verschaffen (vgl. BT-Drs. 15/1783, S. 16). Voraussetzungen und Durchführung des BEM Obwohl das BEM im SGB IX und damit in dem Buch „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ geregelt ist, ist ein BEM grundsätzlich bei allen Arbeitnehmern durchzuführen. Es kommt zudem weder auf die Betriebsgröße noch auf die Rechtsform des Betriebes an. Es ist auch unerheblich, ob die Arbeitsunfähigkeit arbeitsbedingt eingetreten ist oder nicht. Das BEM besteht grundsätzlich aus zwei Phasen: In der ersten Phase bietet der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern, die die gemäß § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX erforderlichen Krankheitszeiten aufweisen, die Durchführung eines BEM an. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Möglichkeit zur Durchführung eines BEM zu unterrichten. Stimmt der Arbeitnehmer der Durchführung eines BEM zu, so sind in der zweiten Phase mit allen Beteiligten gemeinsam mögliche Maßnahmen zu erörtern. Sind geeignete Maßnahmen gefunden worden, so ist der Arbeitgeber verpflichtet diese Maßnahmen anschließend umzusetzen. Die Einladung zum BEM Die Einladung zum BEM stellt einen wichtigen Punkt dar, da der Arbeitnehmer anhand der in der Einladung enthaltenen Informationen entscheiden soll, ob er an dem BEM teilnehmen möchte oder nicht. Nach der Rechtsprechung muss eine Einladung folgende Informationen enthalten: • Ziele des BEM • Freiwilligkeit des BEM • Art und Umfang der zu erhebenden und zu verwendenden Daten • Möglichkeit, die in § 167 Abs. 2 SGB IX genannten Stellen bzw. Personen hinzuzuziehen Folge eines unterlassenen BEM im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung Will der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigen, so stellt sich die Frage, ob Voraussetzung hierfür die erfolglose Durchführung eines BEM ist. Denn eine Kündigung muss stets verhältnismäßig und nach dem ultima-ratio-Prinzip die letzte Möglichkeit sein. Das BEM konkretisiert diesen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, indem es dazu bei trägt zu überprüfen, ob andere Möglichkeiten als eine Kündigung in Betracht kommen. Die Durchführung bzw. Nichtdurchführung eines BEM hat folglich Auswirkungen auf den Kündigungsschutzprozess: Kommt es zu einem Kündigungsschutzprozess trifft den Arbeitgeber zunächst einmal die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Hat der Arbeitgeber ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt und fehlerfrei festgestellt, dass eine andere Beschäftigungsmöglichkeit nicht in Betracht kommt, so ist eine krankheitsbedingte Kündigung das letzte Mittel und die Kündigung daher verhältnismäßig. Wurde ein BEM hingegen nicht durchgeführt, so kann sich dies im Rahmen der Interessenabwägung nachteilig für den Arbeitgeber auswirken und dazu führen, dass sich die Kündigung im Prozess als unverhältnismäßig und damit als unwirksam herausstellt. Jedoch führt ein unterlassenes BEM nicht automatisch dazu, dass eine Kündigung unverhältnismäßig ist. Denn der Arbeitgeber hat im Prozess die Möglichkeit darzulegen und zu beweisen, dass sich die Durchführung eines BEM als objektiv nutzlos erwiesen hätte. Von einer solchen objektiven Nutzlosigkeit ist auszugehen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter keinen Umständen möglich gewesen wäre. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer unheilbar krank ist oder die Arbeitsfähigkeit auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen ist. Datenschutz Der Datenschutz spielt bei der Durchführung des BEM eine besonders wichtige Rolle. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer stets darüber zu informieren, welche Daten von ihm erhoben und wofür diese Daten verarbeitet werden. Die preisgegebenen Daten dürfen zu keinen anderen als den vom Arbeitnehmer genehmigten Zwecken verwendet werden. Bei den im Rahmen eines BEM erhobenen und verarbeiteten Daten handelt es sich vor allem um Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers, bei denen es sich um sehr sensible Daten handelt, die nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO als eine besondere Kategorie personenbezogener Daten besonders geschützt sind. Zu deren Erhebung und Verwendung bedarf es daher einer Ermächtigungsgrundlage für den Arbeitgeber. Diese kann sich insbesondere aus einer Einwilligung des Arbeitnehmers ergeben. Detailliertere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie hier. Der Beitrag Fachanwalt für Arbeitsrecht Stephan Kersten: Das betriebliche Eingliederungsmanagement erschien zuerst auf Rechtsanwälte für Arbeitsrecht in Berlin.

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