Hatha Yoga Texte im indischen Mittelalter: Buddhismus, Sex, Entsagung der Nath Kult

Naga Baba in Haridwar Die klassischen Hatha Yoga Texte entstanden innerhalb einer asketischen Yoga-Bewegung im indischen Mittelalter und sie bilden heute die ältesten Quellen des Hatha Yoga. Damals hat sich der Kult der Nath-Yogis gebildet, die mit unterschiedlichen Einflüssen den Fokus ihrer spirituellen Praxis auf den Körper legten und ihre Methoden teilweise schriftlich fixierten. Sie begründeten damit das Hatha Yoga als eigenständigen Weg innerhalb des Yoga. Unter den verschiedenen Yoga-Wegen ist dieser der jüngste, obwohl die Wurzeln bis in die vedische Zeit zurückgehen. Bei meinen aktuellen Beiträgen zur Geschichte des Yoga orientiere ich mich an den neuen Studienergebnissen der Scholar Practitioners. Es gibt innerhalb der modernen Indologie eine wachsende Gruppe von Gelehrten, die selbst auch Yoga üben und ihre Wissenschaft aus einem (mehr oder weniger) spirituellen Blick interpretieren. Da gibt es z.B. den Podcast und Online-Kurse Yogic Studies vom Harvard Indologen Seth Powell. Außerdem das großartige EU-geförderte Forschungsprojekt der Lononer SOAS-Universität Hatha Yoga Project rund um den Indologen Dr. James Mallinson, der auch mit Mark Singleton das Standardwerk Roots of Yoga schrieb. Mallinson studierte in Eton und Oxford und ist gleichzeitig initiiert in eine Vaishnava Samradaya und dort inzwischen Mahant (eine Art Abt). Haṭhayoga kann, wie andere Yoga-Methoden auch, von allen praktiziert werden, unabhängig von Geschlecht, Kaste, Klasse oder Glaube. In vielen Texten heißt es ausdrücklich, dass allein die Praxis zum Erfolg führt. Sektiererische Zugehörigkeit und philosophische Neigung sind nicht von Bedeutung. Die Texte des Haṭha-Yoga enthalten, von einigen Ausnahmen abgesehen, keine Lehren über Metaphysik oder sektenspezifische Praktiken. Dr. James Mallinson Die ersten Hatha Yoga Texte waren Buddhistisch Yogasopana, 1905 Als älteste Quelle für den Terminus Hatha Yoga (Yogaweg der Anstrengung, Gewalt, Kraft, Bemühen) gilt der vajrayana-buddhistische Text Bodhisattvabhūmi aus dem 3. Jahrhundert. In diesem Text geht es darum, was für Qualitäten man entwickeln muss, um ein Bodhisattwa zu werden, unter anderem sexuelle Enthaltsamkeit. Es wird gesagt, man kann es nicht erzwingen, im Sanskrit steht dort: na haṭhayogena, also wörtlich nicht durch Gewalt. Interessant finde ich hier, dass der Begriff Hathayoga zuerst auftaucht bei einer Erläuterung, dass man sexuelle Enthaltsamkeit nicht erzwingen sollte. Ich glaube, der Versuch macht Leute verrückt. Ab dem 8. Jahrhundert tauchten dann noch weitere Vajrayana Texte auf, in denen der Terminus als Synonym für die Anwendung von Gewalt an sich selbst im Kontext der spirituellen Praxis steht. Mehrfach ist in betreffenden Texten auch die Rede davon, dass es um die Kontrolle der Ejakulation geht, meist mit dem Hinweis, dass man diese Methoden bei einem Guru lernen solle. Aber wie ist daraus das System des Hatha Yoga entstanden? Erste systematische Hatha Yoga Texte: es geht um Sex! Die erste schriftliche Definition von Hathayoga findet sich in einem Kommentar von Pundarika zum Kalachakratantra aus dem Jahr 1030 und beschreibt die Methode des Zurückhaltens und Sublimierung der Ejakulation. Jetzt wird Hathayoga gelehrt. In diesem System, wenn der unsterbliche Moment nicht nicht entsteht, weil der Atem unbeherrscht ist, [auch] wenn das Bild mit Hilfe des Rückzugs der Sinne und der anderen [Hilfsmittel des Yoga], dann, nachdem er kraftvoll (hathena) den Atem im zentralen Kanal durch die Praxis von nāda zum Fließen gebracht hat, was gleich erklärt werden wird, sollte [der Yogi] den unsterblichen Moment erlangen durch Nicht-Vibration, indem er die Tropfen des Bodhicitta [d.h. Samen] im Vajra [d.h. Penis] zurückhält, wenn er sich im Lotus der Weisheit [d.h. Vagina] befindet. Dies ist Hathayoga. Hier finden wir bereits den Kern des Hathayoga: Es geht letztlich immer darum, die Energie zum Wurzelchakra und dann aufwärts in die Sushumna (den zentralen Energiekanal) zu leiten. Auch späteren klassisch shivaitische Hatha Yoga Texte beschreiben immer wieder Methoden, die mit Sex zu tun haben. Prominent hier z.B. das Vajroli Mudra, bei dem es darum geht Flüssigkeit mit dem Penis aufzusaugen(!). Die entsprechenden Stellen sind in vielen Versionen gekürzt, so z.B. auch in den Kommentaren von Swami Vishnu-Devananda (3. Kapitel, Verse 84-103). Der erste der Hatha Yoga Texte, der ein klares und substanzielles System beschreibt (ohne es beim Namen zu nennen), ist dann wenig später das Amritasiddhi, auch aus dem 11. Jahrhundert. Aufgrund seines Vajrayana bzw. Tantrisch-Buddhistischen Hintergrundes findet dieser offenbar nur selten Erwähnung in der hinduistisch geprägten Geschichte des Hatha Yoga. Die Fachleute streiten sich allerdings darüber, ob Amritasiddhi nun aus einem shivaistisch-tantrischen oder aus einem buddhistisch-tantrischen Milieu heraus geschrieben wurde. Plausibel erscheint mir hier, dass für die frühen Nath Yoga Anhänger der Unterschied keine große Rolle spielte. Die Lehren, die als Amritasiddhi oder die Erlangung der Unsterblichkeit bekannt sind, sind ein Beispiel dafür. Sie wurden zeitweise von Buddhisten und zeitweise von Nāthas, den führenden Vertretern des hatha oder kraftvollen Yoga, in Anspruch genommen und zeugen von einer langen Periode des vielfältigen und multitraditionellen transhimalaya Kulturaustauschs. Kurtis A. Schaeffer Neben expliziten Körper- und Atemübungen wie Mahabandha und Mahamudra werden auch Hintergründe zur feinstofflichen Anatomie vermittelt. So wird hier das Modell von Mondenergie im Kopf und Sonnenenergie im Bauchraum beschrieben, die sich gegenseitig schwächen und zum Alterungsprozess führen. Durch die dann beschriebene Methodik des Hathayoga, bei der es auch um das Kontrollieren der sexuellen Kraft geht, lässt sich der Prozess verlangsamen. Der Nektar der Unsterblichkeit im Mond fließt nach unten; als Folge davon sterben die Menschen. Amritasiddhi 4.11 Hatha Yoga Texte und die ersten nicht sitzenden Asanas Das Wort Asana bedeutet schlicht Sitz oder Sitzend, erst durch die Hatha Yoga Bewegung im indischen Mittelalter wurde die Bedeutung erweitert auf Körperhaltungen generell. Im Ahirbudhnya Samhita aus dem 7. Jahrhundert wird Kukkotasana beschrieben, die Hahn-Haltung. Hier werden die Arme im Lotossitz durch die Kniebeugen geschoben und man stellt sich dabei auf die Handflächen, diese Haltung zählt aber zu den sitzenden Haltung. Als erste Auflistung und Beschreibung von konkreten Asanas, die nicht sitzend sind, gilt das Vimanarcanakalpa aus dem 10. Jahrhundert mit der Beschreibung des Pfaus: Lege die Handflächen auf den Boden, platziere die Ellbogen auf beiden Seiten des Nabels, hebe den Kopf und die Füße und bleibe in der Luft wie ein Stab. Dies ist die Pfauenhaltung. Vimanarcanakalpa Mehr nicht-sitzende Asanas gibt es dann erst schriftlich fixiert im späten 11. oder frühen 12. Jahrhundert. Erste substanzielle Hatha Yoga Texte: Shaiva und Vaishnava Als erster der Hatha Yoga Texte im hinduistischen Kontext gilt das Amaraugha Prabodha aus dem 12. Jahrhundert, der dem Nath-Meister Gorakhnath zugeschrieben wird. Wahrscheinlich ist, dass dieser Text aus dem Shiva-Siddhanta Milieu stammt und später aufgrund seines Autors dem Nath-Kult zugeordnet wurde. Hier ist einiges aus dem Vajrayana Text Amritasiddhi umformuliert worden, insbesondere wurden buddhistische Terminologien durch Shivaitische ersetzt. Die wesentlichen Praktiken sind aber hier aus dem Vajrayana in die Nath-Tradition transferiert worden. Der Text gilt auch als erster der Hatha Yoga Texte, bei denen Elemente aus Patanjalis Yoga Sutra übernommen wurden, außerdem wird hier das Aufsteigen der Kundalini eingeführt und es ist der erste nicht-buddhistische Text, der den Begriff Hathayoga aufnimmt. Das Dattatreyayogashastra aus dem frühen 13. Jahrhundert ist der erste der Hatha Yoga Texte bei dem unter dem Namen Hatha Yoga ein konkretes System von Techniken vermittelt wird. Konkret werden hier die Methoden Mahāmudrā, Mahābandha, Khecarīmudrā, Jālandharabandha, Uḍḍiyāṇabandha, Mūlabandha, Viparītakaraṇī, Vajrolī, Amarolī, und Sahajolī eingeführt und in einen größeren Kontext von Methoden eingebettet. Da Dattatreya als Inkarnation der Trimurti (Brahma, Vishnu und Shiva) vorwiegend von Vaishnavas verehrt wurde, gilt dieser Text als Vaishnava-Text. Frühe Hatha Yoga Texte der Nath Yogis Die Wurzeln des Kult der Nath Yogis und deren Hatha Yoga Texte lassen sich teilweise ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen, wobei der Begründer Matsyendranath womöglich bereits im frühen 10. Jahrhundert lebte. Mythologisch ist der Nath Kult und die Methoden von Adinath, dem ursprünglichen Lehrer =Shiva, direkt an Matsyendranath gegeben worden, der dann seinen wichtigsten Schüler Goraknath (Goraksha, Gorakshanath; er ist unter vielen Namen bekannt) unterwies. Die Einflüsse der frühen Nathyogis waren sehr vielfältig: Siddhantha: Tamilische Tradition des Shivaismus Vajrayana: Tantrisch geprägter (tibetischer) Buddhismus Kashmirischer Shivaismus: Monistische Tantriker Yoga: Hier ist die Sichtweise von Patanjalis Yoga Shastra gemeint Die Nath Yogis fungierten mit ihrem breiten Netzwerk auch als paramilitärische Söldner, die Handelswege bewachten und viele tempel unter ihre Kontrolle brachten. Die Datierung der Hatha Yoga Texte ist sehr schwierig, vor allem da die wahrscheinlichen Lebensdaten der zentralen Autoren nicht so richtig zu den angenommenen Daten der Texte passt. Jedenfalls nahm die Nath Yoga Bewegung und die Erstellung der Hatha Yoga Texte dann ab dem 13. Jahrhundert richtig Fahrt auf. Hier sind die bedeutsamsten frühen Hatha Yoga Texte aus dem Nath Milieu: Goraksha Shataka, 13. Jhd.: Beschreibt als erstes konkrete Techniken zur Erweckung der Kundalini sowie elaborierte Pranayama Methoden, richtet sich an Sannyasins (Entsagte). Vivekamartananda, 13. Jhd.: Die Sonne der Unterscheidung war offenbar seinerzeit sehr einflussreich und es werden hier asketische und tantrische Methoden kombiniert. Khecharividya, 14. Jhd.: Hier werden vorwiegend Mudras gelehrt und (wie der Name schon sagt) die geheime Methode des Khecharimudra, bei der das Zungenbändchen angeschnitten wird. Yogabija, 14. Jhd.: Gilt als der erste Text, der dem Hathayoga einen philosophischen Überbau gegeben hat, hier wird auch das Konzept von Ha (Sonne) und Tha (Mond) eingeführt. Klassiche Hatha Yoga Texte Swatmarama war ein Schüler des Gorakhnath und Autor des bekanntesten Werkes des Hathayoga aus dem frühen 15. jahrhundert: Hatha Yoga Pradipika oder Hathapradipika. Ähnlich wie das Yogasutra und die Bhagavad Gita fasst der Autor die ihm bekannten Übungen und Methoden zusammen und schreibt teilweise ab. Insgesamt kennt man heut acht Texte, aus denen sich Swatmarama offensichtlich bedient hat, um sie in seinen Rahmentext einzubauen, so z.B. aus den frühen Werken Dattatreyayogashastra und Amaraugha Prabodha. Er bringt als Erstes neben den Mudras auch nicht-sitzende Asanas und Kumbhakas in das System der Übungen des Hathayoga ein. Zur Hathayoga Pradipika habe ich einen eigenen Artikel erstellt. Dieser Tempel des Leidens und der Freude, der aus Fleisch, Knochen, Nerven, Mark, Blut besteht und von Blutgefäßen usw. durchzogen ist, ist nur um des Leidens willen da. Shiva Samhita 91 Zu Kategorie Klassische Hatha Yoga Texte gehören auch noch die beiden: Bahr al-Hayāt Shiva Samhita, 17. Jhd.: Kombiniert Advaita, Sri Vidya und klassisches Hathayoga, richtet sich explizit auch an Haushälter, könnte auch aus dem 15. Jahrhundert stammen. Gheranda Samhita, 17. Jhd.: 351 Verse, die enzyklopädisch das Hathayoga wie ein Handbuch zusammenfassen, es enthält unter anderem 32 Asanas und 10 Arten von Pranayama. Illustrierte Hatha Yoga Texte Abschließend noch ein interessanter Fun Fact: Das erste überlieferte illustrierte Hatha Yoga Buch stammt aus einer persischen Quelle, das Bahr al-Hayāt Ozean des Lebens aus dem Jahr 1602. Es enthält detaillierte Beschreibungen z.B. des Kechari Mudra sowie 22 Asanas, z.B. Gorakshasana, Kukkutasana und Garbhasana. Der Text ist offenbar durch Sufis ausgearbeitet, einige Aspekte wurden in islamische Terminologien übertragen. So wurde z.B. aus dem Mantra so ham Ich bin das, welcher im Hathayoga der Laut ist, der beim Ein- und Ausatmen entsteht, wird mit dem arabischen Rabb al-arbab der Herr der Herren ersetzt. Etwa 300 Jahre später ist ein weiteres Buch mit Yoga-Darstellungen erschienen. Das Yogasopana Purvacatuska aus dem Jahr 1905 war das erste gedruckte illustrierte Yogabuch und wurde mit Halbtonplatten hergestellt. Hier werden 37 Asanas bildlich dargestellt und erläutert. PS: Soweit also meine Ausführungen über Hatha Yoga Texte. Wie eingangs erwähnt stammen ein großteil der Informationen von den Ergebnissen des Hatha Yoga Project und den Kursen von Yogic Studies. Ich hoffe es ist mir gelungen die Informationen korrekt vermittelt zu haben, ohne wesentliches zu kürzen. Wenn Du mehr wissen möchtes, kauf dir das Buch:

zum Artikel gehen

Leipzig Restoratives Hatha Yoga

Das restorative Hatha Yoga gehört zum Yin Yoga, Der Fokus wird auf längeres Halten (3 5 Minuten) der einzelnen Positionen gelegt, um so auch fasziale Strukturen zu erreichen. Dies verhilft dir zu mehr Mobilität, Beweglichkeit und Geschmeidigkeit. Durch d

zum Artikel gehen

Leipzig 10 Wochen Yoga im Raumwunder

10 Wochen dynamisches Hatha Yoga für Alle Eine herzliche Einladung zu 75 Minuten Hatha Yoga mit fließenden Elementen. Wir werden Atem und Bewegung in Verbindung bringen und dadurch in einen tieferen Kontakt zu uns selbst treten. Der Kurs ist für Einsteige

zum Artikel gehen

Yogakurse

Du möchtest mehr Verbindung zu dir selbst aufbauen und achtsamer durchs Leben gehen? Die Yogakurse sind für Einsteiger geeignet und für Alle, die ihre Praxis vertiefen möchten. LEIPZIG Starttermin 17.07.024 10 Wochen dynamisches Hatha Yoga mittwochs von

zum Artikel gehen

Yoga im Park

Yoga unter der Sonne und unter dem Mond Es wird wieder warm und der Park ruft nach verbindendem und erdendem Yoga! Herzliche Einladung zu 60 Minuten dymanischen Hatha Yoga. Jede Stunde wird einen Fokus haben- Pranayama und Meditation sind ebenfalls Bestan

zum Artikel gehen

Yoga in Jugendherbergen

Yoga im Fluss der Energie: Ankommen Innehalten – Durchatmen Dich erwartet ein wunderbar entspanntes Wochenende, an dem du Zeit für dich hast und neue Kraft tanken kannst. Das abwechslungsreiche Programm ermöglicht dir eine schöne Auszeit vom Alltag, in d

zum Artikel gehen