Kaum noch neue Einfamilienhäuser – führt das zu „sozialem Sprengstoff“?

Kaum noch neue Einfamilienhäuser – führt das zu „sozialem Sprengstoff“? Der Neubau von Wohnhäusern geht massiv zurück. Das Pestel-Institut sieht darin große Probleme und Gefahren. Müssen Baugebiete, zuletzt oft aus Klimaschutzgründen kritisiert, neu betrachtet werden? Von Tarek Abu Ajamieh Im ersten Halbjahr 2022 wurden 75 Baugenehmigungen für Wohnhäuser mit maximal zwei Wohnungen erteilt, im ganzen vergangenen Jahr waren es am Ende 258. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres genehmigte der Landkreis nur noch ganze 68 Bauanträge – nicht aus Faulheit oder Langsamkeit, sondern mangels Anträgen. Das sind die nackten Zahlen, die das unter anderem auf die Bereiche Wohnen und Demografie spezialisierte Pestel-Institut in Hannover jetzt im Rahmen einer Studie veröffentlicht hat. Für Matthias Günther, den Chef des Institutes, sind die Daten gleich aus mehreren Gründen ein Alarmsignal. Zum einen wegen der Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. Die interessieren vor allem den Auftraggeber der Studie, den Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel. Doch der Ökonom aus Sarstedt geht noch deutlich weiter. Er befürchtet, die aktuellen Zahlen könnten die Vorboten sozialen Sprengstoffs“ sein – in Stadt und Landkreis Hildesheim und in ganz Deutschland, wo die Zahlen ganz ähnlich sind. Die Bauwirtschaft steht aktuell am Beginn einer Krise. Seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hat sich die Lage auf dem Markt für Neubauten massiv eingetrübt. Massive Steigerungen bei Materialpreisen hatte es schon zuvor gegeben, nun kamen auch noch die Inflation und obendrein spürbar steigende Zinsen hinzu, die viele Finanzierungen platzen ließen. Auch im Kreis Hildesheim berichteten Sparkasse und Volksbanken von massiven Einbrüchen, von stornierten Bauvorhaben, von sinkendem Interesse am Kauf oder Bau einer eigenen Immobilie. Während bereits bestehende Häuser über sinkende Preise weiterhin Interessenten finden, geht das bei Neubauten nicht so einfach. Debatte um Wasserkamp „Der Eigenheimbau ist innerhalb von nur einem Jahr um 61 Prozent zurückgegangen“, beschreibt Matthias Günther die Ergebnisse noch einmal anders. Das Wohneigentum sei „weiter auf der Rutschbahn“. Noch liege die Eigentumsquote – also der Anteil der Häuser und Wohnungen, die von ihren Eigentümern bewohnt werden – im Landkreis Hildesheim bei 50,2 Prozent. Doch die Tendenz sei fallend. „Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung – er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch der Kreis Hildesheim quasi in eine Schockstarre verfallen“, ergänzt Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel. Der Einbruch bei den Neubauten passt auf den ersten Blick durchaus zu einer aktuellen politischen Debatte. Nämlich zu der Frage, ob Neubaugebiete auf der grünen Wiese inklusive Versiegelung des Bodens angesichts des Klimawandels und seiner Auswirkungen überhaupt noch zeitgemäß seien. Das ist nicht nur seit Jahren ein beliebtes Argument von Gegnern der geplanten Siedlung Wasserkamp in Hildesheim. Auch in vielen anderen Städten und Gemeinden des Landkreises kommt dieser Aspekt immer öfter zur Sprache, wenn es um die Ausweisung von Neubaugebieten geht. Und zwar von Kommunalpolitikern fast aller Parteien. „Dass weniger Neubau dem Klimaschutz nutzen kann, ist einerseits natürlich richtig“, sagt Matthias Günther dazu. Aber Deutschland habe im vergangenen Jahr, vor allem infolge des Ukraine-Krieges, rund 1,5 Millionen Zuwanderer verzeichnet – netto, also abzüglich jener, die im gleichen Zeitraum ausgewandert sind. Demgegenüber hätten aber nur 300000 neue Wohnungen, ob im Einfamilienhaus oder im Mehrfamilienhaus, gestanden. In diesem Jahr liege der Zuwanderungs-Saldo voraussichtlich bei mindestens 350000, es kämen aber wohl nur höchstens 200000 Wohnungen hinzu, Tendenz eher fallend. Ein weiterer Faktor ist die grundsätzliche Tendenz, dass auch in Hildesheim im Schnitt immer weniger Menschen in einem Haushalt leben. Wohnungen blockiert? Dadurch entstehe ein enormer zusätzlicher Druck auf dem Markt für Mietwohnungen. „Wer im eigenen Haus wohnt, spürt davon natürlich nichts“, stellt Günther fest. „Wer zur Miete wohnt oder eine neue Wohnung sucht, der merkt das sehr wohl.“ Der Einbruch beim Neubau komme deshalb so ziemlich zum ungünstigsten Zeitpunkt, meint Günther. Denn Neubauten würden meist von Menschen geplant und bezogen, die bisher in Mietwohnungen gelebt haben. Wer ins neue Eigenheim ziehe, mache also Platz für andere auf dem Wohnungsmarkt. Genau dieser Ablauf sei nun aber gestört. Ursprünglich Bauwillige verharren in ihren Wohnungen. Folge: Es werden weniger Wohnungen als üblich frei, während wiederum mehr Menschen als üblich Wohnungen suchen – und gleichzeitig entstehen auch noch weniger neue Wohnungen als sonst. „Deshalb spreche ich auch von sozialem Sprengstoff“, sagt Ökonom Matthias Günther. Tatsächlich sind auch im Kreis Hildesheim, vor allem in der Kreisstadt und im Norden, Wohnungen nur schwer zu finden. Zugleich tut sich der Landkreis immens schwer, Wohnraum für Flüchtlinge zu organisieren, bewältigt die Unterbringung notdürftig mithilfe von Hotels und Turnhallen. Ein Szenario, dass sich derzeit in weiten Teilen Deutschlands ebenso darstellt. Dass die Bundespolitik inzwischen über eine stärkere Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen diskutiert, hat auch mit andauernden Appellen von Städten und Landkreisen zu tun, die sich zunehmend überfordert fühlen. Dabei haben staatliche Institutionen und ihre Baugesellschaften – wie in Hildesheim kwg und gbg – ähnliche Probleme wie Privatleute: Bauen rechnet sich nicht. Die erzielbaren Mieten sind nicht hoch genug, um Investitionen und Finanzierung zu rechtfertigen. Kwg-Geschäftsführer Matthias Kaufmann hat zum Beispiel erst vor wenigen Monaten ganz unverblümt gesagt, dass sein Unternehmen erst einmal allenfalls noch Sozialwohnungen bauen und sich ansonsten auf die energetische Sanierung des Bestandes konzentrieren werde. Was also tun? Geht es nach den Forschern vom Pestel-Institut – und sicher auch nach dem Auftraggeber ihrer Studie – würde der Bund ein milliardenschweres Förderpaket auflegen. Dabei soll es „Bundes-Baustartkapital“ für höchstens 1,5 Prozent Zinsen geben, die auf 20 Jahre garantiert werden und bis zu einem Baupreis von 4000 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. „Mit der Garantie eines langfristig kalkulierbaren und günstigen Kredites ließe sich der Neubau von Einund Zweifamilienhäusern, von Eigentumswohnungen und Reihenhäusern auch im Kreis Hildesheim wieder pushen“, ist Matthias Günther überzeugt. Warnung vor Altersarmut Der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel fordert zudem weniger Druck bei den Klimaschutz-Vorgaben für Häuslebauer: „Der Staat muss endlich davon wegkommen, nur ‚Super-Klimaschutzhäuser‘ zu fördern. Denn die hohen Standards machen das Bauen richtig teuer“, mahnt Katharina Metzger. Bei den Förderbedingungen müsse der Staat „einen Gang zurückschalten“. Pestel-Chef Matthias Günther warnt dabei auch vor langfristigen sozialen Folgen, falls dauerhaft weniger Menschen sich das wohnen im Eigentum leisten könnten. Wenn die heute 25- bis 40-Jährigen beim Wohneigentum weitgehend leer ausgingen, werde sich das in einigen Jahrzehnten rächen: „Das eigene Haus oder die eigene Wohnung ist eine wichtige Altersvorsorge. Oder anders gesagt: Altersarmut ist in erster Linie Mieterarmut – also Armut durch Miete.“ Eine Art Umverteilung Neben Reihenhäusern (siehe Extra-Text) hält er zudem Angebote wie die „Argentum“-Mehrfamilienhäuser der kwg für hilfreich. Denn dort zögen meist ältere Menschen ein, die zuvor im eigenen Haus am gleichen Ort gelebt hätten. „So eine Anlage hat also eine Wirkung wie ein kleines Baugebiet, weil viele Immobilien frei werden“, sagt Günther. Das hieße, das Problem über eine Art Umverteilung zu lösen: Angebote zu schaffen für die, die eigentlich aus Häusern rauswollen, um so neue Kapazitäten für Jüngere zu schaffen. Dann allerdings mit weniger Neubau. Das Problem dabei: Unternehmen wie die kwg wollen eben derzeit keine neuen Mehrfamilienhäuser bauen. Und um sich vorzustellen, dass der Bund Geld für neue Milliardenpakete, wie vom Pestel-Institut gefordert, bereitstellt, bedarf es, vorsichtig ausgedrückt, einiger Fantasie. Check vom Pestel-Institut: Wer kann sich welches Haus leisten? Kreis Hildesheim. Wenn er mehr Hilfe für den Neubau von Wohnhäusern fordert, legt Pestel-Instituts-Leiter Matthias Günther den Fokus gar nicht so sehr auf das klassische freistehende Einfamilienhaus, sondern eher auf Reihenhäuser. Die seien weniger teuer, und mit Blick auf den Klimaschutz verbrauchten sie auch vergleichsweise weniger Fläche. In einem „Machbarkeitscheck“ für potenzielle Bauherren im Landkreis Hildesheim legt Günther denn auch ein Reihenhaus mit 95 Quadratmetern Wohnfläche für eine vierköpfige Familie zugrunde. Das könne sich derzeit leisten, wer ein Startkapital von 38 000 Euro und ein Netto-Haushaltseinkommen von 5000 Euro im Monat hat, hat Günther ausgerechnet. Wobei es da um Mittelwerte geht – dass Baugrundstücke in Hildesheim oder Sarstedt weit teurer sind als in Lamspringe oder Freden, ist schließlich eine Binsenweisheit. Nehme man aber die genannten Beträge, könne sich das nur „eine Verdiener-Elite“ leisten, mahnt Günther. „Wirklich viele sind das nicht!“ Mithilfe des von ihm geforderten Niedrigzins-Angebot des Bundes könne hingegen schon ein Netto-Haushaltseinkommen von 3100 Euro für den genannten Fall ausreichen. Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 22.09.2023

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