Die Feierei war ziemlich grandios. Ich hatte mich so schön selbst überlistet und die Einladungen tatsächlich 3 Tage vor dem Event spontan verschickt. Manch ein Feierprofi könnte meinen, dass sei etwas spät. Das weiß ich natülich. Konnte mich aber vorher nicht überwinden. Damit sind wir bei meinem größten Problem im Moment. Ich schaffe es kaum, mir eine Aufgabe vorzunehmen und diese dann auch in dervorgesehenen Zeit durchzuführen. Vor allem betrifft das alles Administrative wie Papierkram ausfüllen, Überweisungen erledigen, Anwaltskorrespondenz etc. Neu war mir, dass es offenbar selbst so schöne Dinge betrifft, wie Einladungen für meine Freunde verschicken. In schlimmen Zeiten war schon das Zähneputzen schwierig. Woran es liegt, verstehe ich überhaupt nicht. Ich weiß natürlich genauso gut wie jeder andere, dass die Dinge, die liegen bleiben, meistens davon eher teurer werden als besser. Und was heißt hier:Ich schaffe es nicht! Diesen Satz habe ich früher, vor der Depression, nicht gelten lassen. Was soll denn dass auch heißen? Wenn etwas getan werden muss, dann muss man sich halt zusammen reißen und es tun. Soweit die Theorie. Früher ging das so. Im Moment fühlt es sich an, als ob die zwei positiv geladenen Seiten von extrem starken Elektro-Magneten unbedingt aneinander halten sollen. Ich werde schon rot und bin kurz vor dem Platzen, wenn ich die Seiten überhaupt zusammen bringen will. Es klappt höchstens ganz kurz und ist eigentlich zu anstrengend um wirklich zu funktionieren. Wie kann ich diese Blockade überwinden? Gibt es einen anderen Weg? Meine Kraft reicht einfach nicht für diesen Kraftakt. Ähnlich war es mit dem Schreiben. Konnte lange Zeit überhaupt nicht schreiben, nicht einmal Tagebuch, was ich ja schon seit frühester Kindheit führe. Jetzt schreibe ich wieder Tagebuch und langsam auch wieder Blogeinträge. Vielleicht kommt damit auch wieder alles andere? Was hält mich davon ab, zu funktionieren? Ich habe schon einiges versucht, um diese Blockade zu umgehen. Manchmal funktioniert es, mich mit jemandem zu verabreden, dem es ähnlich geht. Wenn wir zusammen sitzen, klappt die Arbeit besser, manchmal jedenfalls. Aber das kann es einfach nicht sein. Ich will meinen Kram einfach wieder erledigen können ohne dabei auf jemand anderes angewiesen zu sein. Die Ergotherapeutin in der Klinik meinte bei einem Physiker, der diese Blockade hatte, während ich noch in der Klinik war, er solle erstmal garnicht mehr an den Schreibtisch gehen. In der nächsten Woche dann nur 10 Minuten jeden Tag aber nicht arbeiten, nur Tee trinken. In der Woche danach den Schreibtisch aufräumen, dann vielleicht schon mal planen, was so zu tun ist und schließlich nach einigen Wochen kann er langsam anfangen mal 10 Minuten am Tag etwas zu tun. Nicht länger, 10 Minuten. Und es funktionierte bei dem Physiker. Bei mir nicht. Den Teil mit dem nicht an den Schreibtisch gehen, kann ich ganz gut. Darüber hinaus komme ich nicht. Dann habe ich versucht auf der Couch mit dem Laptop zu arbeiten oder am Wohnzimmertisch. Das geht ein bisschen. Die Abstoßung ist aber immernoch enorm. Außerdem ist es einfach echt unpraktisch. Ich will mein Leben wieder haben!!!! Ich will wieder ich sein!!! Ich will wieder sagen können, dass ich etwas bis dann und dann erledige und das auch schaffen! Ohne Hilfe, ohne Anstrengung oder wenigstens nur so viel, wie es braucht, um diese kleinen Dinge aus der Welt zu schaffen. Wenn ich wirklich mal etwas hinbekomme, wie die Einladungen verschicken, dann bin ich anschließend völlig fertig. Solitaire ich komme. Es ist so frustrierend. Jetzt, wo ich so langsam kapiere, was man mit einem Therapeuten so bearbeiten kann, habe ich also tatsächlich den Therapeuten gebeten, mir hierbei zu helfen. Er hat einen anderen Ansatz, als alle Therapeuten, die ich bisher erlebt habe. Er versucht mit mir die Teile in mir aufzuspüren, die den Boykott veranlassen und nachzuspüren, was diese Teile brauchen und wie ich mit Ihnen umgehen kann. In der ersten Sitzung ist heraus gekommen, dass eine riesige Traurigkeit auf den Plan tritt, wenn ich an den Schreibtisch möchte. Die ist natürlich am Schreibtisch nicht unbedingt erwünscht. In der Sitzung liefen mir schon wieder die Tränen, etwas, das ich glücklicherweise nicht mehr so häufig habe. Ich musste ziemlich mit Taschentüchern kämpfen, um nicht wieder völlig übermannt zu werden. Der Therapeut meinte, das sei alles ok. Traurigkeit könne mal da sein. Ich müsste ihr nicht die Führung überlassen. Wenn es zu stark werde, könne ich mein Werkzeug Solitaire spielen und Hörbuch hören ruhig anwenden. Die Traurigkeit könne auch einfach mit da sein, wie die Fröhlichkeit, und mich nicht überwältigen. Hm. Meine letzte Erfahrung mit der Traurigkeit hat mich ins Krankenhaus gebracht. Habe eine Heidenangst davor wieder in dieses Fahrwasser zu geraten. Mal sehen, ob dieser Weg mir hilft. Jedenfalls war die Feier wirklich wunderschön und ich konnte die Freude fühlen. Wundervoll. Hatte mir bei meinen Kindern Hilfe erbeten und sie haben die Herausforderung wirklich gemeistert. Vor allem meine Tochter hat unglaublich geholfen mit Ermutigungen, Organisation, Umräumen, gute Laune bringen, Gäste umsorgen, Playlist gestalten etc.. wunderbar. Ich habe so ein Glück, so wundervolle Kids zu haben. So schön!!! Und mein Sohn hat mir einen Wellensittich geschenkt, damit ich nicht so alleine bin. So süß! Mr. Darcy ist extrem verängstigt. Gestern hat er nach 3 Tage endlich mal den Käfig verlassen. Seitdem genießt er seine Freiheit in der Küche und ist nicht zu bewegen mal in den Käfig zu gehen um zu futtern. Er hat so eine Angst vor meinen Händen, dass er das Futter, was ich ihm hinhalte nicht akzeptiert. So ähnlich muss ich auf meinen Therapeuten wirken. Es könnte alles so einfach sein, isses aber nicht.
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