Sophie Weidenhiller: Ein Leben haben zu wollen ist kein Verbrechen.

Sophie Weidenhiller engagiert sich in der privaten Seenotrettung und war während der ersten Sea-Eye 4-Mission im Juli 2021 Teil des Rescue Teams. Im Interview spricht sie über ihren Weg zur Seenotrettung, Blicke von Geflüchteten, Schikanen der Küstenwachen, wie sich kognitive Dissonanz überwinden lässt und was sie Sorgen vor zu viel Migration entgegenhält. Frau Weidenhiller, Sie waren 2018 und 2019 an Bord der „Alan Kurdi“ und im Mai 2021 bei der ersten Mission der „Sea-Eye 4“ dabei. Wie kam es zu der Entscheidung, in der Seenotrettung aktiv zu werden? Haben Sie sich schon zuvor sozial engagiert?  Ich habe nach der Matura Philosophie studiert und mich dann 2016 entschieden, Psychotherapeutin zu werden. Das Bedürfnis, Menschen auf der Flucht zu helfen, entstand in mir im Zuge des veränderten gesellschaftlichen Klimas gegenüber Geflüchteten – von der Willkommenskultur noch im Jahr 2015 hin zu einem „Abschottungswahn“, der seit 2016 immer ausgeprägter wurde. Damals habe ich in Zeitungen von Menschen gelesen, die zwar keine professionelle Ausbildung hatten, sich aber trotzdem sinnvoll und aktiv vor Ort als Freiwillige eingebracht haben. Und da wurde mir bewusst: Wenn die das können, kann ich das auch! Deshalb antworte ich auf die Frage nach meinen Beweggründen gerne mit einer Gegenfrage: Warum bleiben viele andere untätig? Als Communicator nehmen Sie vom Schlauchboot aus den Erstkontakt mit Geflüchteten auf. Was hat Sie zu diesem körperlich anspruchsvollen und nicht ungefährlichen Einsatz bewogen? Meine schönsten Kindheitserinnerungen sind mit dem Meer und dem Segeln mit meinem Vater verbunden und ich liebe insbesondere das Mittelmeer. Deshalb bricht es mir das Herz, wenn ich sehe, dass es zu einem Massengrab geworden ist. Dabei konnte ich nicht tatenlos zusehen und ich fühlte mich verantwortlich. Ich bin jung, psychisch und körperlich belastbar. Im Fitnessstudio bewege ich Gewichte weit über 100 Kilogramm. Außerdem werde ich kaum seekrank und liebe es, auf See zu sein. Ich kann sehr gut – auch nonverbal – kommunizieren, spreche fließend Englisch und etwas Französisch, bleibe in Krisensituationen ruhig und habe einen psychologischen Hintergrund, somit macht die Position für mich definitiv Sinn. Wenn wir über die Kommunikation mit den Flüchtlingen sprechen: Mit welchen Aussagen wurden Sie schon konfrontiert? Ich erinnere mich an einen Mann, der über Bord sprang, als die sogenannte libysche Küstenwache unseren Einsatz störte. Er sagte: „Lieber sterbe ich, als zurück nach Libyen zu müssen. In Libyen gibt es kein Leben.“ Für Menschen im globalen Norden ist es schwer vorstellbar, dass einem Dinge zustoßen könnten, die schlimmer sind als der Tod, und das regelmäßig und oft jahrelang. Es ist paradox, wie sehr wir „das Leben an sich“ in Europa um jeden Preis zu schützen suchen und alles dafür tun, möglichst lange zu leben, während wir gleichzeitig Menschen, die nichts anderes möchten, als in Sicherheit zu leben, behandeln, als wären sie es nicht wert, als wäre ihr Tod nicht schlimm, als wären sie Unfälle oder gar Kollateralschäden. Schauen wir Europäer bei der dramatischen Lage im Mittelmeer zu häufig weg? Die Toten im Mittelmeer sind direkte Opfer unserer Politik, doch ihr Leben und ihr Tod interessieren uns hier in Europa wenig. Kein Mensch verlässt seine Heimat leichtfertig, lässt alles, was ihr oder ihm vertraut ist und was sie oder er liebt, so einfach zurück. Es existieren ein enormer Leidensdruck und Perspektivlosigkeit, Gewalt, Krieg und Vertreibung. Und die Menschen sagen uns immer wieder: Es gibt schlimmere Dinge als den Tod; es gibt Zustände, so wie sie in Libyen vorherrschen, die man nicht lange ertragen kann. Die Seele rottet einsam vor sich hin, noch lange bevor der Körper aufgibt. Ein Leben haben zu wollen ist kein Verbrechen, sondern zutiefst menschlich. Anderen Menschen dieses Recht zu verweigern ist zutiefst unmenschlich. ZitiertIch erinnere mich an einen Mann, der über Bord sprang und sagte: Lieber sterbe ich, als zurück nach Libyen zu müssen. In Libyen gibt es kein Leben.Die Toten im Mittelmeer sind direkte Opfer unserer Politik, doch ihr Leben und ihr Tod interessieren uns hier in Europa wenigWegschauen ist menschlich, helfen aber genauso. Sophie WeidenhillerNächstes Zitat Sie sind seit mehreren Jahren Seenotretterin. Ist dieser Einsatz für Sie zu einem neuen Lebensmittelpunkt geworden? Ja und nein. In der derzeitigen politischen Lage sehe ich als Europäerin die Seenotrettung als meine Pflicht. Solange es mir möglich ist, aktiv dabei zu unterstützen, werde ich das auch tun. Dort, wo die Politik versagt, muss die Zivilbevölkerung aktiv werden. Das war schon immer so. Ich kann schon sagen, dass die Seenotrettung bei mir quasi täglich präsent ist. Seitdem ich das erste Mal einem Menschen auf einem nicht seetüchtigen Boot mitten im Mittelmeer in die Augen gesehen habe, lässt mich das nicht mehr los. Wenn das Rescue-Team Geflüchtete an Bord der Rettungsschiffe nimmt, was tragen die Menschen bei sich? Viele haben Kleinigkeiten dabei wie Anhänger oder dergleichen – vermutlich Talismane, Glücksbringer oder Andenken. Ich frage mich dann, was wohl dahintersteckt? Ist es die Kette der Mutter oder ein Armband einer geliebten Person? Wir haben eine Dose Thunfisch, Medikamente, Schmuck, Zahnbürsten, Haarkämme oder Dokumente gesehen. Manchmal sind auch seltsame Dinge darunter. Aber wer weiß, welche Bedeutung sie für die Person haben? Schrecklich fand ich, als eine Frau fast nichts bei sich trug außer einem großen Tiegel Hautaufhellungscreme. Anscheinend wollte sie ihre Haut mit diesem aggressiven Mittel chemisch aufhellen – vielleicht in der Hoffnung, in Europa so besser aufgenommen zu werden. Mich macht das sehr nachdenklich. Wir unterschätzen den negativen Einfluss, den unsere Politik und unser Lifestyle in anderen Ländern anrichten, und das vom Kolonialismus bis hin zur heutigen Schönheits-Industrie. Gab es Menschen oder auch Momente an Bord, die Ihnen besonders nahegegangen sind? Sehr viele. Ich habe einmal einen Jugendlichen an Deck sitzen sehen, seinen Kopf hatte er zwischen Händen und Knien vergraben. Als ich zu ihm sagte: „Du bist hier jetzt in Sicherheit, es ist alles okay. Kann ich etwas für dich tun?”, entgegnete er, dass seine Schwestern noch immer in Libyen im Lager seien und er lange nichts mehr von ihnen gehört habe. In diesem Moment wusste ich nicht mehr, was ich ihm sagen sollte. Ich hatte mir um ihn Sorgen gemacht, doch er war nur besorgt um seine Schwestern, und solange er sie nicht in Sicherheit wusste, konnte er sich selbst nicht darüber freuen, überlebt zu haben. Ich frage mich noch heute, was aus ihm und seinen Schwestern geworden ist. Die „Sea-Eye 4“ hat 150 Kinder und Jugendliche an Bord genommen, ein Drittel davon unbegleitet. Warum sind gerade so viele Kinder und Jugendliche auf der Flucht? In armen Regionen der Welt müssen sich oft noch minderjährige Jungen auf den weiten und gefährlichen Weg machen, weil sie für die Familie die einzige Zukunftsperspektive sind. Fragt man sie, was sie möchten, dann sagen sie meist: eine Ausbildung, Arbeit, die Familie versorgen, ohne Angst leben. Oder sie sind verwaist und müssen sich alleine durchschlagen. Kinder sind unsere Zukunft. Wie wir mit den vulnerabelsten Menschen in der Gesellschaft umgehen, sagt sehr viel über uns selbst aus. Wenn Kinder am Boden durchnässter Zelte neben Ratten schlafen müssen, man Säuglinge auf den Schlauchbooten im Mittelmeer treiben lässt, ohne zu Hilfe zu eilen, dann zeigt das überdeutlich, dass wir an dieser Stelle massiv versagt haben. Selbst wenn wir alle Kinder sofort aus den Lagern evakuierten: Die Wunden, besonders die psychischen, bleiben. Manchmal frage ich mich wirklich, wie tief wir gesunken sind, wenn wir nicht einmal den Willen zeigen, für hilflose Kinder eine angemessene Grundversorgung sicherzustellen oder sie zumindest vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ich schäme mich dafür als Europäerin, als Frau, als Mensch. Sie haben auch viele Frauen auf dem Mittelmeer gerettet, darunter Schwangere. Was berichten Ihnen diese „women on the move“? Das kann man sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen. Sie berichten schreckliche Dinge, insbesondere aus den libyschen Detention Camps. Da geht es um Folter an Leib und Seele, brutale Vergewaltigungen, Sklaverei, exzessive Gewalt. Selbst vor Schwangeren und Kindern wird nicht Halt gemacht. In Libyen existiert kein Rechtsstaat. Die geflüchteten Frauen sind sozusagen Freiwild, und man macht dort mit ihnen, was beliebt, da es keinerlei rechtsstaatliche Konsequenzen gibt. Zudem haben die Frauen dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder zu Verhütungsmitteln. Wir haben Frauen angehört, die schwanger in einem libyschen Gefängnis saßen und das Kind von einem ihrer Peiniger auf der anderen Seite der Gitterstäbe austragen müssen. Angesichts eines solchen Horrors bin ich zutiefst beeindruckt von der unglaublichen Stärke dieser Frauen und davon, dass sie trotz allem nicht verlernt haben, menschlich zu bleiben: Sie helfen sich gegenseitig und möchten sich dafür einsetzen, dass anderen Frauen solche Gräueltaten erspart bleiben. Ich ziehe den Hut vor meinen „Sisters“, wie sie mich und die anderen weiblichen Crew-Mitglieder schwesterlich nannten. Gibt es Geflüchtete, deren Lebensweg Sie nach der Rettung noch weiterverfolgt haben und von denen Sie wissen, wie und wo sie heute leben? Ja, das ergibt sich immer wieder. Manche kenne ich inzwischen schon einige Jahre und es sind richtige Freundschaften entstanden, zum Beispiel mit Alpha Jor. Ihn lernte ich auf meiner ersten Mission kennen. Damals war er erst 16 Jahre alt. Jetzt ist er 19 und hat Anfang des Jahres unser neues Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ als Taufpate in Rostock getauft und eine tolle Rede gehalten. Er lebt heute mit gültigem EU-Pass in Slowenien, macht seine Ausbildung, lernt Slowenisch und will jetzt im Sommer nach Malta reisen, um dort diejenigen zu besuchen, die damals mit ihm geflohen sind und das Land bisher nicht verlassen konnten. Geschichten wie die von Alpha geben uns Mut und Hoffnung. Allerdings habe ich auch von Menschen erfahren, die nach ihrer Rettung einsam sind, schlecht behandelt und mit Rassismus konfrontiert werden. Jede Flucht- sowie Lebensgeschichte ist einzigartig. Besonders schön ist es immer, wenn wir sehen, wie die Kinder groß werden, oder wenn wir hören, dass eine der Schwangeren ein gesundes Baby in Italien zur Welt brachte. © Guillaume Duez Nicht selten ist die Seenotrettung Schikanen der lokalen Behörden ausgesetzt. Im Podcast von Tobi Schlegl verglichen Sie es mit einem Rettungswagen, der auf dem Weg zum Einsatzort von der Polizei wegen des Reifendrucks aus dem Verkehr gezogen wird. Einmal mussten Sie auf der Suche nach einem Hafen ganz Sizilien umrunden. Wie erleben Sie diese Situationen? Dafür habe ich in keinster Weise Verständnis. Seenotrettung ist eine gesetzliche Pflicht. Wie auch an Land müssen Einsatzkräfte und Ersthelfer – wer auch immer zuerst vor Ort ist – Menschen in einem Notfall Hilfe leisten. Das gilt auch auf See. Genau zu diesem Zweck gibt es Küstenwachen und die Gesetze. Stellen Sie sich vor, eine Deutsche hätte in Tirol einen Unfall und die österreichischen Einsatzkräfte würden die Rettung der Frau verzögern und behindern, nur weil sie, statt der Hilfe durch österreichische Freiwillige, lieber darauf warten, bis ein Krankenwagen aus München eintrifft. Wobei man dazu sagen muss, dass die libysche Küstenwache (LYCG) selbst massive Menschenrechtsverletzungen begeht, mit deren Hilfe die EU illegale Rückführungen durchführt. Die LYCG bringt die Menschen zurück in jene Foltercamps, aus denen die Menschen bereits geflüchtet sind, so entsteht ein ewiger, furchtbarer Kreislauf. Die Einzigen, die davon profitieren, vor allem finanziell, sind die Milizen, die Menschenhändler und „Küstenwächter“ in Libyen sowie die EU-Staaten, die Abschiebungen bequem „outsourcen“ und dabei bewusst das Sterben von Menschen in Kauf nehmen, teilweise sogar mit verursachen. Frontex kooperiert nahtlos mit den Libyern und macht sich ständig mitschuldig an illegalen Push-Backs. Die italienische Küstenwache hat Rettungsschiffe mehrfach festgesetzt, während italienische Politiker kritisieren, dass die EU sich zu wenig um die Flüchtlingsfrage kümmert. Es ist natürlich verständlich, dass südeuropäische Staaten das Gefühl haben, sie werden vom Rest der EU im Stich gelassen. Doch man kann damit nicht rechtfertigen, Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Die gesamte EU müsste an einer Lösung arbeiten und diese Arbeit weder lediglich den NGOs noch einzelnen Staaten überlassen. Sie müsste endlich selbst aktiv werden. Weil das aber nicht der Fall ist, scheint auf dem Mittelmeer ein rechtsfreier Raum entstanden zu sein. Es gibt Aufnahmen Ihrer Partnerorganisation Sea-Watch e. V. aus der Luft, wonach die LYCG Boote mit Geflüchteten zu rammen versucht. Mitte Mai wurden Sie selbst Zeugin eines Push-Backs durch die Grenzschutzagentur Frontex. Wird das Klima auf dem Mittelmeer rauer? Wir haben mittlerweile schon viel mit ansehen und erleben müssen – die Umrundung Siziliens und MRCCs (Maritime Rescue Coordination Center), die tage- oder wochenlang keinen Hafen zuweisen, sind das eine, Schiffe der libyschen „Küstenwachen“, die mit Waffen auf Geflüchtete zielen, Warnschüsse abfeuern, Boote zu rammen versuchen und Rettungseinsätze direkt behindern, sind das andere. Seit letztem Jahr hinzugekommen sind behördliche Festsetzungen unserer Schiffe mit teils fadenscheinigen Begründungen und dem zweifelhaften Argument, wir würden regelmäßig „zu viele Personen retten“. Dabei handelt es sich klar um Notfälle! Die Rettungsschiffe der NGOs könnten helfen, werden aber im Hafen festgehalten, während es keine staatliche Seenotrettungsmissionen mehr gibt. Selbst zivilgesellschaftliche Initiativen wie Sea-Eye e. V., die durch Spenden finanziert mit Freiwilligen aufs Meer fahren, sollen mit allen Mitteln abgehalten werden, Menschen aus Seenot zu retten – so der Wille der EU. Man könnte manchmal fast verzweifeln, wenn man merkt, dass es den Entscheidungsträgern schlicht und einfach egal zu sein scheint, dass hier Menschen zum Sterben zurückgelassen werden. Wird Ihrer Ansicht nach zu wenig darüber berichtet? 2015 ging ein riesiger Aufschrei durch die Welt, als ein kleiner geflüchteter Junge – Alan Kurdi – tot an einem türkischen Strand angespült wurde. Heute, im Jahr 2021, sind Kinderleichen an Stränden kaum mehr eine Schlagzeile wert. Selbst die Medien wollen oft nicht mehr darüber berichten, da es keinen „News-Wert“ habe: „Wir haben doch schon so oft darüber berichtet!“ Aber genau das ist der Punkt! Es sterben noch immer Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer. Allein dieses Jahr hat uns dieses Wegschauen, diese Politik, Stand 15. Juli, schon mehr als 955 Menschenleben gekostet. Und dass das Europa nicht großartig zu stören scheint, lässt einem ehrlich gesagt das Blut in den Adern gefrieren. Im Podcast mit Tobi Schlegl sprachen Sie auch von kognitiver Dissonanz. Gab es Situationen in Ihrem Leben, bei denen Sie vielleicht selbst einmal weggeschaut haben? Ja, die gibt es immer wieder. Das ist auch menschlich. In manchen Situationen ist kognitive Dissonanz sogar gesund: Denken Sie nur daran, man würde alle fünf Minuten an die eigene Sterblichkeit denken, das würde uns verrückt machen. Es geht um die richtige Dosierung und um Priorisierung: Dort, wo Menschen massiv leiden und sterben, dürfen wir nicht einfach wegsehen. Es kommt nicht darauf an, wer das schlechteste Gewissen hat oder am meisten mitleidet, sondern es geht darum, aus sich die Motivation zu generieren, tatsächlich etwas positiv zu verändern. Wenn aus Mitgefühl tatkräftige Mitbestimmung wird, können wir viel verändern. Ich selbst denke nicht 24 Stunden am Tag daran, wie viele Leichen wohl bereits am Grund des Mittelmeers liegen. Das hält niemand aus. Auch ich versuche, meine Freizeit zu genießen, mein Leben zu leben. Trotzdem bin ich mir meiner Verantwortung in der Zeit, in der wir leben, bewusst. Und da ich helfen kann und will, helfe ich auch, Punkt. Meine Kollegin Sára Činčurová sagte einmal: „Wir werden das unseren Enkelkindern einmal erklären müssen.“ Ich stimme ihr da völlig zu. Es liegt an uns, auf welcher Seite der Geschichte wir stehen möchten. Was hat Ihnen besonders geholfen, die eigene kognitive Dissonanz zu überwinden? Es gibt Erlebnisse, die kann man nicht verdrängen, so wie die Momente, in denen ich Menschen in Not auf hoher See in die Augen blickte und sie meinen Blick erwiderten. Alles, was ich hier sage, steckt in diesen kurzen Blicken. Und man kann sie nicht vergessen. Um Dissonanzen zu überwinden, muss man sich mit den Dingen auseinandersetzen, man muss sich ihnen ‚aussetzen‘. Das ist nicht angenehm. Das wissen auch jene, die dieses Interview später lesen werden. Natürlich ist es schöner, etwas über die neuesten Iced-Coffee-Trends und schönsten Urlaubsziele zu lesen, als über Flucht, Vergewaltigung, Tod und EU-Politik. Doch was ich den Leuten immer versuche klarzumachen, ist: Gerade die negativen Gefühle sind es, die uns handeln lassen. Emotionen sind es, die uns zu Taten motivieren und Motor unseres Handelns sind. Wir müssen lernen, sie zu kanalisieren, gut zu kontrollieren und positiv und gezielt zu nutzen: Man darf und muss Trauer, Wut, Empörung spüren und sie in Energie umwandeln, die sich erst in Worten und schließlich in Taten und Veränderung zeigt. Wir sind da am besten, wo wir am meisten berührt werden. Man kann vieles verdrängen und bei vielem wegschauen, um es sich bequem zu machen. Aber es fühlt sich nichts, absolut nichts besser an, als Teil der Lösung anstatt Teil des Problems zu sein. Das wissen alle, die schon einmal jemandem geholfen haben, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Wegschauen ist menschlich, helfen aber genauso. Was können Sie anderen Menschen raten, die diese Dissonanz überwinden wollen? Einfach damit anzufangen ist das Wichtigste – und zwar nicht morgen oder nächste Woche, sondern sofort. Nur weil man etwas „noch nie“ oder „schon immer so“ gemacht hat, heißt das nicht, dass das so bleiben muss. Niemand kann oder soll allein die ganze Welt retten. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist wichtig. Und mit der Zeit werden die richtigen Schritte auch immer mehr und auch leichter. Meiner Erfahrung nach wird die Dissonanz geringer, je mehr man sich aktiv mit der Thematik auseinandersetzt und ins Handeln kommt. Eine Spende zu überweisen dauert vielleicht drei Minuten – das ist ein Schritt. Die beste Freundin oder den besten Freund anzurufen, um über das Thema zu sprechen, eine E-Mail an Politikerinnen und Politiker zu schreiben, eine Aktion zu starten – egal was. Aber man muss einfach anfangen. Der erste Schritt ist oft der schwerste. Danach geht es dann darum, dran zu bleiben, nicht aufzugeben, was oft nicht einfach ist, weil man sich schnell macht- und hoffnungslos fühlt. Aber das sind wir nicht. Wir leben in einer Demokratie. Die Zivilbevölkerung hat die Macht, gewaltige Veränderungen anzustoßen, sofern sie sich dessen bewusst wird. Selbstverständlich braucht man dazu Verbündete. Daher ist es sehr wichtig, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben, denn gemeinsam bewegt man immer mehr. Die Menschen, die in Libyen gefoltert werden oder im Mittelmeer ertrinken, haben keine Lobby. Da ist niemand, der sich für sie einsetzt und ihnen helfen kann, außer uns – Menschen wie Sie und ich. Wer helfen will, der kann helfen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Man muss nur kreativ sein und darf vor allem nicht aufgeben! Wenn Sie die Gelegenheit hätten zu einem direkten Gespräch mit verantwortlichen Ministern Österreichs oder Deutschlands – was würden Sie als Erstes verstehen wollen? Wie sie nachts ruhig schlafen können. Wie sie morgens in den Spiegel schauen können. Ob sie sich für einen „guten Menschen“, für einen „guten Christen“ halten. Ob sie denken, dass es einen Unterschied zwischen Menschen oder zwischen Kindern gibt. Ob sie der Meinung sind, manche hätten mehr Recht auf Leben als andere. Warum sind sie überhaupt in die Politik gegangen? Zweifeln sie manchmal an sich selbst? Ignorieren oder verdrängen sie die Toten und die Vergessenen oder sind sie ihnen tatsächlich egal? Was lösen die Schlagzeilen über das Flüchtlingslager Kara Tepe, das Mittelmeer und den Balkan bei ihnen aus? Was würden Sie ihnen mit auf den Weg geben wollen? Als ich noch in der Schule war, sprach eine Zeitzeugin des Zweiten Weltkriegs mit uns darüber, dass ihre Mutter zwei junge Männer auf dem Dachboden versteckte. Auf die Frage, warum sie das tat, antwortete ihre Mutter: „Weil die ja auch eine Mutter haben, die nur darauf wartet, dass ihre Söhne heil nach Hause kommen, so wie ich auf meine!“ Das ist vielleicht der Kern der Empathie. Wir brauchen eine empathischere Gesellschaft. Ich würde diesen Politikern nahelegen, den ihnen liebsten Menschen zu betrachten und sich vorzustellen, welche Angst man spürt, wenn man um das Leben dieses Menschen fürchtet. Wie sehr es schmerzen würde, diesen Menschen zu verlieren, auch in dem Wissen, dass die Person noch am Leben wäre, wenn ihr jemand bloß geholfen hätte. Unsere Politikerinnen und Politiker haben viel Einfluss, Macht und damit auch Verantwortung. Wir werden uns alle vor zukünftigen Generationen für unser Tun und unsere Untätigkeit gleichermaßen rechtfertigen müssen. Wir leben nur einmal. Wollen wir in diesem einen Leben wirklich dafür mitverantwortlich sein, dass mehr Menschen ihr Leben verlieren? Verbringen Sie einmal einen Augenblick mit Menschen auf der Flucht. Sehen Sie ihnen tief in die Augen und sprechen Sie mit ihnen, hören Sie ihnen aufmerksam zu, und Sie werden verstehen. Erhalten Sie für Ihre Arbeit aus Ihrer Heimat Österreich nur Unterstützung oder bekommen Sie auch Gegenwind zu spüren? Ich muss sagen, dass das Thema in Österreich wenig präsent ist und ich mir mehr Auseinandersetzung damit in unserem Land wünschen würde. Unterstützung bekomme ich viel aus meiner Familie und dem Freundeskreis. Das genügt mir. Im Gegensatz zu slowenischen, deutschen oder italienischen Kolleginnen und Kollegen halten sich bei mir die Hassbotschaften im Posteingang in Grenzen. Sebastian Kurz sagte vor einiger Zeit, als er noch Bundeskanzler war, es werde in der Flüchtlingsfrage „nicht ohne hässliche Bilder gehen“. Nur ist er nicht derjenige, der diese Bilder ansehen muss. Anders dagegen meine gute Freundin und Schiffskollegin, die Journalistin Sára Činčurová: Sie hat Fotos von Leichen über Twitter zugeschickt bekommen, die an libyschen Stränden angespült worden sind. Wir sind also diejenigen, die diese Bilder sehen müssen, nicht Sie, Herr Kurz! Ich frage mich, wie er wohl nachts schlafen würde, wenn er sich diese Bilder zu Gemüte führen würde: eine aufgedunsene schwangere Frau mit dem Kopf im Sand, ein toter Säugling am Strand, den tagelang niemand begraben hat. Sie haben aber auch einen anderen Staatsmann erlebt, den Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, der der Crew der „Sea-Eye 4“ kurz nach ihrem Einsatz die Ehrenbürgerschaft der Stadt verlieh. Orlando ist in meinen Augen ein wahrer Politiker mit Rückgrat, der auch für das einsteht, woran er glaubt, und dies selbst unter großem persönlichem Risiko. Er sagte uns, er kämpfe „per la vita“, für das Leben, und gegen jene, die Leben vernichten wollen, sei es die Mafia oder eine grausame Grenzpolitik. Das halte ich für einen simplen, aber schönen Gedanken. Leoluca Orlando und Palermo zeigen ganz Europa, dass es auch anders gehen kann, diese Unterstützung ist enorm wichtig und ich bin sehr dankbar dafür. Warum polarisiert Seenotrettung so tief, anstatt den Blick auf Verbindendes und Wesentliches zu lenken? Populistische Politiker und Politikerinnen in ganz Europa haben seit 2016 gezielt Flüchtende und Hilfsorganisationen diffamiert, die Stimmung mit alten Ressentiments in eine gewisse Richtung gedrückt und sich dabei rassistischer Tendenzen bedient. Diejenigen, die Widerstand leisteten, wurden zur Zielscheibe. Ein künstlicher Sturm wurde erzeugt: Ein gemeinsames Feindbild kann eine Gesellschaft zusammenschweißen. Doch es richtet auch innerhalb einer Gesellschaft großen Schaden an. Eine gespaltene Gesellschaft ist natürlich nichts Gutes, doch profitiert die Politik davon, solange sie die Mehrheit auf ihrer Seite weiß. Für mich sind all dies Stellvertreterkriege und Phantasmen – Letzteres vor allem deshalb, weil so viele Falschinformationen und Unwahrheiten über Social Media verbreitet werden. Und Ersteres, weil dadurch viel wichtigere Themen völlig in den Hintergrund geraten. Das beste Beispiel ist die Klimakrise, die nicht nur ein, sondern ein wesentlicher Mitverursacher von Fluchtbewegungen ist und vor allem in der Zukunft noch sein wird. Die frühere Flüchtlingshelferin Rebecca Sommer kritisiert heute eine zu liberale Flüchtlingspolitik und sagt zum Beispiel: „Wir können nicht solche Massen aufnehmen – Einzelne ja, Massen nein. Es kommen dabei nicht Parallelgesellschaften, sondern Gegengesellschaften heraus.“ Wenn Sie mit solchen Positionen konfrontiert werden, was entgegnen Sie? Dem würde ich so nicht zustimmen. Schaut man sich die Menschheitsgeschichte an, so haben sich Bevölkerungen, Grenzen und Kulturen andauernd vermischt, verlagert und neu geordnet. Das ist nichts Neues. Es sind viele großartige Kulturen entstanden, die sich gegenseitig beeinflusst und bereichert haben. Migration ist seit jeher das Natürlichste der Welt. Die meiste Migration von Afrikanerinnen und Afrikanern findet heute außerdem innerhalb des afrikanischen Kontinents statt. Man kann also nicht leichtfertig von „Massen“ sprechen. Begriffe wie „Masse“ oder „Flut“ sind dehumanisierende, populistische Kampfbegriffe, um von den eigentlichen Problemen im Land abzulenken: von Alters- und Kinderarmut, Problemen im Bildungs- und Gesundheitssystem, der mangelnden Besteuerung von Superreichen, Korruption und Steuerhinterziehung großer Konzerne. So ein externes Feindbild hilft niemandem weiter. Es sind nicht Personengruppen das Problem, sondern gesellschaftliche Tendenzen und Strukturen – und vor allem, wie politisch Verantwortliche damit umgehen. Nicht „Menschen aus Land XY“ sind das Problem, wenn es zum Beispiel um den Missbrauch von Frauen geht, sondern Sexismus und patriarchale Machtstrukturen, und zwar überall, auch in Europa. Wenn eine Person eine Straftat begeht, ist es gleichgültig, woher sie stammt oder welche Hautfarbe sie hat. Sie muss für dieses Verhalten mit rechtsstaatlichen Mitteln zur Rechenschaft gezogen werden, egal ob deutscher oder nicht deutscher Herkunft. Wir leben in einer globalen Welt, denken aber immer noch streng national. Verstehen Sie denn die Sorge, dass europäische Gesellschaften überfordert sein könnten? Wenn Frau Sommer von „Gegengesellschaften“ spricht, dann impliziert das, dass es auch eine homogene Gesellschaft auf der anderen Seite, im Gastgeberland, gibt. Doch was, außer einem deutschen Pass, hat denn bitte die deutsche CEO im Maßanzug, die im Penthouse in der Innenstadt wohnt und in die Paradise Papers verwickelt ist, gemeinsam mit dem Fliesenleger in Rente, der in einer verfallenden 40-Quadratmeter-Wohnung im Randbezirk wohnt? Eine Gesellschaft wird immer verschiedenste Probleme zu lösen haben und sie kann sich diese nicht immer aussuchen. Wir sind auch überfordert mit der alternden Gesellschaft, der Klimakrise. Dennoch müssen wir diese Probleme unbedingt lösen. Es liegt nicht an fehlenden Mitteln oder Ressourcen. Es liegt am fehlenden politischen Willen. Europa finanziert statt Seenotrettung die sogenannte libysche Küstenwache. Die Zielsetzung ist dabei überdeutlich: Grenzschutz kommt vor dem Recht auf Überleben. Aber die Besorgnis einer Rebecca Sommer, halten Sie diese nun für unberechtigt? Das akute Problem, das wir in Europa haben, ist nicht eines der völligen Überforderung aufgrund von zu viel Migration. Das Problem ist vielmehr, dass wir eine Gesellschaft geworden sind, die Menschenrechte mit Füßen tritt und Menschen wissentlich und willentlich an ihren Grenzen sterben lässt. Aber es muss auch gesagt werden: Man darf nicht naiv die Augen vor Problemen verschließen. Integration passiert nicht einfach. Wenn wir als EU die Menschenrechte hochhalten wollen, müssen wir uns entsprechend dazu verhalten und uns um Schutzsuchende kümmern. Kommen sie in Europa dann nur aufs Abstellgleis in der Hoffnung, dass sie alsbald abgeschoben werden, führt das zu nichts Gutem: Ausgrenzung schmerzt und ist kontraproduktiv für alle Beteiligten. Nur wenn wir alle Menschen, die in einem Staat leben, als wichtigen Teil begreifen und einbinden – also nicht nur jene mit hiesigem Pass –, können auch alle profitieren. Vereinfacht gesagt: Man könnte der Meinung sein, es wäre besser, Menschen sterben oder vor sich hinvegetieren zu lassen, als sich mit ihnen im eigenen Land zu beschäftigen. Solch menschenverachtendes Gedankengut halte ich aber für höchst giftig und extrem gefährlich für jede zivilisierte Gesellschaft. Politiker und Lobbyistinnen müssen endlich aufhören, in Legislaturperioden und Geschäftsjahren zu denken. Stattdessen sollten sie ihren Horizont erweitern und auch an künftige Generationen denken. Wir haben in Europa eine Krise der Humanität und diese gilt es zu bekämpfen anstatt Söhne an Zäunen oder Mütter auf Schlauchbooten. Immer wieder verlauten aus der deutschen Politik Vorschläge, Asylzentren außerhalb Europas einzurichten. Die dänische Regierung will Asylverfahren in sogenannten Partnerstaaten wie Ruanda durchführen und Geflüchtete für die Dauer des Verfahrens dort unterbringen lassen. Halten Sie solche Ideen für populistisch oder auch für brauchbar? In dieser Sache gibt es weitaus schlauere Köpfe als mich, die sehr gute Lösungen entwickeln, wie man mit Fragestellungen solcher Art umgehen kann. Wichtig ist: Es fehlt uns nicht am Geld, an Ressourcen oder Strategien – die sind zur Genüge vorhanden. Es fehlt am politischen Willen. Mitte Juli hat die italienische Regierung mit großer Mehrheit dafür gestimmt, weiterhin die libysche Küstenwache zu finanzieren, jene Kräfte also, die bereits für den Missbrauch und Tod von so vielen Geflüchteten verantwortlich sind. Frontex soll in den nächsten sechs Jahren 900 Millionen Euro an Budget bekommen, 2006 waren es noch 19 Millionen. Stellen sie sich vor, was man mit all diesem Geld im Bereich Asyl und Integration machen könnte! Die politische Richtung Europas ist derzeit ganz klar die der Migrationsabwehr, und was die kostet, ist auch klar: Sie kostet vor allem Menschenleben. Auch werden enorm viele EU-Gelder in Afrika in den „Grenzschutz“ vor Ort investiert. Es gibt Abkommen mit Diktatoren, zweifelhafte Deals mit Ländern, die ihre eigene Bevölkerung schikanieren und verfolgen. Bisher machen wir also genau das Gegenteil dessen, was hilfreich sein könnte, und generieren stattdessen noch mehr Flüchtende. Was wir brauchen, ist eine 180-Grad-Wendung in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Wenn wir an der bisherigen Denkrichtung nichts ändern, scheint es mir, dass solche Asylzentren nur andere Formen der Migrationsabwehr darstellen werden. Viele der Push-Faktoren wie Krieg, Armut und Verfolgung haben wir durch Waffenhandel und Ausbeutung mit verursacht. Vieles sind Nachwirkungen dessen, was europäische Staaten im Zuge gezielter Ausbeutung des afrikanischen Kontinents angerichtet haben. Wir müssen endlich Fluchtursachen bekämpfen statt Flüchtende! Ihr Einsatz als Ersthelferin auf Rettungsschiffen ist sicher etwas anderes als das Leben zu Hause in Wien. Wie bekommen Sie diese beiden Welten in Ihrem Alltag zusammen? In beiden Welten gilt: viel Kaffee und viel Humor! Ich habe großartige Freunde und Familie, eine gute Kaffeemaschine und ich denke, ich halte ganz gut die Balance zwischen Aktivismus und Privatleben. Ich missioniere nicht, das ist immer kontraproduktiv, aber ich helfe oder informiere immer, wenn ich kann oder gefragt werde. Um mich muss man sich keine Sorgen machen. Ich mache mir eher Sorgen um die Menschen, die flüchten, flüchten wollen oder flüchten mussten und ganz alleine dastehen. Ich habe ja Kontakt mit einigen der von uns geretteten Personen, und das ist manchmal traurig, aber auch oft sehr schön. Ich durfte viel von ihnen lernen und dafür bin ich sehr dankbar. Das Meer verbinden hierzulande viele mit Urlaub und Kreuzfahrtschiffen. Wäre es für Sie vorstellbar, mal eine Kreuzfahrt zu buchen, oder erscheint Ihnen das aus heutiger Sicht dekadent? (lacht) Nein, wirklich nicht! Kreuzfahrtschiffe sind für mich der blanke Horror aus Sicht einer Reisenden und aus umwelttechnischen Gründen. Was ich aber immer wieder gerne mache, das sind private Segeltörns. Ich liebe das Meer noch immer, auch wenn ich es mittlerweile mit etwas anderen Augen sehe. Ja, ich denke an die Geflüchteten, wenn ich auf dem Meer bin. Aber ich denke auch an sie, wenn ich alleine auf meiner Couch sitze. Für mich war das Meer immer ein Ort großer Freude und Freiheit. Daher ist es absurd und paradox für mich, dass es für so viele Menschen der Ort ist, an dem sie um Luft ringen und den Kampf ums Überleben verlieren. Jeder, der schon einmal auf See war, kennt deren grenzenlose Schönheit, aber auch ihre unheimliche Weite, die Gefahr, die von ihr ausgehen kann. Deshalb ist es auch ein ungeschriebenes Gesetz, dass Seeleute sich immer gegenseitig helfen, wenn sie jemanden finden, der in Gefahr ist, und das, ohne vorher nach der Nationalität zu fragen. Das Meer ist nicht der Feind. Es unterscheidet schließlich nicht, wen es verschlingt. Das Meer ist unberechenbar und brutal, aber fair. Unfair sind nur wir Menschen.

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