Was genau ist eigentlich Storytelling?

Was genau ist eigentlich Storytelling? Mal ganz doof nachgefragt. Oder doch klug gefragt? Was genau ist eigentlich Storytelling? Das bin ich schon einige Male gefragt worden – und zwar von Kolleginnen. Solchen, die mich kennen und sich trauen, etwas zu fragen, bei dem andere denken: Das kann ich nicht fragen, das ist mir zu peinlich. Denn im Grunde weiß doch jede(r), was Storytelling ist. Geschichten erzählen eben. Und meine Erläuterung dazu: Genau das – nicht mehr und nicht weniger. Woher kommt dann diese Unsicherheit, dieses verschämte Nachfragen? Weil dieser Begriff von einigen Branchen oder Berufssparten für sich in Anspruch genommen wird und damit spezielle Verfahren, komplexe Theorien oder zumindest solche, die sich dafür ausgeben, verbunden werden. Darum soll hier eine Art Bestandsaufnahme ein wenig Klarheit verschaffen. Das Gemeinschaftserleben In seiner ursprünglichen Form ist Storytelling Teil einer jeden Gemeinschaft, einer Kultur, eines Stammes oder Volkes. Während es bei manchen Stämmen noch heute zum täglichen Brauch gehört, sich um das Feuer zu setzen und der Seele Nahrung zu geben, suchen hochzivilisierte Völker dieses Erleben wieder mühsam zurückzuholen durch Abenteuerurlaub, Outdoor-Manager-Seminare oder klösterliche Klausur, bei denen das abendliche Erzählen wesentlicher Teil der Sinnfindung ist. Die Heilkunst Mein Freund Tauna aus Namibia vom Stamme der Ovambo verbindet Storytelling mit Musik und Meditation. Seine Auftritte sind ein Erlebnis. Der Sohn eines Medizinmannes und einer weisen Frau lebt seit Jahrzehnten in Schweden und trägt die orale Tradition seines Kontinents in alle Welt. Er betont den heilenden Charakter von Geschichten. Den hat auch die Psychotherapie erkannt und wendet Storytelling als therapeutische Technik an. Das Erzählen wird genutzt, um aus Erfahrungen Sinn zu konstruieren und neue Perspektiven zu entwickeln. Werbung Werbeleute, die Storytelling einsetzen, wollen Kunden nicht mit platten Versprechen oder Kaufaufforderungen langweilen und letztlich dadurch verlieren. Es macht einen Unterschied, ob zum Beispiel das realitätsgetreue Bild eines Fernsehers mit allen unverständlichen technischen Kürzeln wie CI+, HD+ usw. beworben wird oder mit einer Geschichte wie sie LG zeigt: Ein Riesenfernseher wird in einem Büro aufgehängt und wie ein Fenster eingerahmt. Bei den anschließend stattfindenden Bewerbungsgesprächen fliehen die Bewerber entsetzt, als auf dem Bildschirm ein Weltuntergangsszenario gezeigt wird. Dieser Vergleich macht unmittelbar die Wirkung des Storytellings in der Werbung deutlich: Der Nutzen wird erlebbar, die Geschichte vermittelt Sinn und transportiert diesen durch Emotionen. Und hier ist die Bandbreite groß. Humor, Freude, Mitleid, Überraschung – all das und viel mehr zieht uns in den Bann. Das bleibt im Kopf hängen. Das funktioniert übrigens auch bei weniger kostspieligen Werbeformaten wie Flyer und Webseiten, nicht nur bei Radio- und TV-Spots. Marketing Marketing und Werbung sind sehr eng verwandte, manchmal sogar synonym verwendete Begriffe. Hier wird Storytelling genutzt, um Informationen überzeugender und emotional wirkungsvoll zu transportieren. In den Marketingbereich gehören unter anderem die Imagevideos. Lego hat hier 2012 ein wunderbares Beispiel anlässlich seines 80-jährigen Bestehens geliefert: Auch in der Presse- und PR-Arbeit hat das Storytelling in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, auch wenn es schon früher üblich war und also für viele ein alter Hut ist, anlässlich eines Jubiläums die Firmengeschichte zu erzählen. Aber inzwischen kennen wir mehr und mehr Produktgeschichten, die dazu beitragen, dass die Beziehung des Kunden zu seinem Produkt intensiviert wird. Da erzählt der Hersteller von Bambusrädern, wie eine Familie in Ghana den Rohstoff anbaut und vor Ort eine gutgehende Produktion aufbaut, die vielen Menschen die Existenz sichert. Da erzählt ein Sargbauer, wie er den größten Sarg, den er je baute, für einen 326 kg schweren Verstorbenen mit einem Stahlrohrrahmen verstärkte. Das macht Eindruck, das vermittelt Kompetenz und schafft Vertrauen. Wer sich glaubhaft als Experte darstellen will, schreibt sogar ein eigenes Buch oder nutzt dazu zum Beispiel die Dienste eines Ghostwriters wie ich es bin. Ganz besonders im Fokus steht das sogenannte Contentmarketing, das ohne Geschichten wohl nur mit einen Bruchteil des Interesses auskommen müsste. Produkt- und Firmengeschichten werden hier gerne eingesetzt. Blogartikel, mit kleinen Anekdoten gewürzt, unterhalten und machen Leser zu Abonnenten. Die Lehrmethode Geschichten werden im Unterschied zu reiner Informationsvermittlung nicht nur viel bereitwilliger aufgenommen, sondern sind nachweislich effektiver. Die Einbeziehung der Vorstellungskraft und der Sinne fördert die Aufnahme von Lerninhalten. Die entspannte Lernsituation beflügelt die Kreativität, die Entwicklung des Sprachschatzes und das Finden eigener Lösungswege. Unternehmenskommunikation Das machen sich Experten in der Unternehmenskommunikation zunutze und haben Storytelling als multifunktionale Wissensmanagement-Methode wissenschaftlich erforscht und als Methode zur Entwicklung von Erfahrungsgeschichten in Organisationen eingesetzt. So sollen Veränderungen in Gang gesetzt und das Unternehmen auf seinem Weg zu einer lernenden Organisation unterstützt werden. Andrea Bittelmeyer erzählt dazu folgende Geschichte: Kundendienstmitarbeiter des amerikanischen Technik-Konzerns Xerox erzählen sich in den Pausen und beim abendlichen Kneipengespräch gerne, wie sie Bürogeräte ihrer Kunden repariert und was sie dabei erlebt haben. Es macht ihnen Spaß zu berichten, wie sie verzwickte Schwierigkeiten gelöst haben, denn das verschafft ihnen die Anerkennung von den Kollegen. Ganz nebenbei lernen sie so voneinander. Das erkannte auch deren Beauftragter für Weiterbildung und verbannte Handbücher und Datenbanken. Stattdessen setzte er das Geschichtenerzählen regelrecht als Lehrmethode ein und erreichte dadurch, dass Xerox innerhalb von zwei Jahren Servicezeit und Einzelteileverbrauch um zehn Prozent reduzierte. Gleichzeitig konnte der Lernerfolg der Servicemitarbeiter um 300 Prozent verbessert werden. Auch die Zufriedenheit der Kunden stieg messbar. Unternehmensanalyse Für Unternehmensberater ist Storytelling ein hervorragendes Instrument, um Prozesse, Motivation der Mitarbeiter, Qualität der Zusammenarbeit, Verbesserungspotential und vieles mehr in einem Unternehmen zu analysieren. Auch atemwort bietet dies an. Dazu verwenden wir Analysemethoden aus der Literaturwissenschaft. Seelenfutter Vermutlich ist diese Liste nicht vollzählig. Kann sie gar nicht sein. Denn so wie unsere Gesellschaft sich wandelt, wandeln sich auch die Einsatzmöglichkeiten von Geschichten und damit das Erzählen selbst und vermutlich treten mit der Zeit immer wieder neue Leute ins Rampenlicht, die Storytelling als Methode für sich in Anspruch nehmen. Wir haben einen langen Weg hinter uns von der oralen Tradition zur virtuellen Realität. Die Bedeutung des Geschichtenerzählens ist geblieben. Gleich wer es unter welchem Aspekt, mit welchem Ziel, methodisch oder intuitiv einsetzt. Der Grund ist klar – zumindest für mich: Geschichten sind ein Grundbedürfnis, denn sie sind Nahrung für die Seele. Der Beitrag Was genau ist eigentlich Storytelling? erschien zuerst auf atemwort storytelling.

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