»Abschiebungen in den Iran sind absolut gefährlich«

Seit Januar 2024 fürchten ausreisepflichtige Iraner*innen in Deutschland, bei denen keine Abschiebungshindernisse vorliegen, in den Iran abgeschoben zu werden. Denn der Abschiebestopp, der im Jahr 2023 noch galt, wurde nicht mehr verlängert. Wie bewertest du diese Entscheidung? Abschiebungen in den Iran sind absolut gefährlich. Es wurde bei der letzten Innenminister*innenkonferenz nicht einmal darüber abgestimmt, ob der Abschiebestopp verlängert werden soll. Die Bundesregierung hat ihn einfach auslaufen lassen. Bayern hat seitdem schon vier Menschen abgeschoben. Und das, obwohl wir alle noch vor einem Jahr betont haben, wir stünden mit den Menschen im Iran Seite an Seite. Die Situation im Iran ist nicht besser geworden, sondern im Gegenteil, und trotzdem ist es nun wieder möglich, dorthin abzuschieben. Kurz nachdem der Abschiebestopp in den Iran auslief, wurde eine junge Frau in Schleswig abgelehnt mit der Begründung, dass das Nicht-Tragen eines Hijabs nicht zu einer Bedrohung im Herkunftsland führen würde. Drei Tage später wurde im Iran eine junge Kurdin 74 Mal ausgepeitscht, weil sie keinen Hijab getragen hat. HINTERGRUND Zum Lesen klicken Asyl in Zahlen Im Jahr 2023 lag die Gesamtschutzquote von iranischen Asylsuchenden bei 45 Prozent. Das heißt: Jeder zweite Antrag wurde vom zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. Die Schutzquote sank im ersten Quartal 2024 sogar auf 39 Prozent. Wie erklärst du dir diese hohe Ablehnungsquote? Ich glaube, die Bundesregierung fokussiert sich mit der sogenannten Abschiebeoffensive im Moment darauf, zu zeigen, dass sie möglichst viele Menschen abschiebt. Die Situation der Menschen aus dem Iran tritt dabei in den Hintergrund. Außerdem hat die mediale Aufmerksamkeit in Deutschland für die Situation der Frauen im Iran abgenommen. Dabei geht der Protest dort aber weiter, nur nicht mehr in der von Europa meist romantisierten Form von Massendemonstrationen und tanzenden Frauen ohne Hijab. NEWS Zum Lesen klicken Verfolgte Frauen besser schützen! Zum Beispiel gehen Menschen in den Hungerstreik, um damit gegen die Hinrichtungen politischer Gegner*innen des Regimes zu protestieren. Weiterhin werden Frauen von der Sittenpolizei festgenommen, gefoltert und inhaftiert. Allein im letzten Jahr wurden im Iran 853 Menschen hingerichtet. Trotzdem protestieren die Menschen weiter, organisieren sich zu Protestaktionen und Frauen gehen ohne Kopftuch auf die Straße. Wir sehen also: Der Protest und auch die Verfolgung im Iran dauern an, es schaut nur keine*r mehr hin. »Wir sehen also: Der Protest und auch die Verfolgung im Iran dauern an, es schaut nur keine*r mehr hin.« Daniela Sepehri, dt.-iranische Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Wir bei PRO ASYL wundern uns über die Einschätzung der Gefahren im Iran in den ablehnenden Bescheiden, die wir gesehen haben. Da wird an vielen Stellen auf den »aktuellsten« Lagebericht des Auswärtigen Amtes abgestellt – allerdings ist dieser von November 2022. Kannst du einschätzen, warum das BAMF die bedeutenden Entwicklungen seit den Protesten nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 in seinen Entscheidungen so wenig berücksichtigt? Es ist wirklich ein Armutszeugnis, dass die Lage im Iran in den letzten eineinhalb Jahren kaum Einfluss auf die BAMF-Entscheidungen hat. Meiner Meinung nach ist der politische Wille nicht vorhanden, die Schutzgründe von Iraner*innen detailliert zu ermitteln. Dann könnte man niemanden mehr abschieben. Das zeigt sich auch an der Aufhebungsquote negativer BAMF-Bescheide durch Verwaltungsgerichte in den inhaltlich entschiedenen Asylklagen beim Herkunftsland Iran. Sie lag im Jahr 2023 bei 54 Prozent, das heißt, fast jeder zweite inhaltlich überprüfte negative BAMF-Bescheid zum Herkunftsland Iran wurde letztes Jahr gerichtlich aufgehoben. NEWS Zum Lesen klicken Das Gegenteil von Verbesserungen: Das neue Rückführungsgesetz verschlimmert die Lage Was bedeutet es für abgelehnte Menschen, in den Iran abgeschoben zu werden? Was droht ihnen dort? Ich kenne Fälle, zum Beispiel den eines konvertierten Christen, der 2020 abgeschoben und direkt am Flughafen in Teheran verhaftet wurde. Auch Frauen, die angeblich einen »zu westlichen« Lebensstil haben, enge Jeans tragen oder Ähnliches, laufen Gefahr, direkt inhaftiert zu werden. Für kurdische Menschen reicht es schon, wenn sie nur ihre Sprache sprechen, sie müssen nicht einmal politisch aktiv sein, um inhaftiert und gefoltert zu werden. Ebenso besteht für queere Menschen im Iran Gefahr für Leib und Leben, ebenso für die Bahai. Diese Gruppen werden allein aufgrund ihrer Existenz kriminalisiert. Sie müssen wir in Deutschland schützen, doch viele von ihnen werden im Asylverfahren abgelehnt und müssen ins Klageverfahren oder sogar die Abschiebung befürchten. Welche Schwierigkeiten haben Iranerinnen im deutschen Asylverfahren? Im Iran sehen wir ein Regime, das Angst vor den Protesten hat. Hinrichtungen und Auspeitschungen von Frauen nehmen zu, die Sittenpolizei ist stärker als zuvor. Trotzdem werden Frauen hier im Asylverfahren abgelehnt, weil ihnen schlichtweg nicht geglaubt wird oder wegen fehlender Expertise zu der Situation in dem Land. So sagt das BAMF zum Beispiel immer wieder, dass es nicht gefährlich sei, im Iran auf das Tragen des Hijabs zu verzichten. Wir brauchen dringend die Anerkennung der geschlechterspezifischen Verfolgung von Frauen im Iran. Außerdem müssen sie in Sammelunterkünften hier in Deutschland viel mehr Schutzräume bekommen und die Erlaubnis, außerhalb der Unterkünfte zum Beispiel bei Verwandten zu wohnen. Geflüchtete iranische Frauen haben häufig Gewalt erlitten, oft auch sexualisierte. Wie viele Kenntnisse hat das Regime im Iran über exilpolitische Tätigkeiten von iranischen Menschen hier in Deutschland? Der iranische Geheimdienst ist in Deutschland sehr aktiv. Zum Teil werden festgenommenen Menschen im Iran Fotos von ihren demonstrierenden Verwandten in Deutschland vorgelegt. Diese Personen müssen noch nicht einmal öffentlich bekannt sein. So wurde zum Beispiel die Nichte des hier lebenden iranischen Journalisten Farhad Payar im Iran zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, allein wegen ihrer familiären Beziehung. Das Regime weiß ganz genau, was Iraner*innen im Ausland tun. Deutschland lässt das gewähren, auch wenn Demonstrant*innen die Polizei auf vermeintliche Spione auf Demos hinweisen, zucken sie nur mit den Schultern. Deshalb haben viele Menschen Angst, auf Demos hier in Deutschland zu gehen. NEWS Zum Lesen klicken Unzumutbar: Geflüchtete müssen mit Passgebühren Verfolgerstaaten finanzieren Was erwartest du von der deutschen Bundesregierung und den Innenminister*innen in Bezug auf schutzsuchende Iraner*innen? Ich erwarte von der nächsten IMK einen erneuten Abschiebestopp in den Iran und bis dahin ein bundesweites Abschiebeverbot für alle Iraner*innen in Deutschland. Ich erwarte die voll umfassende Anerkennung der geschlechtsspezifischen Verfolgung von Frauen im Iran, der religiösen Verfolgung und der von queeren Menschen und Angehörigen von ethnisch marginalisierten Gruppen. Ich wünsche mir schnelle Asylverfahren für diese Menschen, niedrigschwellige Landes- und Bundesaufnahmeprogramme für gefährdete Iraner*innen und ein Bleiberecht für Iraner*innen in Deutschland. Außerdem dürfen iranische Asylsuchende nicht in die iranische Botschaft gezwungen werden, um sich Dokumente zu besorgen – denn so werden sie auf das Hoheitsgebiet des Regimes gezwungen, vor dem sie geflüchtet sind. (nb, ja) The post »Abschiebungen in den Iran sind absolut gefährlich« first appeared on PRO ASYL.

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