Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung gegenüber dem Arbeitgeber notfalls auch im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzen. Das gilt selbst dann, wenn er kurz vor der Rente steht, entschied das Arbeitsgericht Aachen kürzlich (Az.: 2 Ga 6/24). Arbeitgeber können sofern der Gesundheitszustand des Betroffenen nicht dagegen spricht verpflichtet sein, einem schwerbehinderten Beschäftigten nach einem längeren Ausfall gemäß ärztlicher Vorgabe die stufenweise Wiedereingliederung nach dem sog. Hamburger Modell zu ermöglichen. Das hat bereits vor einigen Jahren das Bundesarbeitsgericht klargestellt (BAG, 16.05.2019 – 8 AZR 530/17). Wie weit dieser Anspruch bei älteren Arbeitnehmern reicht, hatte nun kürzlich das Arbeitsgericht Aachen zu entscheiden. Im Prozess ging es um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer (GdB von 90), der seit 1988 für einen Bauelementeproduzenten tätig ist und dort zuletzt zum Verkaufs- und Vertriebsleiter aufgestiegen war. Da er an einem Hirntumor erkrankte, war er seit April 2023 durchgehend arbeitsunfähig und durfte zudem bis zum 10.04.2024 kein Auto fahren. Ende Oktober 2024 erreicht der Mann die Regelaltersgrenze, womit sein Arbeitsverhältnis vertragsgemäß endet. Nachdem die Krankheit nach Gerichtsangaben Ende Januar erfolgreich therapiert war, reichte der Mann Anfang Februar einen ärztlich erstellten Wiedereingliederungsplan bei dem Unternehmen ein und bat um stufenweise Wiedereingliederung. Die Firma lehnte das jedoch ab. Deshalb beantragte der Arbeitnehmer, den Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung zu verpflichten, ihn ab Mitte März nach dem Hamburger Modell zu beschäftigen zunächst einen knappen Monat lang für zwei Stunden pro Arbeitstag und dann für vier bzw. später sechs Stunden. Das Unternehmen bestritt im Prozess jedoch, dass das möglich sei, da es keine sinnvollen Aufgaben gäbe, die der Mann bei einer Arbeitszeit von zwei oder vier Stunden täglich erledigen könnte. Außerdem sei es unverzichtbar, dass er Autofahren dürfe, da er Baustellen anfahren müsse. Ferner sei die Sache nicht eilbedürftig. Hamburger Modell als Nebenpflicht des Arbeitgebers? Das Arbeitsgericht Aachen folgte jedoch den Argumenten des Mitarbeiters und entschied, der Arbeitgeber sei in diesem Fall verpflichtet, die stufenweise Wiedereingliederung zu ermöglichen. Zwar existiere grundsätzlich kein Anspruch auf Mitwirkung des Arbeitgebers an einer stufenweisen Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben. Bei schwerbehinderten Beschäftigten gestalte sich die Sache jedoch anders: Denn laut § 264 Abs. 4 Satz 1 SGB IX schließt die (krankheitsbedingte) Unfähigkeit zur (vollen) Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung einen Beschäftigungsanspruch nicht aus. Es gehöre daher bei schwerbehinderten Beschäftigten zu den typischen Nebenpflichten des Arbeitgebers, eine Rückkehr an den Arbeitsplatz nach dem Hamburger Modell zu ermöglichen. Kein Hindernis sah die Kammer dabei darin, dass der Mann eine Zeit lang fahruntüchtig ist. Denn das sei nur vorübergehend. Außerdem könne er zunächst auch beispielsweise Büroarbeiten erledigen, denn zu seinen bisherigen Aufgaben zählen schließlich auch u.a. die Rechnungstellung und die Reklamation. Dass es bei einer über 30-jährigen Betriebszugehörigkeit und entsprechendem Erfahrungsschatz angeblich keinerlei Einsatzmöglichkeiten für den Kläger gibt, sei nicht nachvollziehbar, insbesondere da das Unternehmen eine gesteigerte Pflicht hat, ihm Tätigkeiten unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung zuzuweisen (§ 164 Abs. 4 S. 1 SGB IX). Die Richterinnen und Richter betonten zudem, dass schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Arbeitnehmer eine Wiedereingliederung ggf. auch im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen können: Die notwendige Eilbedürftigkeit folgt aus dem Beschäftigungsinteresse der schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Person, welches aufgrund ihres Anspruchs auf Teilhabe am Erwerbsleben aus § 164 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich überwiegt. Daran ändere auch der bevorstehende Renteneintritt nichts. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln ist möglich. Urteil des Arbeitsgericht Aachen vom 12.03.2024 (Az.: 2 Ga 6/24). Der Beitrag Schwerbehinderter Arbeitnehmer kann stufenweise Wiedereingliederung per einstweiliger Verfügung durchsetzen erschien zuerst auf BetriebsratsPraxis24.de.
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